wie gefällt ihnen mein goldener schnitt? neu aufgeteilt.



anders segeln

de en


simu-           
origi- anscheins-
nal schriftrolle
lacrum diese seite
gibt es
15 s.
auch im
pd-format

Gedankenvermittlung & Spielschule




outer space   übersicht  zeiten  boote  orte  segeln  lernen  kontakt


34×150 22 4 m mb

ostern2023     |




insel / freiheit v.1.4

inhaltsverzeichnis pdf 1 mb

einleitung / kapitel 1 – 3 (1 mb)

kapitel 4 (rund 1 megabyte groß)

kapitel 5 (2 mb)

kapitel 6 – 7

kapitel 8.1 – 8.3

kapitel 8.4 – 8.6

kapitel 9

kapitel 10.1 / 11.1

kapitel 11.2 / 10.2

kapitel 12

kapitel 13 – 14

Zur Insel, zur Freiheit

Ein Versuch über die seltsamer wer­dende Welt der Gegenwart

    

Hafenstimmung in Sassnitz in der späten Nacht zum 5. August 2022.

    



5

Von der Freiheit eines Kutter-Russen



Jugend­wander­kutter (JWK)


Was du wirklich brauchst, ist ein dichtes Persenning, ein trockener Schlafsack und ein funktionierender Kocher.“ Haben wir in den Neunzigern auf der Unterelbe gesagt. Und dann, auf Sommertour nach Rügen sozialistische Kampflieder mitgesungen, in westlicher Folk-Revival-Vertonung aus den Siebzigern (ein wenig ironisch natürlich) wir romantisch-rationalen und spielfreudigen Wohl­stands­kinder der lange schon erschütterten Moderne, auf unserem beinahe schon absurd altmodischen, in wichtigen Teilen aber modernisierten offenen Schwertboot mit Luggertakelung, ohne Klo und ohne Motor, aber mit Maha­go­ni­planken, Teakduchten und Bulli’s aus Edelstahl.


Bulli’s‘ meint Beleg­nägel: Ein­fa­che Vor­rich­tun­gen zum Befes­ti­gen von Tau­werk, in Form eines großen, stump­fen, runden Nagels mit einem Absatz, welche durch ein pas­sen­des Loch in einem Brett — typi­scher­weise der Nagel­bank, bei uns ledig­lich in zweien der Ruder­duch­ten — gesteckt und dann, ähn­lich wie eine Klampe, von einer Seite her belegt werden, mit Kreuz- und Kopf­schlä­gen oder, wenn es um eine Schot geht, ledig­lich mit einem halben Kreuz­schlag und einem Schot­mann, der sie auf Zug hält.



Wie das wohl auf die bereits etwas gesetzteren Männer­mann­schaften mit real­sozia­lis­tischer Alltags­er­fahrung in den damals im Strelasund noch häufig zu sehenden K-10-Back-Eiern, Plaste-Gaffel­kuttern, vermutlich aus Beständen der para­mi­li­tä­ri­schen GST (Gesellschaft für Sport und Technik) der noch nicht lange in sich zusam­men­ge­fallen gewesenen DDR gewirkt hat?

Müsli-Kutter‘ traf es eigentlich nicht schlecht. Gerade auch im Kontrast zu den Fischkuttern, von denen es ebenfalls noch mehr gab, und dem Handwerk ihrer Besatzungen. Wobei die mit den Jugendkuttern, schon vom Grundentwurf her wenig zu tun haben, auch wenn die dazu­gehörigen (historischen) Arbeitshemden aus Finkenwerder Tracht bei uns wieder (einmal) in Mode kamen. Kutter in unserem Sinne waren einmal die vielseitigen Beiboote einer bestimmten Größenklasse der Kriegsschiffe gewesen. Nach deutscher Nomenklatur war das direkte Vorbild für den JWK der KIIK, der Marinekutter zweiter Klasse: Ein solide gebautes, offenes Holzboot für um die zwölf Mann, karweel beplankt, also mit glatter Außenhaut, wenig Tiefgang, gerudert oder mit Hilfsbesegelung.


Mehr­zweck-Beiboot mit Hilfs­besegelung

modi
­fi­
zie­ren

Was einfaches, schnell und mit Bordmitteln aufzu­riggendes, das was aushält — nicht so filigrane Spieren, Nuten, Latten, aufwendige Beschläge wie bei den Yachten und Lustbooten — mit dem man auch kreuzen kann. Man muss schließlich immer wieder zurück zum Mutter(kriegs)schiff. Motor, Dampf­ma­schine? Wo denkt ihr hin? Mehr­zweck-Bei­boot, nicht Admi­rals-Bar­kasse. Auch kein Kutterrigg, wie auf bestimmten Yachten oder kleinen Schiffen, zum Beispiel Lotsenkuttern, das wäre zu hoch, auch zu wenig unterteilt, mit dem langen, schweren Großbaum. Lugger­ta­kelung, genauer eine Luggerketsch: Zwei relativ kurze, von Hand auf­zu­rich­tende, drei­punkt­ver­stagte Masten, der vordere höher als der achtere; zwei in Form eines verzerrten Trapezes geschnittene, nicht zu bauchige Segel an steil­ge­stell­ten Rahen, die, anders als bei den bekannten Rah­segel-Schiffs­typen — Vollschiffen, Briggs, Barken, Barkentinen und so weiter — auf englisch: Square-Rigger — wörtlich übersetzt: ‚Quadrat-Takelager‘ — den jeweiligen Mast nur noch ein kleines Stück überlappen; eine Schrat­segel-Fock.

Letztere ist ein dreieckiges Stagsegel ganz vorne, relativ klein und mehr so zum Manövrieren, was mit einem auf solche Weise unterteilten Segelplan ganz vorzüglich geht, auch ohne Ruder.

Damit die Luggersegel so stehen wie sie sollen muss, neben dem Fall an der Rah — simpel in einen Augbeschlag oder eine Lasching eingehakt, oben über eine Rolle in einem Ausschnitt im Mast geführt, unten an einem Bulli in der Sitzducht belegt — immer Zug auf dem Segelhals, also der vorderen unteren Ecke des Segels sein, sonst fällt das achtere Ende der Rah herunter, bis auf die Sitzduchten. Es sei denn man hat einen ordentlichen großen Hals — nicht vom plötzlichen Kopfschlag mit der Rahnock, sondern eine Leine, besser noch Leinentalje mit Curry-Klemme (benannt nach einem deutsch-ame­ri­ka­ni­schen Regattasegler namens Dr. Manfred Curry, engl.: cam cleat oder bulldog jam cleat, nicht zu verwechseln mit der clam cleat oder der ein bisschen tückischen jam cleat) — am vorderen Ende derselben Spiere, dann kann man auch mit dem kleinen Großhals den Bauch des Segels besser kontrollieren, aber das ist schon wieder so Luxus-Kiddie­kram.

Ein Baum am Besansegel verbessert sowohl die Kreuz- als auch die Vorwind­eigen­schaften. Auch nichts groß aufwendiges, kein Lümmel­be­schlag oder so: einfach ein passendes, nicht zu schweres Rund- oder Kantholz, bisschen abgerundet, mit ein paar Aug­mann­schetten und irgendwas am Besanmast, was verhindert, dass der durch das, was bei einem Gaffelrigg die Baumklau wäre, hier aber mangels Klaue nicht so heißen kann, also kurz: das Holz am vorderen Endes des Baumes abgerieben wird. Bei uns war das ein großer, einlackierter Takling aus dünner, quadrat­ge­floch­tener Reih(er)leine; in der ensprechenden Funktion weiter oben, in Höhe der Rahen, an beiden Masten sogar ein hübscher, glatt und rundgescheuter, widerhakenlos angenagelter Kupfer­blech­kragen.

Alles klar? Einfach den Segelriss anschauen, im Link oben links, und überlegen, wie sich das alles unter Winddruck von der Seite, vorn oder achtern verhält, mit statischem Auftrieb nach oben, Schwerkraft nach unten (ähh, wohin denn sonst?-) und in Bewegung, also mit dynamischen Auftriebs­kräften bzw. bewe­gungs­ab­hän­gigen Druck­aus­gleichs­kräften in alle möglichen Richtungen, auch im Verhältnis zu der Größe, Masse und den weiteren Eigenheiten menschlicher Körper — die Haupt­ab­mes­sungen des dort gezeigten Bootes sind 8,5 m Länge; 2,1 m Breite; 6 m Großmast­höhe; 0,5 bis 2,1 m Tiefgang bei 31 m² Segelfläche und einer Masse von 1,5 t so in etwa — und was man so brauchen könnte, um damit in zwei sehr unter­schied­lich dichten Fluiden, an (in) deren Grenzfläche schwimmend und deren irrwitzig komplexe und dennoch in Grenzen, alleine mit aufmerk­samer Beobachtung raum­zeit­licher Muster, ohne eigentliche Modell­rechnung, vorher­sag­bare Strömungen, lateralen und longi­tu­di­nalen Druck­un­ter­schieden auf einer sachte gewölbten Plane­ten­ober­fläche folgend und maschinell ausnutzend, auf angenehme Weise vorwärts zu kommen.

Und nein, über Segelboote schreiben und lesen ohne ein Vollbad in Fachsprache zu nehmen geht nicht. Jedenfalls nicht gut. Mein Rat: Sich nackig machen in der eigenen Sach­kenntnis, den doppelten Schleier aus ja ja, kenn ich — versteht sich doch von selbst“ ablegen, zurück­lehnen — entspannen. Ruhig mal ein bisschen schwimmen — und genießen. Vielleicht ein Wort heraus­ziehen, in seinem Zusam­men­hang betrachten; überlegen, welchen Sinn es an Bord ergeben könnte; was bei dem, was man da Sinnvolles anstellen könnte an Bord dieses Bootes, wirklich — eine-Wirkung-habend — vor sich geht, soweit man das in der Modell­vor­stel­lung der Welt, die man so hat, erklären kann; wie sich Wörter über die Zeit verändern und, dass die Dinge mit denen man umgeht nun einmal Namen brauchen; diese Namen eine Geschichte haben und auch haben müssen um zu funktionieren; dass die Namen und die Geschichten, die man benutzt, wieder etwas ausmachen, auch für das eigene Gefühl im Umgang mit den Dingen und die Gemein­samkeit mit anderen; dass die Tiere, die wir nun einmal sind, so einen Drang zum Spielen haben, auch mit den Begriffen, aus denen sich ihr Bewusstsein aufbaut; nach Verbindung und Abgrenzung suchen, ganz unwill­kürlich; dass es ohne das wahr­scheinlich nicht geht, aber ohne Halt auch nicht, jedenfalls bisher nie ging.

(Wer es über ein gewisses Maß hinaus zu kontrollieren bzw. die Kontrolle darüber loszu­werden versucht, bringt sich um den Verstand — und außerdem die Sympathie seiner Artgenossen, davon bin ich überzeugt — lieber mitmachen:) Dort anpacken wo man kann; sich Dinge abgucken und wieder­holen — kopieren — dabei immer wieder schauen was es tut, das man da gerade bewegt. Dieses irgendwas bewegen können da ist der Zucker drin: der Stoff, der das Tier in Gang hält. Irgendwann Fragen stellen, nicht immer nur an einen. So lernt man Segeln. Und Sprechen.


Kapitelübersicht

Titelblatt mit Klappentext
(rund 2.200 Wörter umfassend)

Einleitung mit tech­ni­schen Hin­wei­sen (4 Zwi­schen­ti­tel; 11,2 Kilo-Wörter)

Sinnzitat

1. Ortsbestimmung
(2 Zwischentitel; 1,3kWtr.)

2. Gegenwart im Doppel­spalt­experiment
(5 Zwt.  2kWtr.)

3. Kopien historischer Sand­dorn­fische
(8; 5k)

4. Traditionelles maritimes mimetisches Theater mit zunehmend besorgten Säugetieren
(26  20,7k)

5. Von der Freiheit eines Kutter‑Russen
(33  49,6k)

6. Neue Wirklichkeit günstig abzugeben, teilw. dekonstr.
(3  3k)

7. Aufheben der Dialektik mit Hilfe der Kultur

1. Was ist Dialektik und was kann man damit anstellen?
(3  6,2k)

2. Update bzgl. Volks- und Oberschichts­glauben
(2  1,4k)

3. Das Kommen der aus dem Schlaf Gerissenen
(6  4,4k)

4. Neues Subjekt, neues Glück
(1  1,7k)

8. Endkampf auf der Probebühne

1. Akt : Dieses Pferd im Vorhof da —
(6  4,7k)

2. Akt: Eine Frage der Freiheit
(6, 7,6k)

3. Akt: Trotz alledem!
(7  7,1k)

4. Akt: Die Würde des Seienden und der Ausnahme­zustand
(12  15,1 k)

5. Akt: Heuristik nachstellen, Nebelfelder beachten
(6  6,7k)

Probebühnen-Schluss­szenen-Weltver­schwörungs­wrackheber­glaubens-Dauer­schleifen-Glücks-Verbrecher­versprechen
(4  3,1k)

9. Angriff der Pausenclowns:
Slawa Raytheon
(17  19,6k)

10. Genderbread-Man vs. TittyBeast

Pt. 1: Kampf im Unterholz
(19  18,1k)

Zwischenkapitel 11: Sexy Halyard Chants und Mischwesen

(1) (8  6,3k)

(2) (11  11,2k)

10. Genderbread-Man vs. TittyBeast

Pt. 2.: Grounding Queer
(11  11,8k)

12. Exkursus: Vom Tanz am Abgrund der Unter­legenheit
(45 Zwt. in 12 U‑kap. 74,2kWtr.)

13. Das Betriebs­system des Enteignungs­glaubens
(13  9,2k)

14. Mit Vollzeug in die pitschnassen Kornblumen
(4  1,5k)

Widmung

Verzeichnisse; Formtitel; Versionsgeschichte; Kontakt PDF 1 MB (7 Abs. 8,7kWtr. 25 S. 230 cm²)

zum anfang des zweiten viertels dieser html-seite, gute 5 m weiter nach unten
in die mitte
etwas über das ende des dritten viertels hinaus
an das ende des kapitels



Nicht zu wenig Freibord — sowas zwischen ½ und 1 Meter — und ein durchgehender, sehr flacher aber fester und an der Sohle noch mit einer mehrere Millimeter starken Stahlschiene beschlagener Kiel, gerne aus Eiche. Wir sind auf See und an der Küste, mit Steinen am Ufer und allem. Das für die Kreuz­eigen­schaften, also vor allem die Fähigkeit, Höhe am Wind zu laufen, neben den Luggersegeln entscheidende Mittel­schwert aus ’ner Stahlplatte in ’nem Schwertkasten aus Stahlblech, genietet, später dann geschweißt und über einen Schlitz im Kiel gebolzt, schwenkbar um einen schönen, großen Messingbolzen, 14 Milli­meter oder so, an der vorderen unteren Schwert­kasten­ecke eingehängt und komplett aufholbar in den RumPf einziehbar damit man einfach ans Ufer kann.

Dazu ein angehängtes Ruder mit kurzer Pinne das, weil es nicht tiefer gehen darf als der Kiel, unter der Wasserlinie in einem Halbrund nach achtern verlängert ist. Fünf Paar Riemen; quer eingebaute Sitzbänke und Duchten dafür. Kleine Stauräume mit senkrechten Holzdeckeln an Bug und Heck für ein bisschen Zeug. Ankergeschirr, ’n paar Leinen und ’nen festen Kreuzpoller im Vorschiff, durchgehend bis auf den Vorsteven und auch achtern nicht so Boots­klampen-Spielzeug, polierte Lippklüsen am Ende noch, sondern einen starken Ringeiner Ringmutter am oberen Ruder­be­schlags­bolzen durch den Achtersteven mit Spiegelheck, der noch so gebaut ist wie man eben richtige Schiffe gebaut hat, mehr brauchste nicht, im Prinzip. Ach so, etwas zum Aussteifen der Rumpfform oberhalb der Duchten und unterhalb des Dollbordes, an Stelle des Decks, sowie Heißaugen im Kiel gehören noch dazu. Letztere, um das Ding mit einem passenden Heiß­geschirr, etwa an einem Rahtakel, ins Wasser zu setzen und wieder an Deck zu hieven.




Alles zusammen wiegt dann so etwa ein bis anderthalb Tonnen. Und ja, natürlich ist es offen und kenterbar. So gut wie jeder Wasserspritzer geht rein und bei Gischt und Regen wird es zur Badewanne, mit der Zeit. Bloß ohne Stöpsel. Jedes Schiff oder Boot ist kenterbar und ein Kutter kentert eben, sobald Wasser über die Kante des Dollbords läuft. Nicht so’n bisschen Wasser, aber dann halt, irgendwann.

Bleibt aber schwimmen — und ich könnte die Krise kriegen, wenn ausgewachsene Segler da ein glück­li­cher­weise hinzufügen — echt nicht, Leute: Archimedes, das FAuftriebGo=ldFGewicht, Fluid und= Vdie verdrängt Bade×wan­ne(m÷V),Fluid 3.×Jhdt. gv.Geoid; OrtChr. und irgendwann braucht man sich auch nicht mehr wundern, wenn der Nebel kommt — wenn nicht zu viel Metall drin und dran ist oder zu wenig was Luft drinnen, dran hält. Was man aber ausprobieren kann, recht einfach, wenn einem das Messen, Abschätzen und Berechnen zu mühsam oder unsicher ist. ’n paar Pützen sind hilfreich, um das Wasser wieder ’raus zu öschen. Pumpe kann man auch machen, dann aber nich’ so’n Kiki-Kram.


Die Stöpsel, aus denen unterhalb der Wasserlinie das Wasser rausläuft, hat später ein dänischer Regattasegler mit Namen Paul Bert Elvstrøm erfunden. Sie werden Selbstlenzer genannt, würden aber bei einem Kutter nicht gut funktionieren.



Mit einem ihrer Vorläufer, etwas kleiner noch, ist Commanding Lieutenant Bligh mit seinen Leuten 3.618 Seemeilen über den Europäern damals nur wenig bekannten Pazifik gekommen, 47 Tage, 1789. 19 Mann und nur einen verloren, getötet von Einhei­mi­schen bei einem Landungs­ver­such zur Provi­an­tie­rung. Wohl aber fünf weitere hinterher, an Krank­heiten und bei der Weiter­reise. Sie hatten sich das nicht ausge­sucht, also jedenfalls nicht so, wie man sich damals ordent­li­cher­weise Alter­na­tiven aussuchte, aber sie waren keine Schiff­brü­chigen. Sie konnten segeln. Wir haben eigentlich nur ein bisschen an der Küste gespielt.

Robert Dodd: The Muti­neers turning Lt Bligh and part of the Officers and Crew adrift from His Majes­ty's Ship the BOUNTY, 29th April 1789. Hand­ko­lo­rier­ter Was­ser­tin­ten­druck, pub­lished by B. B. Evans, 2. Okt. 1790. Hier in groß.

Beachte die wunderschöne Typographie am unteren Bildrand!

Kutter im Sinne dieser Richt­li­nien sind zwei­masti­ge lugger­ge­ta­kelte, mit Spie­gel­heck ge­baute, zum Segeln und Rudern geeig­nete, für die Ju­gend­aus­bil­dung be­stimm­te Fahr­zeuge.“

Aus: Amt­liche Mit­tei­lun­gen 3/63, Jugend­kut­ter des DSV, 1. All­ge­mei­nes. In: Die Yacht Nr. 3, 10. Feb. 1963, Berlin, Bie­le­feld, Hamburg: De­lius, Kla­sing & Co., S. 1, Bei­la­ge.

Darin die erste Er­wäh­nung des Begriffes Jugend­wander­kutter in der Yacht, gleich mit ein­ge­hen­der Defi­ni­tion. „Der Deut­sche Seg­ler-Ver­band teilt mit …“

Warum habe ich nach die­sem mo­dern-nüch­tern ein­lei­ten­den Halb­satz plötz­lich so einen ge­wis­sen Fan­fa­ren­klang im Ohr oder vielmehr: in Erin­ne­rung, mit Schwarz-Weiß-Filmbildern? Es muss sich um eine Art Meme han­deln, auf­fäl­lig, ge­fühls­an­re­gend, an­spie­lungs­reich und häu­fig wie­der­holt.


Die JWK’s sind eine auf die Wünsche Hamburger Segelvereine abgestellte Weiter­ent­wicklung von Ende der 1950er Jahre. Konstrukteur war Fiete Hülsen vom Blankeneser Segel-Club (BSC).
Keine Ahnung wie der wirklich hieß, er wurde nur Fiete‘ genannt und hat noch in den 1990ern BR-Schein-Prüfungen abgenommen, die verdutzten Prüflinge da einfach am Ponton in Blankenese auf einen seiner Kutter gesetzt und anpullen lassen, raus auf die Elbe, durch den Groß­schiffs­verkehr und auf’s MüLo, das Mühlenberger Loch, gleich gegenüber, wo man ein bisschen Unsinn machen konnte. Wie Lugger­ta­ke­lung kam im Führer­schein­kurs nicht vor“? Ist doch nichts schwieriges. Ja, können Sie denn überhaupt segeln? Na, ’ne Wende werden Sie schon hinkriegen. Kommen Sie doch mal nach achtern … (Ich schmücke das ein bisschen aus, aber so etwas hätte der bringen können, vom Charakter her. Vielleicht noch etwas brummiger, mit weniger Worten.)


Die Leitgedanken für den Entwurf waren vermutlich: 1. Besser segeln als die KIIK’s, vor allem an der Kreuz und 2. etwas mehr Komfort sowie 3. ein bisschen Anpassung an die Körper­kraft­ver­hält­nisse von jugend­lichen Frei­zeit­seg­lern beiderlei Geschlechts gegenüber denen von jungen Mari­ne­sol­daten. ’n Tick mehr Länge und Breite, ’bisschen fülligerer Bauch, größeres Schwert (Jau!) größere Tüten (Aah!) vorne ’ne Genua statt der Hand­tuch-Fock. Senkruder, endlich — ganz anderes Steuer­gefühl damit — natürlich auch schwenkbar (wer würde denn sowas in steckbar bauen?Zum Acker­furchen ziehen?) und aus Stahl, weil: Elbe (und weil Holz auf­schwimmt unddann die Ruder­wirkung weg ist,gerade dann wenn man siebraucht, verehrte Bootsbauer) und ein bisschen, ganz bisschen weiter eingedeckt. Also etwas größere Vor- und Achterpiek, jetzt in zwei gefällig abgestuften Ebenen.

Große(s) Persenning darüber, damit’s kuschelig wird, also über alles bis zur Meisterleiste am achteren Rand des Vorpiekdecks, ähnlich einem Dreiecks-Zelt über die hoch­gehängten Spieren mit den darum­herum­ge­wickelten Segeln, die so gleich aus dem Weg sind, und ’nem Riemen als achtere Giebel­ver­län­ge­rung an der Großrah. Aufklapp­barer Schwert­kas­ten­tisch zum dran Sitzen im luftigen, schlicht gehaltenen Salon ohne große Verkleidung. Pött un Pann dazu; Kocher; Backskisten, was man halt so braucht, zum Spielen, Wanderfahrten machen und Segeln Lernen, nach Marine-, Ex-Kai­ser­liche-Marine-Segel­schul- und Marine-HJ-Vorbild.

Jetzt in demokratisch; hanseatisch-bürgerlich bitte und weniger bis kaum noch militärisch ausgerichtet, vor dem Hintergrund der Rezivilisierung (ein Wort das ich im Gedächtnis zu behalten bitte) der (nun west-)­deutschen Gesellschaft und deren rascher wirt­schaft­li­cher Erholung, die es, gefördert von ein bisschen Bürgersinn und ein paar Hand­werks­mei­stern, die an alten Boots­bau­tech­niken hingen, nicht zu vergessen, irgendwann sogar Vereinen aus der Arbeiterklasse erlaubte, sich ein eigenes Boot für ihre Jugend­ab­tei­lung zu leisten, in neu und aus Mahagoni, so um 1970. Die mehr bürgerlichen hatten Teakduchten und schon ein paar Edel­stahl­teile sowie Klädchen die Jugend­version von Segel­kleidern über den Segeln, die groß­bür­ger­lichen und akademischen hörten, so sie es denn je gehabt hatten, mit dem alten Kram schon wieder auf und ließen international kon­kur­renz­fähige Rennyachten bauen, erneuerten ihre „Clubhäuser mit Gastronomie“ oder machten Vereinsbälle an ersten Adressen.

Sage noch einer, Segeln hätte nichts mit Tanzen zu tun: Standard und Latein, üblicherweise und zu erlernen wie ein Stück Allge­mein­bil­dung, sehr technisch vermittelt, zumindest für die Jungs. Fast wie Auto fahren: Passiert dies — Hups! — machst du das. Nachmachen; vorzeigen! ‚Tanzen heißt: vorgegebene Schritte machen, mit einer Partnerin, passend zum Rhythmus eines nicht zu langen, populären Musikstücks, in einer von ungefähr 12 stan­dar­di­sier­ten Bewe­gungs­folgen.

Ja, irgendwo unter der Kleidung ist da auch ein Körper und irgendwie fasst ihr euch auch an, aber nicht zum Anfassen und natürlich ist da der Boden zwischen, unter euch — dafür sind die Schuhe, dass man den nicht so spürt und die Füße sich nicht verhaken — sicher, der Raum hat Wände, was denn sonst — Decke auch, eine innere Gestalt und entsprechende scheinbare Leere, die nicht immer gleich ist und schon etwas ausmacht und ja, da sind auch andere, die sich bewegen — denen muss man ausweichen — aber das lenkt alles nur ab.


Die oben erwähn­ten K-10 Kutter (das Akronym steht für Zehn-Mann-Kutter, glaube ich) sind eine, den JWK’s gegenüber irgendwie kastriert wirkende Weiter­ent­wick­lung der KIIK’s in der DDR, für die mili­tä­ri­sche oder para­mili­tä­rische Ausbildung, in Massen­pro­duktion. (Nochmals weiter­ent­wickelt und ab Mitte der 1970er in Glas­faser­ver­stärk­ter Unbe­ru­hig­ter Plaste (West-Bezeich­nung: GfK)-Bauweise: Segel­kutter ZK-10.) Kleiner, als Gaffel­ketsch getakelt und einfach nicht fürs Fahr­ten­segeln ausgelegt, schon gar nicht abseits der vor­an­ge­mel­deten, geprüf­ten und voraus­be­klatsch­ten Wege zum kollek­tiven Schein­riesen-Para­dies.

Übrigens ein Beispiel, dass die anderen wirt­schaft­lichen Ver­hält­nisse im Sinne ver­füg­barer Mittel; mate­riel­len Reich­tums eben nur einen gewissen Teil der Geschichte der Unter­schiede der dama­li­gen beiden deutschen Staaten und ihrer Gesell­schaf­ten, auch des Lebens­ge­fühls darin aus­machten.

Was glaubt ihr, hätten sie in der DDR gemacht, wenn sie mehr Mittel für gemein­sam genutzte Boote gehabt hätten? Schönere und segel­taug­lichere Kutter, angepasst an die Wünsche vor Ort, ruhig auch ’mal ein bisschen Luxus, was zum Vorzeigen, Gegen­ein­ander­halten, Charakter annehmen oder einfach mehr vom Gleichen?

Woke vs. Deplorables


Das mit dem Müsli‘ muss irgendwann ab den späten 1970ern dazu gekommen sein (nachdem der Rock ’n’ Roll wieder eingefangen war, in Breiten­sport­vereinen mit Wettbewerben und vorgegebenen, sauber abprüfbaren Bewe­gungs­folgen) und hat sicherlich nicht ganz wenige Augenbrauen ansteigen lassen, bei Bürger- wie Arbeiter-Seglern, und Grund für mehr als einen, auch nicht unbedingt vorurteilslosen Schnack gegeben. Hing natürlich noch was dran mittlerweile, an dem alternativen Frühstück: Lange Haare, Bärte, Ketten, Ringe haben wir alles schon gehabt. Aber in die …“ Kein aber‘! Das Klo ist an Land, wird heil gelassen und ein bisschen Einbildung auf lange Haare, Zöpfchen, selbst­ge­floch­tenen Fancy­work-Schmuck (steht sogar in derKleinen Yacht­bücherei, Delius-Klasing:Knoten, Spleißen, Takeln) und bunte Klamotten ist immer immer noch besser als Underscore im Bier­dosen­zer­knüllen, Hafen­meister­ärgern und Herumprollen auf einem Alk-Kutter, was neben der, aus gegebenem Anlass so und nicht anders gesetzten gegen­kul­tu­rellen Reminiszenz der frühen 1970er auf einen Grup­pen­kon­flikt der 1990er innerhalb der Hamburger Kutterszene anspielt: Müsli oder Alki?



Wenn man morgens schon weiss, wer abends böse gewesen sein wird, hat der Tag Struktur.

Nach Volker Pispers, 2010er.


Auch das ein Gegensatz der, von heute aus betrachtet, wie ein Wetter­leuchten wirkt: Hier die Bewussten, Aufgeweckten, Empfindsamen, deren kulturelle Vorbilder nicht lange zuvor selbst einmal als Rebellen; Halbwilde; irrationale Quertreiber verschrien waren — Die Russen kommen!“ — mit diesem unnachahmlich verdrehten und vor Einbildung, Über­heb­lichkeit und klarem Willen zur Ahnungs­lo­sig­keit nur so strotzenden Klang der Propaganda des Kalten Krieges, gemischt mit den hundertmal verlängerten Rest­beständen der zwölf Jahre lang zwangs­verab­reich­ten geistigen Giftbrühe von davor und wahrscheinlich noch älterem, Jahrgänge ’14 bis ’18 (oder ’22?) vermutlich — dort die Bier saufenden, großspurigen Dumpfbacken — wie man sich so die Anderen und deren Leben, die da plötzlich irgendwo in eine heile und sorgsam gehütete Welt von, mit dem besseren Bewusstsein versehener, wenn, dann nur aus gutem Grund rebellierender, voll­zi­vi­li­sierter Gerade­aus-Voran­geher einfallen, nun einmal vorstellt — nach zwei, drei gewohn­heits­mä­ßigen Gläsern gleich zum Frühstück — und eher so von der anderen, klein­bür­ger­li­cher und proletarischer geprägten Elbseite, die es einfach nicht raffen (was eigentlich?) und am Ende auch überhaupt keinen Sinn hatten, für so Hippie-Kram, Astrid-Lindgren-Figuren auf der Außenhaut und später <·Meer­jung­frauen- und -männer< auf dem GRunderWblatt,r gemalt von Geige spielenden Lugger­din­ghi­seg­lerin­nen mit Vorliebe für Irish Folk und Guinness, freund­li­cher­weise. Nachdem man ihnen nämlich einfach zugehört, ihre Bilder angesehen, etwas erzählt und liebenswürdig darum gebeten hat.


Nur wenig mehr können den Ruhe und Ein­sam­keit suchen­den Stadt­men­schen, der das Segeln als Kontrast zu seinem all­täg­li­chen Umfeld betreibt, von einer Horde ‚Kut­ter-Rus­sen‘ trennen, die lärmend und auf stän­diger Suche nach Abwechs­lung jed­weder Art wie eine Heim­su­chung in „sein“ Refu­gium ein­brechen. Dann ist schnell das eigent­lich Ver­bin­dende über­se­hen, kein Auge mehr für das inte­res­sante Fahr­zeug ent­wickelt, mit dem jene da nebenan gerade unter­wegs sind: der Jugend­wander­kutter.“

Ulrich Körner: Jugend­wander­kutter, die Lugger­boote der Elbe. Klassen­por­trait im Yacht­sport­mu­seum des Freun­des­krei­ses Klassi­scher Yachten e. V., zwischen 2001 und 2009, Einleitung.

Ein lesens­wer­ter Text. Aller­dings in den Angaben zu einigen Booten nicht korrekt und zu den Segel­an­wei­sun­gen darin, wie auch den Hin­weisen zum Bord­leben hätte ich ein paar Anmer­kun­gen. Ein „Admiral“ für mehrere Kutter auf Großtour … So, so. Segeln nur unter Fock und Besan als Bei­spiel „kräf­ti­gen Zutuns“ der Besat­zung zum Kentern? Nein. Aber groß­artig, dass es das Yacht­sport­mu­seum gibt — immer wieder des Schmö­kerns und Such­wort­ein­wer­fens wert, gerade das Archiv — einer sich die Arbeit gemacht hat, über­haupt einmal etwas aus­führ­licher über Kutter zu schreiben und sich dabei, über das Tech­ni­sche hinaus, auch an die kultu­relle Seite heran­traut.

Fiete hieß übrigens Fried­rich Hülsen und hat von 1928 bis 2021 gelebt. „Nach dem Krieg war er der erste Kut­ter­füh­rer der Mäd­chen-Mann­schaft im Kutter ‚Kom­mer­zie­n­rat Breck­woldt‘, zu der auch seine spätere Frau Inge gehörte“ schrieb der Ham­bur­ger Segler-Ver­band in seinem Nachruf im Okto­ber 2021.

Seit dem Früh­jahr 2022 nennt sich dieser Dach­ver­band von Segel­sport­ver­ei­nen Ham­bur­ger Segel-Ver­band. Seine ehe­ma­lige Seg­ler­ju­gend nennt sich seit 2020 Segel­ju­gend, in der Eigen­dar­stel­lung seitens ihrer Funk­tio­näre.

Dem Wort­sinne nach ist es jetzt mehr die Jugend des Segelns oder der Segel, als die der Segler. Der Ham­bur­ger Verband des Segelns; der Segel. Und die Seg­le­rin­nen? Die haben damals auch so gese­gelt, nach­dem die Bar­rie­ren, die ihres­glei­chen lange daran gehin­dert hatten, nach und nach abge­räumt waren, in der breiten gesell­schaft­li­chen Mehr­heit, vor unserer Zeit.

Ob die heutigen Funk­tio­näre die Segler und ihre Vereine, deren Inte­res­sen sie zu ver­tre­ten für sich in An­spruch nehmen, wohl danach gefragt haben, also so richtig expli­zit, mit Erklä­rung, auch zu dem, was da in den neuen Sat­zun­gen steht, zum Zweck, bezüg­lich Gleich­stel­lung und glo­ba­len gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ments?

Eine der geis­ti­gen Grund­la­gen für solche Namens­wech­sel und Zweck-Injek­tio­nen heißt Inklu­sion. Die engli­sche Ent­spre­chung inclu­sion wird hier recht gut erklärt, leider nur auf Eng­lisch.

Wichtig zum Ver­ständ­nis sol­ch schein­bar neben­säch­li­cher Vor­gänge sind auch die Ideen, dass Wirk­lich­keit durch Sprache geformt wird und sich Sprache in allen Berei­chen des Lebens an drei Zielen, welche zugleich Stra­te­gien reprä­sen­tie­ren, aus­zu­rich­ten habe: diver­sity, inclu­sion, equity, kurz: d.i.e. Die deut­sche Ent­spre­chung ist Viel­falt, Inklu­sion, Gleich­stel­lung und ergibt leider kein so hin­ter­sin­ni­ges Akro­nym, jeden­falls nicht in ordent­li­chem Deutsch.

Auf eine kleine, viel­leicht etwas rauhe Erkun­dung auf der Spur der phi­lo­so­phi­schen Grund­lage dieses char­man­ten Trios und einiger Begriffe — wie Priggen an einem Watt­fahr­was­ser im Nebel — und Kon­zepte aus seinem Umfeld lade ich Sie unter dem näch­sten Zwi­schen­titel ein.

Mein Ansatz­punkt dort waren und sind die sehr un­glei­chen Ver­hält­nisse von Mond, Sonne und Erde und das, was sie einem im Falle der Unter­elbe grob alle sechs Stunden unge­ach­tet aller sprach­li­chen Ver­for­mun­gen ent­ge­gen­set­zen. Nach der späten Exkur­sion in die bereits nicht gering ver­än­derte Welt der heutigen Funkzis denke ich, dass der Zwischen­ti­tel auch lauten könnte: Vom Segler (Ich, nicht inklu­siv) zum Segel­per­so­nen-Kol­lek­tiv (Wir, mehr inklu­siv); vom segel­kla­ren Jugend­boot (alt und nur für be­stimmte wenige) zum leuch­ten­den Zeichen für Ver­änderung.

Auf die Erklärung der Motte & Bailey fallacy oder Hochburg-Vorhof-Täuschung in Kap. 6, D.E.I. sei ausdrücklich hingewiesen.



Wenn schon proletarisch, dann bitte in exotisch, mit hand­ge­machter Musik oder wenigstens in Sepiatönen oder rauem Schwarz/Weiss, mit Schieber­mütze, authentisch und (ganz wichtig) mit natürlicher Freund­lichkeit gegenüber lang­haarigen Späthippies. Das Bier gerne vom Fass, mit Stil. Zigarillo oder Selbst­gedrehte dazu; kein Schlager; no Karaoke.

Merke: Proleten, die sich wie Prolls benehmen, brauchen das richtige Bewusstsein, um wirklich proletarisch zu sein. Welches ist das richtige Bewusstsein? Das Fort­schritt­liche natürlich. Nie das Rück­wärts­ge­wandte. Rück­wärts­wen­dungen sind gefährlich, vor allem für Proleten. Die können nämlich den Fortschritt gefährden, von allem. Und das wäre nicht gut, auch für die Hoffnung, auf selbigen. Wer hofft? Die Träger des Fortschritts. Und die Zuschauer, für die ‚Fortschritt‘ irgendwie gut klingt. Dieser Klang, der ist wichtig. Dinge von früher müssen erst einmal richtig eingeordnet werden, um in ihrer Wirkung auf die Gegenwart Sinn zu ergeben, die Geschichte voran­zu­bringen, die, der die Hoffnung dient. Die mit dem Fortschritt. In das Werden der Zukunft. (Klingt gut, oder? Wie wäre es mit dem Zusatz: Gemeinsam. Solidarisch. Weltoffen.?)


(Zu „div., me. od. mi. nahel. Quer­ver­bin­dungen“)

Ich bin auf’s Kutter­segeln gekom­men, nach­dem das Thema eigent­lich schon durch war; ich den sehr nahe­lie­genden Weg puber­tär verpeilt verpasst hatte, weil mein Vor­gänger-Zivi kurz vorher noch KuFü war und mich irgend­wann anrief, ob ich nicht Lust hätte, zwei Wochen auf seiner Pirat-Jollen-Som­mer­tour mit­zu­kom­men, zusam­men mit drei ande­ren Ham­burger Jollen, deren Segler alle von den Kuttern gekom­men waren und wir dann im Kleinen Belt eben­diese Kutter, wo die sich auch alle kannten, auf ihrer Som­mer­tour trafen, ein paar Tage zu den gleichen Orten segel­ten und ich noch ein biss­chen Zeit hatte oder mir nehmen konnte und dann irgend­wo am Strand gefragt habe, ob ich nicht noch ein, zwei Tage mit­fahren könnte. Die AKCJA ist es dann geworden. Aber die ELMS(FUER) fand ich schöner, die Mann­schaft war noch einen Tick besser drauf und ich hab deren KuFü meine Num­mer gege­ben, falls sie ’mal jeman­den bräuch­ten, es da viel­leicht einen Platz gäbe. Na ja und da war schon irgend­wie die Erzäh­lung, dass es da eigent­lich noch einen Kutter gab, der dazu gehörte, aber gerade keine Mann­schaft hätte. Der Anruf kam dann so etwa vier Wochen später. In kurz: Die Bergedorf-Connection.

Wie war ich nach Berge­dorf gekom­men, mit täg­lich drei Stunden Dienst-An-Rück­fahrts­weg; Fahr­rad – U⁠-⁠Bahn – S⁠-⁠Bahn – Fahr­rad? Na ja, ich wollte nicht so was gewöhn­li­ches machen und da, wo mich jemand den meine Mutter von irgend­wo her kannte hin ver­wiesen hat, gab es dann doch keinen Platz (und die waren auch echt etwas schräg und ich nur so ein ganz biss­chen mutig) aber wiede­rum den Verweis auf ein anderes Projekt, in den Vier- und Marsch­landen …

Ich glaube, es gibt Theo­rien über so etwas, das Ver­hält­nis zwischen Stadt­größe und Wirkung auf die Art und Häufig­keit von Quer­ver­bin­dungen, damit ein­her­gehend u.a. Krea­ti­vi­tät und Pro­duk­ti­vi­tät.

Mög­licher­weise noch aus der Zeit vor der Ccancel Culture, dem No-Platforming und dem Durch­griff der Identity-Politics. Auf den Begriff, Mainstreaming, der eine Strategie beschreibt, komme weiter unten.

Ich vermute, es macht etwas aus, ob es für so etwas pas­sende, das jewei­lige Wesen tref­fende Begriffe in der eigenen Sprache gibt. Sonst ist es im Zweifels­fall einfach posh gobbledygook, und dann noch aus der Richtung, wo alle die was auf ihren Intel­lekt halten gelernt haben, inner­lich in Hab­acht-Stel­lung zu gehen. Wie gesagt: nur meine Ver­mutung.

Ein Versuch der Über­setzung, ohne weitere Recherche, wäre, will sagen; sagt eigent­lich: ist:

Kannst-doch-nicht-Kultur

Wort-Versagen oder Nicht-Mitredenlassen

Identitäts-Politiken (gibt’s schon, meint eigent­lich: Identitäts­bezogene Status­gruppen­hierarchie­politstrategien)

In-die-Mitte-Setzen; In-den-Mittelpunkt-Stellen-schaffen (oder, wie unten, kutter­slang­gemischt: Haupt­stro­me­ringen)

g.h.e (für: glatt hoch­trabend eingebildet) (oder das gute, alte piekfein mit Betonung ins Ironische)

Blidabuh-Bla-kauf-mir-was-ab-bitte-sonst-du-doof-Blend­sprech.

Wir machen auch Communications Consult. Sie können sich gerne melden.



Wie können Musik von früher; das Beschwören einer ländlich geprägten Welt der Vergan­gen­heit; das Spiel mit alt­modischen Wasser­fahr­zeugen; auch die Sehnsucht nach heiler, unzerstörter Natur und gesundem, natürlichem Essen aus einem kleinen Laden — wie früher, auf dem Lande — fort­schritt­lich sein und nicht etwa, oder etwa doch, rück­wärts­ge­wendet, also gefährlich und gar nicht gut? Das fragt man nicht (schon gar nicht als Prolet) das erkennt man. So, wie die richtige Einordnung alter Geschichten. Aus der Tiefe des Bewusstseins. (Zwei, drei Gläser mit ein bisschen gutem Zureden können hilfreich sein. Ich empfehle Guinness Draught Stout. Estd. 1759.) Für fort­ge­schrit­tene Intellektuelle gibt es eine geeignete, alleine schon ihrer perlenden Schönheit und ihres guten Leumundes wegen unwi­der­steh­liche Denkfigur, so harmonisch und makellos wie die Formulierung das Werden der Zukunft, aber die kommt im übernächsten Kapitel.

(Und täusche ich mich, oder hat solidarisch inzwischen auch schon einen Knacks weg, selbst im Westen? Wir sollten Wort­ver­schleiß­listen führen!)

Aber schnell segeln konnten sie, einige zumindest, wenn sie wollten und die richtige Musik lief — irgendwas krawalliges natürlich, was auf Widerstand stößt — das musste man ihnen lassen. Und Kutter-Russen waren wir alle, also die vielleicht 250 Nasen, die diese kleine aber schon nicht ganz unauffällige Ecke der Segel-, Vereins-, Sport- und Freizeit­kultur bildeten; Teil der Welt um uns herum aber ein bisschen anders, für ein paar Jahre, bis genug war, was anderes lockte oder zur Ordnung rief und jüngere nachkamen, von den Optis, Eltern-Booten und Schüler-Projekt­wo­chen, manchmal auch Sozial­päda­gogen­pro­jekten sowie diversen, mehr oder minder nahe­liegenden Quer­ver­bin­dungen. Man konnte sich noch bewegen in den Rollen, sportlich messen und keiner hat nach flapsigen Halbsätzen und verwertbaren Ausrutschern von vor zehn Jahren gegraben, um den anderen von da wegzu­kriegen, wo der ist, oder seine Rolle aufzuheben.

Wie auch, ohne Internet und Social Media?

(Und wirklich keiner, oder nur nicht so viele, so laut, mit so viel Ermutigung, lockender Beute, Belohnung?)

Am Ende ging es doch meistens nur um graduelle Unterschiede, Stilfragen mehr oder minderund schon auch die Haltung dazu —und auch wir hatten Rum in der Achterpiek, neben großen Mengen an besserer Aldi-Schokolade — auch vom Don Aldi, unser aller Schiffs­pro­viant­be­reit­halter nicht etwa aus dem frühen Bioladen, wenndie damals schon Rum gehabt hätten — wobei daja schon maleiner mit Rohrohrzucker angekommen war, auseinem Laden derMilch&Honig“ hieß,zu haben versprach. Derhat sich aber Sprüche&Lacher eingefangen, vonnicht der knappsten Sorte, Müsli hin oder her— für die, die alt genug waren und wollten.

Erst nach dem Segeln und so, dass du dich noch benehmen kannst und nicht am nächsten Morgen mit 2zwei-null auf der Uhr da/stehst!“ lautete die dazu­gehörige, müsli­sta­tus­wah­rende Regel. Ist eigentlich nie schief gegangen. Vielleicht hatten wir Glück mit denen, die kamen und mitmachen wollten — in denkwürdigen Fällen plötzlich einfach und sehr nüchtern auf dem Steg standen — Ich hab keine Lust mehr auf meine Mannschaft. Kann ich bei euch einsteigen?“ — vielleicht haben wir den richtigen Ton getroffen, bei allen Peinlichkeiten und gelegentlichen Panne-Aktionen.

   — und von Keuschheit, Demut sowie dem ständig gebotenen Auf- und Gegenrechnen aller Pannen und Arschigkeiten, einschließlich der gar nicht selbst verursachten — im Sinne eines endgültigen Ausgleichs aller Unge­rech­tig­keiten und Kränkungen in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft — hätten wir auch niemandem was erzählt. Es wäre uns wohl reichlich absurd vorgekommen — abgedreht irgendwie, über­spannt, wie um sich selbst zu über­zeichnen — direkt von Monty Python’s Flying Circus, was schon in Wiederholung lief und immer für einen Spruch gut war, neben anderen Versatz­stücken aus der Popkultur.

Im Vordergrund stand ganz einfach Spaß, nicht »Spass« und auch nicht Gesell­schafts­ver­änderung und Verantwortung, in der rück­rat­beu­genden Zuspitzung auf ertragreich vorzeigbare und dem zukünftigen Gemeinwohl in Über­ein­stim­mung mit der z. Zt. vorteilhaft zu verbreitenden großen Geschichte dienende. Irgendwelche Parteilinien einhalten, große Kampagnen ausbreiten und Ausschlüsse durchsetzen; ein dermons­tera­ktives den Falschen keine Plattform geben Wo,sind sie auf der Achterpiek? Im Wattenmeer? Und dann? war nicht unser Ding. Eine gute Haltung finden, einnehmen, vorleben, zeigen, beweisen — dass man was verstanden hat, sich benehmen kann und gerade die, die nicht so stark sind, warum auch immer, vor einem keine Angst zu haben brauchen? Nun ja …

Verantwortung hieß für uns vor allem: Boot und Mannschaft wieder heil in den Hafen zu bringen und auf dem Weg dahin nicht allzu viele Trümmer zu hinterlassen. Vor allem keine, die wirklich scheiße (nicht wirklich) oder ätzend sind, irgendwo den Laden groß aufhalten (ich bin mir nicht sicher, ob wir schon ‚krass‘ gesagt haben) richtig fÄertgteern geben, also schwer ertragbaren, über das freche Spiel hinaus folgen­reichen Ärger, in echt — nichts kaputt­zu­machen, das andere zum Leben brauchen; was sich jemand mit Liebe und Mühe aufgebaut hat und das einem nichts tut. Zumindest nicht mit böser Absicht.

Wir hätten das damals nicht so gesagt, vielleicht sogar sofort wider­sprochen, etwas zu bedenken gegeben, bestimmt, aber ich glaube, wir mochten unser Land, eigentlich. Auch wenn Dänemark besser aussah, entspannter, freundlicher, von außen. Zärtlicher?

Ach so, und hinter Usedom war die Welt zu Ende, praktisch, immer noch, wie der, der da mit spät­ju­gend­licher Neugier beim Jugend­treffen im Winter ’93–94, als die Jugend­leitung wissen wollte, was wir uns so für den Sommer vorstellen und wohl auch dabei war, zu gucken, wer da noch am besten in der Lage wäre, Verantwortung und wegen Nach­wuchs­mangels schon gefährdete Tradition übereins zu bringen, eine Erkundung über den östlichen Rand vorgeschlagen hatte, sofort zu spüren bekam. Und zeitlich hinge­kom­men wären wir eh nicht, mit Anfahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal — auf eigenem Kiel und ohne Motor natürlich, nix da Trailern: Tampen raus in Bruni hinter der Schleuse und den Schlepper-Rum bereit — also zufällig vorbei­kom­mende, andere Sportboote eingeplant um Schlepper­hilfe anbetteln, für 97 km, einen ganzen Tag, wegen: Segelverbot — welchen wir, zum Verdruss unseres, zwar jüngeren aber tradi­tio­nell­eren Schwes­ter­schiffes, also dessen geschätzter Besatzung, deren Teil wir bis vor ein paar Wochen gewesen waren, dann spontan in Elbe-Lübeck-Kanal änderten, weil: warum nicht? Wenn der Wind besser steht, die Tide läuft, wie sie läuft und man da noch nicht war? Wie: „… erstes Jahr, so viele Neue an Bord, zusammen bleiben und machen wie verabredet!? Oooch …

Man darf das alles nicht so verbissen sehen.“ war ein schöner Satz, aus dem raueren Mümmel­manns­berg. „Take it for real, but not too serious!“ — Nimm es für wahr, aber nicht zu ernst! — Nimm es als echt, aber nicht zu schwer! ist eine Entsprechung aus einer anderen, ähnlich spiel­freu­digen aber weniger technik­orien­tierten Welt, die mir Jahre später begegnet ist. Heute frage ich mich, was aus diesen Sätzen und der darin angelegten Leichtigkeit wird, wenn sie einmal wirklich unter Druck geraten.


Franken­stein’s Theory gegen zwei­ein­halb Knoten Ebb­strom


Die Sache mit der unzugänglichen Wirklichkeit und der alleine oder doch in erster Linie von sozialer Macht bestimmten Wahrheit, die wenige Jahre zuvor mit links­revo­lu­tio­närem Pathos; tödlich ernsten bis spiele­risch-experi­men­tellen Identi­täts­fragen; avant­gar­dis­tisch-lin­gu­is­tisch-philo­so­phi­schen Gedan­ken­spielen; der Praxis rücksichtsloser Kritik an den Verhältnissen, sowie strategischen Kulturabriss- und Karriere­auf­bau­plänen verknüpft worden war und die sich zur Zeit unserer Jugend­wander­kutter-Freizeit­a­ben­teuer in randständigen Teilen der akademischen Welt ausbreitete, die hätten wir nicht geglaubt. Schon aus eigener, schlick­ver­schmierter Erfahrung in einem Gezeiten­revier, bei dem eine der ersten Fragen bei jeder Planung naturgemäß lautete: „Wie läuft denn die Tide?“ Und die hohe Genauigkeit des amtlich voraus­berechneten Tidenkalenders der häufigen Überprüfung an der, im ungünstigen Fall mit Muskelkraft zu bewältigenden Wirklichkeit sichtlich standhielt, unabhängig von der sozialen Stellung, bezie­hungs­weise Positionalität des Beobachters, im Sinne der Kritischen Theorie Sozialer Gerechtigkeit. Wie zur Hölle, hätte es anders sein können? Schon der Gedanke, die Vorstellung …

Im Englischen: imagination. Entsprechendes Verb, abgewandelt in Bezug auf Erneuerung, im Gerundium: reimagining, like in: reimagining the all too traditional world of sailing’ — ‚die allzu sehr an der Vergangenheit hängende Welt des Segelsports neu-denken‘.

Ich schätze, wenn ich, statt hier in alten Geschichten herum zu wühlen, lieber Förder­anträge zu einem solchen Seminar­titel geschrieben hätte, bräuchte ich mir um Bekannt­heit und zukünftige Position weniger Gedanken machen. Die nötigen Schlüssel­worte würden mir mittler­weile wohl schon recht flüssig und auch irgendwie vorzeigbar anein­an­der­ge­reiht aus den Fingern kommen. Allerdings müssten die Boote teurer sein dafür, mehr nach großer Sache aussehen.


What we take as truth depends on who we recognize as having the authority to determine, what gets called the truth. Once again, I really have to stress: This is the fun­da­men­tally post­modern view. It is like the quint­essen­tial obser­vation of post­mo­dern phi­lo­so­phy, if I had to boil it down to just one thing.”

James Lindsay, New Discour­ses Podcast, Age of Narratives and the Postmodern Democratic Political Regime, April 2020, 10:25 – 10:45.

Was wir als Wahrheit annehmen hängt davon ab, wem wir die Auto­rität zubil­ligen zu bestim­men, was die Wahrheit genannt wird. Ich muss das noch einmal betonen: Dies ist die grund­le­gende post­mo­derne Ansicht. Es ist so etwas wie die wesent­liche Betrachtung Post­mo­der­ner Philo­so­phie, wenn ich es auf lediglich eine Sache zu redu­zie­ren hätte.“



Zwei Stunden Ebbe plus zwei Stunden Flut ist gleich vier Stunden, reicht aber nicht unbedingt bis Glückstadt“ galt für uns selbst­ver­ständ­lich auch in sozialer Aushandlung, respektive Konstruktion, was den logischen Teil betrifft. Über das Aussegeln des Gegenstromes konnte man reden. Innerhalb der durchaus manchmal ein bisschen dehnbaren — besser präzise zu sagenschreiben: der bei genauerer Beobachtung möglicher­weise etwas vorteilhafter liegend aufzu­fin­denden — am Ende aber immer zu respek­tie­renden Grenzen des nautisch Machbaren natürlich, für eine relativ schwere, als Verdränger konstruierte, offene Luggerketsch, wenn auch mit relativ großen Schwertern, das achtere sogar profiliert, richtig gut sogar, hohl gebaut aus Edelstahl, bei unserem Schätzchen.



Sediment­falle, Schlick­depo­nie, in den kleinen Häfen. Also soll’n tut’s nich’, wird’s aber, in der Folge von dem, was’s soll.


Mit wem hätte man auch irgendwas aushandeln wollen? Dem Mond vielleicht? Den universell verknüpften Definitionen mathe­ma­ti­scher Objekte und Operationen? Ihren antiken, eventuell sogar prähis­to­ri­schen Autoren? Den historischen Erbauern des Bootes, warum sie esVerdammt nochmal! —in ihrer sicher kultur­be­dingten Ignoranz unserer spezifischen Wünsche schreib besser Bedürfnisse— waren bestimmt alles Männer — so gebaut haben, dass es gegen den Strom geringere Fahrt macht, als mit?

Strom- und Hafenbau etwa? Wegen Übertiefung des Elbe­fahr­wassers, mit den Folgen absinkenden Tide­nie­drig­wassers und zunehmenden Strom­ge­schwin­dig­keiten: „Heh, könnt ihr vielleicht mal aufhören mit dem Globa­li­sie­rungs-Groß­see­ver­kehrs-Indus­trie-Mas­sen­kon­sum-Scheiß, wir wollen hier spielen! Mann! Hör’ ma’, echt jetz’! ’s soll’n das werden, wenn’s fertich is?“

Und alles was du da noch sagen kannst ist:
Das is’ aber ’n ganz schöner Hammer. Ey, Mann!


Freedom is the freedom to say that two plus two make four. If that is granted, all else follows.”

George Orwell, Nineteen-eighty-four, 1948.

Freiheit ist die Freiheit zu sagen, das zwei plus zwei vier ergibt. Wenn das gewähr­leistet ist folgt alles andere.“



Da kommt das passende Fahrwasser schon näher, ideell und wie von selbst, per Assoziation: Neue soziale Bewegungen, Agitpop. Mehr davon in Kap. 8! Sozial aushandeln heißt in Kreuzberg, in geneigten Zirkeln, 1972: wieder mehr die Gegensätze in den Blick nehmen — nicht mehr einfach so, sich an dem freuen was man hat und irgendwie raufen wir uns schon zusammen, nee — die Probleme, die es immer gibt, unter der Ober­fläche des Zusam­men­rau­fens aufBasis allgemeinen, gleichen — benennen, adressieren Hey! Das heißt ‚mitZustell­adresse versehen‘ ansprechen um … sie aufzulösen? untereinander — „ich bin nicht unter dir | ich bin nicht über dir | ich bin neben dirDanke — miteinander. Der problem­ur­säch­lichen Strukturen bewusst mit­ein­ander. Ich glaube, spätestens bei der Formulierung hätten wirdie Hälfte unserer Mannschaft verloren. Unconsciousbias! (Unbewusstes Vorurteil; Voreingenommenheit; Neigung; Tendenz; Verzerrung)


Gegen­über­lie­gende Bil­der­se­rie: Irgend­wo süd­lich Rü­gen, Rügi­scher Bod­den viel­leicht, im Som­mer 1994. Blick vom ach­te­ren Mit­tel­schiff über die Back­bord-Kante.

Die verti­kal und dia­go­nal durch das Bild lau­fen­den Linien sind, von links nach rechts: Bb-Groß­schot, zwei­par­tig, als Klapp­läu­fer geführt; Bb-Besan­want mit darum­he­rum­ge­leg­tem zwei­parti­gem Fall für die ach­tere Ken­ter­tüte, an einem der Au­gen am Wan­ten­span­ner ver­kno­tet (auf dem Farb­bild ist ganz unten die zweite Um­len­kung der Groß­schot zu erah­nen, ange­schä­kelt am Püt­ting); Besan­vor­stag (zur Ach­ter­kante vom Schwert­kas­ten, dort mit­tels Peli­kan­ha­ken geriggt); Stb-Groß­schot, eben­falls zwei­par­tig, als Luv­schot lose herab­hän­gend.

Ziem­lich leich­ter Wind, irgend­was zwi­schen halb und am. See­gang dem Bild nach ge­schätzt bei 2, nach WMO-Code (‘smooth’). Die Küste im Hin­ter­grund könnte irgend­was im Mönch­gut sein, Zicker Berge viel­leicht.

Sonne von rechts, ziem­lich hoch­ste­hend. Leichte, hohe Schlei­er­be­wöl­kung. Dürfte ent­spann­tes Segeln gewe­sen sein, viel­leicht der Tag von Gager nach Sass­nitz, 30. Juli, der 15. Fahr­ten­tag. Könnte von oben so aus­ge­se­hen haben.

Behelfs­mä­ßig ein­ge­scan­tes Dia­film­po­si­tiv, etwas auf­ge­hellt und kon­trast­ver­stärkt. Zwei Ver­sio­nen in schwarz-weiß, die untere mit herab­ge­setz­tem obe­ren Schwell­wert für die Trans­for­ma­tion von Farb-Hellig­keits­wert zu weiß.


Also jetzt ’mal ernsthaft: einmal ’ran, richtig machen, fein, saeuberlich aushandeln, in sich theoriegemäß eifersüchtig bekriegende, Du kriegst nix, vonmeiner Eifer-Sucht! aber immer von unten gegen oben Der Typ auf der Achterpiek und die ander Besanschot, schaut doch mal hin, was die sind! soli­da­ri­sie­rende Mikro­grüppchen getrennt? Nach Haut­farben­nuance; Geschlecht ob wirdas damals hätten ausei­nander halten können) Geschlechter­rolle (als; Geschlechter­orientierung; ethnischer Herkunft; körperlichem Zustand; O-Ho, Aus­drucks­weise, ganz wichtig; psychischer Labilität Laaa Lebens­alter und was­weiss­ich­noch­allem, was man als Grund heran­ziehen könnte, gemeinsame Interessen auszulöschen (zu lösen, die Probleme oder zu löschen vielmehr, die Grundlage der Probleme?) die eben noch im Mittelpunkt stehenden Gemein­sam­keiten zu überdecken, an den Rand zu drängen; die geschaffenen; gefundenen Verbindungen aufzulösen und neu zubesetzen; entsprechend neuen Vorstellungen, vom Rande her, des Gewesenen, einzuschreiben — to put the margins to the center — die marginalen; am Rand aber ständigen; bislang neben­säch­lichen — wirklich neben­säch­lichen Fragen in den Mittelpunkt stellen, von jetzt an — endlich — nichts im weiteren Sinne dazu­gehöriges das der Hauptsache neue Kraft verleihen könnte mehr vernach­läs­sigen — und dann, nach gewichtetem Proporz — jede Statusgruppe einheitlich, nach Rang und Ausmaß ihrer bisherigen Marginalisierung, mit extra Stimmen­gewicht nur zur GleichStellung— entscheiden, dass heute die Flut ’mal drei Stunden später kommt? Das Boot vielleicht zweieinhalb Knoten schneller fährt, wenn wir nur endlich den DIE am meisten Geknechtete_n ans Ruder ließen, gelassen hätten? (Nach Vorschlag ihrer Status­gruppe dann wohl, die das intern solidarisch, nach gewichtetem Proporzmargins → center,topsy-turvy upside nwod ju-uuh!) Die — „die“ — Tide und die Fahrt auf dem Flusstrom — in die richtige Richtung — am Ende gar nicht das Wesentliche waren? Ein Weiter-So am eigent­lichen Punkt, der hülfe weiter, vorbei ginge? Wer bestimmt eigent­lich welchues die richtige; was Richtung ist? Und warum? »rüm?hart, klaar kimming«!

Imagine …
Imagine all the people … living life in …
Yahoo-Wowouhoo.

Da irgendwo muss sie sein, die Fahrrinne, auf dem Weg aus dem, von der rasch bereits ins Fernere zurück­fal­lenden Vergangenheit her, noch unter­ge­ord­neten Neben­fahr­wasser, durch die Untiefen und kulturellen Sandbänke mit den schönen Gesängen, Gedichten, Anklängen sehn­süchtiger Verbindung und den Wracks ungezählter Plenums­sit­zungen und Aktions­grup­pen­kon­fe­renzen in den Hauptstrom, den geistigen … Gender-Main­strea­ming war einer dieser Begriffe, die ich etwas später an der Uni kennenlernte und so merkwürdig fand. Irgendwie schräg Soziales-Geschlecht-Haupt­stro­mer­ingen‘, erringen vor allem als Strategie zur Weiter­ent­wick­lung der gesamten Institution. Also des Rahmens — dem was die Grenzen markieren und die Anschauung lenken sollte — von dem was ich darin machte, nämlich Geographie studieren.

Feministische Geographie kam wieder ein bisschen später, noch nicht in das Curriculum aber in die Studiengangs-Aktive(engruppe) von der Seite her: ein paar Studentinnen, die da mal auf einem überregionalen Treffen irgend­welcher Gruppen gewesen waren und bei Nachfrage sehr schnell klarmachten, dass das nichts zum Lachen war. Dafür aber zu Fördern, der Zusam­men­hänge wegen, übergeordneten, die nur um den Preis unangenehmen, für die weitere Gremienarbeit eher hinderlichen Streites bestreitbar seien, welche man außerdem in ihrer Wirkung so richtig, eigentlich nur erfassen könne, wenn man sie erlebt hätte, unaus­weich­lich. Nicht so schön ausformuliert wie hier, sondern theore­tisch-prak­tisch komprimiert, verinnerlicht qua Sozialisation. Der zum Ziel der Förderung passenden, natürlich.




Nun denn … aushandeln — nach ausführlicher Grup­pen­dis­kus­sion in einem sicheren Raum Waren die vorher denn irgendwie nicht sicher? Also bei — mit genau überwachten Redezeiten sowie jeder Rede zunächst einmal voranzu-, neben-, nach- und beizugestellenden, unterlegten und übersetzten, über­ge­bratenen zum Zeigen besserer Einsicht nur angemessenen rituellem Bekenntnis verant­wor­tungs­ur­säch­licher schuld­zu­weisender Zusam­men­hänge unter der Aufsicht eines besonders gründlich in Schuld­zu­weisungs­erkennt­nis­ziel­dis­kus­sions­ge­sprä­chen geschulten Awareness-Teams Wo kommt das denn auf einmalher? Übersetzt heißtdasBewusst­heits-Mann­schaft‘ oderBewusst­seins­er­weckungs-Arbeits­ge­mein­schaft‘.Psycho-Gruppe‘. Na toll. zunächst einmal die entschiedene — ach komm, was soll das? — keine halben Sachen mehr, lauwarmes Gelaber, Drumherumgerede: mit Mut heraus­ge­schrien, den wider­stän­digen Impuls — die radikale, umfassende, die: totale Ablehnung; Verneinung erklären, der hinderlichen Verhältnisse, mit einer schonungs­losen Kritik von allem was existiert, hier ! jetzt ! Und überall? !?

Also die bestehende, den Verhältnissen erst ihre Form gebende Gesellschaft mitsamt der, solche Zuordnungen ermög­li­chenden Kultur — 

im Norden, im Süden, im Osten, im Westen
es sind überall dieselben, die uns erpressen
In jeder Stadt und in jedem Land

 — als fundamental problematische und global zerstörerische Ganzheit denken, lokal handeln? Und dann? Heil machen ? in der Vorstellung abbilden; dann die Aktualisieren/Verwirklichen-Taste drücken? (Englisch:to actualise.)




Ein Zeichen setzen! Um etwas zu ändern — Schlummern. 10 Minuten — Gleich da, an Ort und Stelle in Wedel, den Fortgang des Üblichen unter­brechen und mit dem Abbau beginnen, ganz praktisch — symbolisch erklären, dass man es verstanden hat, hinter die so trickreich ver­schach­tel­ten Masken der bürgerlichen Wohl­an­stän­dig­keit zu sehen, am Schlengel N sich eingereiht in die neue Front; Zeichen zu setzen, zu sein für den großen Zug der Mensch­heits­ge­schichte — hinfort! — zu Höherem Vade retro, Satanas! — und dann … erst einmal das alte Boot verbrennen Oh nein! um den Kopf frei zu kriegen, für den Bau eines viel, viel, viel besseren neuen? (Von dem keiner von uns wirklich Ahnung hatte.)


Wir waren ja schon froh wenn wir es schaff­ten das Frei­bord eini­ger­maßen tropf­nasen­see­un­ge­heu­er­frei zu lackie­ren.



Auf,auf dass der Feuerschein — rote Glut gegen schwarzen Himmel, der Nacht — des alten, engen und langsamen, von untauglichen, im Grunde genommen unerträglichen Verhältnissen gezeichneten — sie zu stabilisieren zusam­men­ge­fügten, schon lange, zu lang an unseren Kräften zeh­ren­den, die über­kommenen Vorstellungen und Gewohnheiten in sich tragend, wie die Schriftrolle den dazu­gehörigen Text, deren Siegel aber nun gebrochen, dessen Inhalt studiert, geprüft — gegen das Licht gehalten und für dunkel erkannt — samt und sonders verworfen — verwandelt, in combustio generierten Aufwinden in funken­sprü­henden Wirbeln zu Rauch nubs erhoben, in der erstickenden Finsternis der systemisch verursachten Krisen leuchte, im Verein mit so vielen Kämpfen so vieler schöner Menschen, die an soganz vielen Orten der Welt, auf vielfältige Weise zgleich statt­finden und voraschreiten, über die notwendige Erschütterung hinwehelfe, die Mühle der Entfremdung, das Mahlwerk der Versklavung, Re-oppression und Verbitterung zum Stehen zu bringen und allen, im Ebbstrom verzweifelten Signal sei, ja durch die Provocation das Gewohnte erst einmal untebrechender Reaktionen überhaupt Hinweis praxisey informed by theory und Mut gäbe, aufzustehen rise up! sich umzuschauen to see die missliche miserable Lage status quo zu to erken­nen realizeund — bei der Kraft ·power·einfacher Hände Arbeit ··work·· — dann gleicheszu to setzen actualize für for den großen Aufbruch dawn von dem ausgehend emanating nicht mehr ferner Zfukturnfte eine Grundlegendqua­li­ta­tive Veränderung, Aufstand, Wandel — Loslösung von allen unna­tür­lichen Zwängen — Erhebung der Massen —die GROSSE —Trans­formation aller — ’nen Einbaum hätten wir wohl noch hingekriegt, irgendwie.


↙  Eine andere Version der Hymne hinter ‚Grund‘ da unten liegt hier, hübsch illus­triert und mit eng­li­schen Unter­titeln.
  “Ensna­red in a web of slave shack­les” bedeu­tet „ver­strickt in einem Netz aus Skla­ven­fes­seln“ oder „gefan­gen in einem Ge­we­be aus Skla­ven­ket­ten“. Oder auch „ver­führt in einem Ge­spinst von Ver­bin­dungs­glie­dern für un­freie Ar­beits­kräf­te“.
  Eine wei­tere Über­set­zung von
shackle ist Schäkel: Ein me­cha­ni­sches Ver­bin­dungs­stück (engl.: link) das mit ein­set­zen eines Bol­zens ge­schlos­se­nen wird. Im über­tra­ge­nen Sinne ist es ver­gleich­bar mit dem, was Worte mit Wirk­sam­keit ver­bin­det oder Sym­bole mit dem durch sie Be­zeich­ne­ten an einer Stel­le, die leicht zu öff­nen und eben­so leicht wie­der ver­schließ­bar ist, je nach Bedarf.

nach oben
in die mitte
zum dritten viertelende
an das ende des kapitels







Und wer weiss, vielleicht wäre daraus ja im Hand­um­drehen, mit ein wenig Geduld, nur ein wenig mehr, gutem Willen und Mut, bei Fortfall der erzwun­genen Unter­drückung spontaner Impulse sozial-natür­licher Menschen und ihrer grenzen­losen Phantasie, so etwas wie die CUTTY SARK geworden, nur in schöner, freier? Weisst Du’s? Wie kannst Du es wissen? Man hat es noch nie probiert.

Wart’ mal Trüffel … da lang? Wirklich?

Tra…

Ähh— Mann! Anluven!Besen dicht; Schwert runter!Ja, richtig Ruder legen! Mehr!!Großdicht!Vorsichtig dichtnehmen; Fock auch dicht!Und austrimmen!Wir gehen an den WindSpieren bleiben vorgeschiftetKlar zur Wende …“ So ungefähr hätt’st du’s gerufen, daflussab, im zuneh­menden Strom? Und dann aufkreuzen, imNebel; mit all denen, jetztvon vorne, die weiter­laufen, als wär’ da nichts? Mann, man …






  Falls ihr euch ne­ben­bei so etwas fragt, wie: „Kras­ser Stoff — was raucht man, um so zu schrei­ben?“ „Ob ich wohl auch was ’von krie­gen könn­te?“ Klar
doch, hier. Wenns zu schnell geht: eins davor an­tipp­sen, zu⏮­hüp­fen in der Spiel­list. (Un­glaub­li­ches Stück. Auf Über­la­ge­rung u.Stille ach­ten.) Text da u.da auch, u.li. bzw. dort u.u.U. hier hi­nein ko­pieren.
  Zum Ver­ständ­nis von
Saudade: José Ferraz de Almeida Júnior, 1899.



Aber Wir waren auf der Unterelbe, nicht in Clownworld! Und wir hatten noch was vor, das wichtiger war.


Sirenen­pin­gu­ine segeln nicht


Apropros Haut­farben­nuance (Sechs Hauptabsätze und zweiabgesetzte Zitate weiter oben:) haben wir nicht groß nach gefragt, waren alle ziemlich blaß. Außer dem einen KuFü da, bei der SVAOe, der „der Major“ genannt wurde, in englischer Betonung, mit Fischerhemd, rotem Halstuch und Elbsegler, der gerne Pfeife rauchte und bei entsprechender Frage, der Erzählung nach, halbspöttisch lachend zurückgab, dass er „als Kind mal in den Schoko-Topf gefallen wäre“. Der war cool. Einfach ’nich so verbissen sehen, sich um Boot und Mannschaft kümmern, gute Aktionen bringen, wie die ander’n auch, die was wollten. Hab’ auch nie gehört, dass da mal einer wirklich arschig war, so außer der Reihe der üblichen Frotzeleien und invertierten Flirts.




Oh, da war auch noch die … von der AKCJA muss die gewesen sein, auch ziemlich dunkel und mit Kraushaaren. Mal ein oder zwei Tage bei uns mitgefahren, austauschweise, auf der Rügen-Sommertour … oder später nochmal, an einem Wochenende? Ich habe mich erst an sie erinnert, als ich die alten Bilder durchgesehen habe.

War halt auch nicht mehr die Zeit, schon länger nicht mehr, glaube ich, in meinem Umfeld jedenfalls, wo man mit rassistischen Sprüchen im herkömmlichen Sinne oder Tür-vor-der-Nase-Zuhalten hätte viel gewinnen können, an Sympathie, Status und allem. Nicht’mal als Vereins-Daddy oder Vorstand gar. Mit demonstrativer Umarmung? Und dem Vorsatz Anti-‘? Nun ja, das fing wohl gerade an, häufiger zu werden, auch in den weniger durch­poli­ti­sierten Ecken. Und St. Pauli war definitiv mehr angesagt als HSV, bei unserer Mannschaft, alleine schon wegen des Totenkopfes „Piraten der Liga“ und so.


Was ist ein inver­tier­ter Flirt? Eine Zunei­gungs­be­kun­dung und Einladung zum Spiel, durch vor­geb­lich respekt­loses Anspre­chen und eifriges Herum­scheu­chen, wenn möglich. In Hinblick auf Offen­heit und Angreif­bar­keit, eher schüch­tern als mutig zu nennen, meinem Dafür­hal­ten nach.



Die Sache mit den Neo-Nazis, zur gleichen Zeit, vor allem im Osten? Nicht unsere Welt, nicht in der Kutterszene, in Hamburg. Invertiert wiederum, als AntiFa-Sympathie, gerade wenn die in lustig machte, das schon, zum Mitsingen vor allem. “Eight penguins in perfect parade | had a lot of fun and a lot of hate. | They fought for their lifes and against | Captain Iglo and his friends.” Reimt sich gut. Mit dem leicht dra­ma­ti­sie­ren­den Akkor­deon­spiel dazu und ‚Pinguine‘ nimmt die Ver­bis­sen­heit, das latent fana­ti­siert Mili­tä­ri­sche bzw. Militante raus, trotz „kämpften um ihr Leben“. „Käpt’n Iglo und seine Freunde“ steht dann wohl für … Hat was. Und bleibt gut hängen.

Schreib ich hier nur doku­men­ta­ri­sch und als künst­le­risch-for­melle Wertung hin. Könnte sonst Hassrede sein und grup­pen­be­zo­gene Men­schefeind­lich­keit. Nicht? [Vertreter einer biol. Art …] hatten eine Menge Spaß und eine Menge Hass. Sie kämpften um [für] ihr Leben und gegen [Gruppe von Menschen, die ihre Feinde sind, angedeutet als populäres Klischeebild].“

Ist aber so in richtig hart, also konkret aktions­orien­tiert auch nicht auf­getaucht, nicht wirklich. Wie gesagt, wir waren ‚Müsli‘, nicht ‚Molli‘. Und was will man auf’m Wasser, wenn man eigentlich auf Molli-Szenen und D/s mit Bullen steht? Sich erholen etwa? Schon mal ’n Vorschuss auf die freie Gesellschaft nehmen? Beglückt über ein paar Brack­was­ser­spritzer auf der Tropen­holz­ducht im Sonnenschein lachend, zwischen tra­di­tions-sport-rollen­spiel­se­ligen Späthipsptiers und Vorstadt­helden mit Hang zur ironischen Brechung auch noch des heiligsten Atheist-Heldenkultes (Märtyrer-Bild  Kakao Zug Abfahrt: 2 sec) und — der überwiegend klein­fa­mi­li­ären geschlech­ter­rollen-, wie kon­flikt­be­wäl­ti­gungs­stra­te­gie­be­zogen norma­tiven Prägung von zu Hause aus sei Dank — recht gelassen und groß­auf­ruhr-hormon­sys­tem­dra­ma­kri­sen­frei vor sich hin puber­tierenden Bür­ger­kin­dern ohne wirklich viel­ver­spre­chendes Mobi­li­sie­rungs­po­tential, auf Wochenendreise in ein nieder­säch­si­sches Provinz-Schlick­loch? Naah.






Den hab ich sogar mal live gesehen, in der Fabrik, Altona glaube ich, mit meinem dama­li­gen KuFü, der da so ein gewis­ses Leuchten in den Augen hatte, beim Nach­sin­gen auf der Kante. War lustig. Hinterher gab’s als Über­ra­schungs­zu­gabe sogar noch eine kleine Demo, ich hab nicht mal mitgekriegt wofür oder woge­gen, die sich dann rasch in den Straßen verlaufen hat ohne, dass groß was passiert wäre.
  Bin trotzdem irgend­wie dem drive (Stim­mungs- und Hand­lungs­impuls in der Gruppe) folgend mit­ge­lau­fen. Und hatte seine Cas­sette gekauft, ziem­lich billig, hand­ge­macht, mit wei­te­ren lus­tig-erns­ten, wenn man genau hin­hörte und ein biss­chen darüber nach­dachte, auch bit­teren Liedern, deren Frag­mente gut im Gedächt­nis blieben und dieser befremd­lich wir­ken­den, seriel­len Collage auf dem Cover und drinnen noch­mal, in groß, zum Aus­falten, mit einer in schwarz-weiß stili­sier­ten, drah­tig-ener­gi­schen Gestalt mit Hass­kappe (Gesichts­maske; Bala­klava) und Molli (Brand­flasche mit Ben­zin-Öl­ge­misch) in Wer­fer­pose.
  Hab aber nicht nach­ge­fragt warum, wieso, auf wen, wozu und überhaupt, was dann, wenn man vielleicht sogar getroffen hat, wie man mit der Erin­ne­rung an einen ver­brann­ten Men­schen umgeht, Bilder, Schreie, dem Geruch usw.. Teils aus Scheu ener­gi­schen Leuten gegen­über, teils aus der sicher­lich meiner gymna­sia­len Bildung zuzu­rech­nen­den Vor­stel­lung, dass Pro­pa­ganda immer irgend­wie mit län­ge­ren Erklä­run­gen kommt, Pro­gram­men oder so oder auf Wahl­pla­katen, jeden­falls nicht mit Wort­spie­len, Quetsche (Akkor­deon) und kiffen­den Pinguinen.

Den einen Poli­zis­ten, der da mal, Ende der Acht­ziger, in der Schul-Aula gespro­chen hatte und im modern-nüch­ter­nen bundes­deut­schen Amts­per­so­nenton irgend­was über gefähr­li­chen Extre­mis­mus erzählt, hatte ich da schon wieder weit­ge­hend vergessen. Der kurze Teil­satz im Neben­ge­spräch (auch ein eigent­lich ener­gi­scher Mensch) sowas wie: „… wie das ist, wenn da vor einem plötz­lich so eine Flam­men­wand aufgeht …“ der ist noch am längsten geblieben. Ein beiläufig (mit-) prägendes Erlebnis, jedes für sich.

Und, hier viel­leicht nicht unin­te­res­sant zu erwähnen, poli­ti­sche Theorie, im Sinne von: „Habt ihr mal darüber nach­ge­dacht, welche in der Gesell­schaft wirk­sa­men, Macht und Orien­tie­rung erzeu­gen­den, manchmal iden­ti­täts­stif­tenden Ideen oder großen Rahmen­er­zäh­lungen da so unter­wegs sind, in freier Wild­bahn auf der Suche nach Ver­brei­tung, welche Ge­schich­te die jeweils haben und woran man sie erkennt?“ Gar noch: „Wie das geht, so ganz prak­tisch, mit der Ideen­ver­brei­tung, -ver­meh­rung oder -ein­en­gung und Ge­schich­ten­fort­schrei­bung, dem ganzen, betrach­tet man es unter dem wer­dens­be­zo­ge­nen und intimen (ver­traut­heits-; per­sön­lich berüh­ren­den) Aspekt, nicht wenig an­züg­li­chen (was kommt rein in mich; was geht aus mir hervor; was passiert in mir — und dann auch noch zum gewissen Teil un­will­kür­lich — auch schön un­heim­lich: was trage ich in mir) gesell­schafts­be­züg­li­chen Geis­tes-Schwein­kram?“ Kam in Gemein­schafts­kunde oder später Politik oder Phi­lo­so­phie nicht vor.
  (Phi­lo­so­phie kam mir ohnehin immer irgend­wie sehr sauber ge­wa­schen und nüchtern ge­wan­det, um nicht zu sagen: reich­lich ent­kör­per­licht — ent­kon­tex­tua­li­siert — vor, die alles­durch­drin­gend gedachte Liebe zur Weisheit (der armen) selbst als es mal um das Konzept der Tod­sün­den ging.)

In Psy­cho­lo­gie? Deutsch? Na, lin­gu­is­tisch ver­mit­telt, kul­tu­rell bedingt, Hin­ter­grund von so vielen Ge­schich­ten, Erzäh­lun­gen, Dich­tun­gen … BRECHT! Die Manns; Frisch; Andersch, meine Güte. An Stelle da ewig an ein­zel­nen Werken herum­zu­kauen. Da wär so viel Raum gewesen, in der Ober­stufe. Shake­speare, in Eng­lisch — nein, zu hoch. Bisschen was von den großen Liberalen, 18., 19. Jhdt., Eng­land, Schott­land, Ame­rika. Ame­ri­ka … gerade mit der Stadt­ge­schichte, HAPAG, den Aus­wan­derern, Quer­be­zug Natio­nal­ge­schichte, 1848, 1789ff. 1517, 1648, das ganze 17. Jahr­hun­dert, ver­dammt (-es). 1918, 1933 …
  Religion? Ach Gott … Ein feste Burg ist unser Schlaf — Schaf, das Lamm und die Hirten, Hüh — Boah, nicht mal die eigene Schaf— Sprach­ge­schich­te kam in Deutsch. Deutsch ist Hoch­deutsch, was denn sonst. Und wie es zu moder­nem Hoch­deutsch wurde, warum über­haupt — Bratzen, aber echt.
  Erdkunde?? Ähh … Ideen, die durch Raum und Zeit wan­dern, Spuren hin­ter­lassen, ganz phy­sisch, durch­aus und nicht an belie­bi­gen Orten, evo­lu­tio­närmein liebes Pony,jetzt wirds aberund auch an Sprach­ver­brei­tungs­mus­tern hängt’s, die wieder an Kultur, Kultur­tech­niken — Popu­la­tio­nen — Oh Gott, was für ein Durch­ein­ander — aber nicht chao­tisch, was da pas­siert (oder?) — Sied­lungs­ge­biete, was die mit Leit­ideen, Gr. — Waff! Haff!! Grrr — Erzäh­lun­gen [Ab­strak­tes – Nega­ti­ves – Kon­kre­tes. Nicht ver­zwei­feln, ist nur Hegel, Dia­lek­tik (UND OHNE DIE KÖNNT IHR DIE— diesen ganzen linken Wie­der­gän­ger-Polit-Kram — sorry) s. Kap. 7.1 u. 8.5, am Rand] machen — wo das wohl mal her­kommt, noch vor uns, i.e.S. — auch ein biss­chen in Inter­ak­tion mit der Umwelt (nicht geo­de­ter­mi­nis­tisch, keine Sorge) aber — Innen­welt nicht ver­ges­sen, Sym­bion­ten usw. psy­cho­ak­tive Stoff­wech­sel­pro­dukte, Ein­fluss auf Hor­mon­ausBrrrnsfor­ma­tion nega­ti­ver Gef— Brrrr! mass for­m— ! (Ahh—We­nigs­tens Arendtt—)Gutes Pferd.Der Platz am Randgeht uns aus, wenn duweiterläufst!

Fragmente davon schon, aber eigent­lich immer an Personen und Ereig­nis­sen auf­ge­hängt. Kein Über­blick, keine Sys­te­ma­tik, wenig Far­big­keit. Auch keine offenen Fragen und Aus­blicke rund­he­rum. Oder ich hab da immer nicht auf­ge­passt, lieber nach draußen, den Eich­hörn­chen nach­geguckt.

Die ha­ben ja nicht­mal Bier getrun­ken. Keine Graf­fi­tis, keine Prü­ge­leien, nichts. Freund­lich, selbst zu Hafen­mei­stern. „Die Ärzte“ gehört und sich mal ’ne bunte Strähne gefärbt, als Gipfel des allge­mein­kul­tu­rellen Aufruhrs.

Waren auch typi­scher­weise älter; zwischen zwanzig und dreißig, glaube ich, die das hätten sein können. Und dass bei uns ein paar End-Teenie- bis Anfang-Zwan­zig­jährige überhaupt Platz (und Lust) hatten war, auf die Kutterszene bezogen, schon ziemlich die Ausnahme, auch wenn’s langsam mehr wurde, weil irgendwie überall weniger Jüngere nach­kamen. Vielleicht lief das ja eher andersrum: Puber­tie­rende Bür­ger­kinder, die nach einer ent­täu­schen­den Videospiel- oder Auf­hübsch­phase, bei nicht mehr ganz so prickelnd wirkenden Karrie­re­aus­sichten, auf der Suche nach Orien­tie­rung, anstatt mal den Weg zum Hamburger Yacht­hafen zu finden, dem Sire­nen­ge­sang Altonaer Aufruhr-Helden­kampf­ge­schichten der Hafen­straßen­szene …


diesen abschnitt überspringen


Äh, wart’ mal — den Weg zum Yacht­hafen finden, mit dem Auto wohl — als Jugend­li­che. Aus Altona. Soso, Bürger­häschen, aus der Garten-Dorf-Vorstadt für das besser­gestellte Volk im Nordosten … Ist Segeln nicht nur für Reiche? Sind Yachten nicht Status­symbole und Luxus­spielzeuge für Bonzen, niemals erreichbar für einfaches Volk, dem ja gar nichts anderes übrigbleibt, als herunter­ge­kom­mene Spekulations­objekte instand­zu­be­setzen und zu offenen Stadt­teil­kul­tur­zentren, sozial befreiten Zonen und Symbolen des Widerstandes gegen die alles verschlingende Verwer­tungs­logik der kapi­ta­lis­ti­schen Gesellschaft zu machen?


Frei­räume


In eurer Comic-Sozial­kitsch­welt vielleicht, aber nicht in der Realität einer liberal-konservativen Bür­ger­ge­sell­schaft mit gemein­nüt­zigen Segelvereinen, die genug Substanz haben um eigene Boote zu unter­halten. Alleine schon, damit die eigenen Kinder, wenn sie älter werden, nicht nur deswegen land­wärts gehen um von den Eltern weg­zu­kom­men. Wir erwähnt gab es solche Vereine auch aus der Arbei­ter­klasse, sogar noch von vor dem Kriege und offen für alle möglichen kleinen Leute, sogar aus dem Umland, die mit irgend­welchen, mehrfach umge­bau­ten, gebrau­chten Beibooten angefangen und sich geholfen hatten, zusammen Spaß gehabt und gelernt, voneinander; das geschaffen, was alleine nicht gegangen wäre. Sich und später ihren Partnerinnen und Kindern gute Gesell­schaft gesucht; gegeben, nach eigener Wahl und Gelegenheit.

Dieses ‚nach eigener Wahl‘ aber nicht eurer; unkontrolliert, revidierbar; der Nase nach aber nicht beliebig, nicht ungebunden, nicht grenzenlos, sondern nach Gelegenheit; nicht im Einklang mit allem und dann auch noch ohne schlechtes Gewissen und Ergeben­heits­adresse, das piekst euch, wenn ihr mir erlauben wollt, euch so zu imaginieren, nicht wahr? Und eine Gesellschaft, die nicht perfekt war, mit Brüchen, Fehlern, Enttäuschungen und Widersprüchen, als ‚gut‘ zu bezeichnen.

Ein bisschen Sport­för­de­rung des Stadt­staates dazu, dem auch daran lag, dass die Leute ihre Orte und Wich­tig­keiten finden und weiter­tragen; den Trümmer­haufen der letzten großen Vereinigungs- und Welt­be­frei­ungs­phan­tasie stabilisieren und abtragen, neben der Arbeit, oben wie unten. Nur halt Richtung Aufbau und persön­li­chem Wohl­ge­fühl in greif­barer Nähe, realistischen Hoffnungen folgend, nicht Richtung Unter­brechen, Abbre­chen, Abräumen — die Stadt war schon kaputt, in weiten Teilen seit 1943, geistig seit ’33; ’45 gerade noch so der weiteren Endpa­ra­dies­kampf­zer­stö­rung entkommen — genau nicht: von Grund auf Neubauen, in genau gleich, für alle, nach Maßgabe eines erleuchtet-erlauchten, hoch­wohl­ge­setzten, unfehlbaren Über­gangs-Gleich­heits-Herstel­lungs­komi­tees, wie 70 km weiter im Osten, da wo die Flüchtlinge herkamen. (Ja, wohin laufen sie denn, ihr Paradies­vögel, wenn man sie nicht mit Ausbür­gerung, Stachel­draht, Mauern und Repu­blik­flucht-Para­graph daran hindert?)

Oder — ich muss das hier noch anhängen — neue Vision, schon seit über 40 Jahren im Diskurs — besser gar nichts neubauen? Immer nur wieder abbrechen, ausreißen was hochkommt, sich einzurichten sucht in der Welt, wenn es nicht perfekt in die Gemein­schafts­lebens-Para­dies­vor­stel­lung der Erleuchteten passt? Immer wieder aussortieren, die Diversanten und mit weniger als Alles zufriedenen Sozial-Schwäch­linge, die sich nach Ruhe und warmen Puschen oder Gummi­stiefeln und eigener Jolle sehnen, an Stelle rollen­vor­ga­be­bild­gemäß freudig der nächsten Umerziehung, Segel­boot-Sozia­li­sie­rung — Das Volk braucht keine Segelboote! — und Geis­tes­de­mon­tage entge­gen­zu­sehen? Bis dann, eines fernen aber möglichen Tages, so, wie von den Pro­pheten und Volks­zu­kunfts­experten vorausgesagt, es, Alles! Da: die ganze Welt: Für alle gleich und allen Wunsch­träumen gleichermaßen ideal geeignet Auch denen mit Segelbooten? nach unbeugsamem, schier endlosen aber nie gebrochenen, immer wieder neu entfachtem Kampf, wie von alleine … «Taaa-Ta-Ta-Ta-Taaa» „Das Oberkommando der …“ — Wieso fällt mir das jetzt wieder ein?

Dir hätte auch das Bild vom Esel und der Karotte einfallen können.


Wohl­stand für gar nicht so wenige


Das Ganze spielte sich vor dem Hintergrund einer breiten Wieder­auf­bau- und Wohl­stands­ver­meh­rungs­ge­schichte ab, die irgendwann gegen Ende der 1980er, Anfang der 1990er auf ihrem Höhepunkt war, insbesondere was die Bildung einer breiten Mittel­schicht anging. Die Lebens­ver­hält­nisse der Arbeiterklasse (wenn man sie denn unter den Bedingungen überhaupt noch so nennen will) waren damals sehr weit entfernt von denen der 1920er oder gar denen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Häuschen mit Garten, Auto, Boot oder sonstwas, Urlaubs­reisen, Puschen, selbstverständlich, auch mehrere pro Jahr, ging, für viele. Natürlich nicht in beliebiger Größe, Lage und Ausstattung oder ohne große Unter­schiede, aber ging, nicht selten.

Und Jugendliche wurden pauschal gefördert, mit Ermäßigungen, auch mit Beihilfen für Ferienreisen, wenn es welche brauchten. Von privater Seite her, auch nicht selten eingeladen, Freunde, Freun­des­kinder­freunde … Mag sich piefelig anhören, gegen­über der Vorstellung eines revo­lu­tions­gruppen-befrei­ungs­ge­sell­schafts­staat­lich verliehenen Privilegs aufgrund des Vorzugsstatus’ als Mitglied einer benach­tei­lig­ten Gruppe und von Aware­ness-Teams organisierten Gruppen-Gleich­stel­lungs­ak­ti­vitäten (Soll ich’s euch ausmalen, in Bezug auf Segelboote? Das Pony hätte so einen Spaß damit.) Unrecht am Besanwant:Das Awareness-Team unddie Gefah­ren­halse aber nicht wenige dürften ihre ersten Erfahrungen im Umgang mit Segel­yachten oder sonstigen Luxus­spiel­zeugen (manchmal auch mit alternativ-kulturellen MüsliMüsli-Wochen­end-Gar­ten­häu­schen auf dem Lande) einer Kinder­gar­ten­freund­schaft oder einem netten Plausch am Rande von irgend­etwas verdanken. Oder auch dem vorsich­tigen Beschnuppern zweier Kinder aus doch nicht wenig unter­schied­li­chen Welten in einem WG-Flur, am Rande eines nicht ganz kurzwierigen, am Ende aber erfolg­reichen Aushandelns einer Zimmervergabe.

Gott, dieses Bild vom eingebildeten Bourgeois, der alles immer auf Profit und Preis hin betrachtet und nichts lieber tut als andere auszu­schließen, abzuwerten und sich damit sozial­status­mäßig abzu­heben; kulturell immer nach oben schielt; giert, aber nichts versteht als hohle Formen, um des gesell­schaft­li­chen Ansehens willen, zu kopieren; ständig, um alles besorgt, dabei seinen Besitz abzu­schirmen, die Frau klein zu halten und die Kinder zu isolieren, auf Egoismus, Verweich-(weib)-lichung? und Vor­zeig­bar­keit zu trimmen …

Und dreht mal dieses Zerrbild auf sozialistisch! Fällt euch irgendwas auf? Nein? Nicht mal so ein bisschen? „… nichts versteht als hohle Formen, um des gesell­schaft­li­chen Ansehens willen, zu kopieren …“ „… alles immer auf Profit und Preis hin betrachtet …“? Ersetzt mal ‚Profit‘ mit ‚Nutzen‘ und ‚Preis‘ mit ‚Einsatz gesell­schaft­licher Mittel‘! Immer noch nichts? Ich seh’ da was. Und die Spuren davon fallen mir immer wieder auf, im Osten und in den Erzählungen der­je­nigen, die den »wissen­schaft­lich bewiesenen« Weg zum Paradies mit Aufrechnung von Status­grup­pen­pri­vi­legien und zentraler Planung aller wirtschaftlich bedeutsamen Aktivitäten erlebt haben.

Im übrigen gab es auch allge­mein­bil­dende Schulen, welche in Zusam­men­arbeit mit Segel­ver­einen, in Abhän­gig­keit vom Enga­ge­ment der Lehrer und dem Beneh­men der Schüler, sehr niedrig­schwel­lige Einstiegs­mög­lich­keiten schafften, in die Segel­welt. Wer sich auf der ausge­dehnten Quasi-Probe­fahrt mit, sagen wir: einem Jugend­kutter nicht ganz doof anstellte, Interesse hatte und den Eindruck machte in die Mann­schaft passen zu können, wurde danach meist sofort einge­laden, für eines der nächsten Wochen­enden, egal wo der herkam, in den 1990ern. Auf eine Erin­ne­rungs­mi­niatur aus einer solchen Schüler-Projekt­woche — eigent­lich mehr KuFü- und Lehrer­pro­jekt­woche für Schü­ler­spaß- und Grup­pen­er­fah­rung, plus ein bisschen unkon­ven­tio­nellem Sport- und Geo­gra­phie-Unter­richt — komme ich noch­mal in Kap. 11.2, Führungs­erfahrung.


Ist ja alles ganz nett, aber kann ich mir Segeln über­haupt leisten?

Ja.“

Aus einem Mes­se-Hand­zet­tel­heft („Kut­ter­se­geln – Was ist das?“) der Ham­bur­ger Seg­ler­ju­gend im Ham­bur­ger Seglerver­band e.V., um 1995.


Was wir bezahlt haben, für unsere Kutter-Klein­segel­luxus­yachten-Boots­aben­teuer in Geld war wenig, gerade vergli­chen mit mehr mode- und massen­kon­sum­orien­tierten Frei­zeit­be­schäf­ti­gungen. Was wir dafür in Zeit und Arbeit hinein­geben mussten, vor allem um das Boot in Stand zu halten, war nur fair. Und lehr­reich dazu. Material wurde gestellt (oder mal eben kurz von zu Hause ausgeliehenich sag euch: die Bedeutung gut sortierter väterlicher Keller­werk­stättenfür den gesell­schaft­li­chen Zusammenhalt wird immer wieder massiv unterschätzt) Enga­ge­ment wurde gesucht. Und natürlich keine Vollbratzen, Von-Allem-Gelangweilte oder Zerstö­rungs­wahn­sin­nige.

Preislage für ein Wochenende Segeln war 5 bis 10 DM, für Futter. Kann fast nicht sein, auf Sommertour warder Richtwert bei 100 DM pro Woche, wobeida Hafengelder und das Abschieds­essen­gehen mit drin waren. Gegen Ende zu, 1997, haben wir ein bisschen großzügiger eingekauft, wenn keiner was dagegen hatte. Vereins­jahres­beitrag war 80 DM oder so, für Jugendliche. Irgend ’ne Aufnahmegebühr noch, aber auch nicht so hoch. Nochmal nachgesehen: irgendwas bei100, außer wenn Vereinskind, dann frei. Keine gesonderten Nutzungs­ge­bühren, keine Zeit­ab­rech­nung. Wirklich: „Hier unser; euer Boot, macht mal!“

Allerdings auch keine Abrechnung von Arbeits- und Orga­ni­sa­tions­stunden. Ich glaube, für KuFü’s war die unge­schrie­bene Regel: Je mehr, je besser. Und die haben dann zugesehen, dass sie dem 1,5-t-Haufen an einmal mehr, schon wieder, verdammt, und besser auch noch zu Erledi­gendem nicht alleine gegenüber standen oder alleine darunter herum­robbten, mit Arbeits-Overall und Staub­maske. Führen heißt: Machen, wenn’s sonst keiner macht und: besser Vormachen, wenn einem das Ergebnis nicht passt. Wenn einer von oben draufguckt oder jemand mit mehr Ahnung kommt: Männchen machen. Probleme — und wer kein gelernter Boots­bauer ist, braucht nicht lange auf die warten, in seiner hartnäckig wieder­kehrenden Illusion von nur ein bisschen — so lösen, dass andere folgen können und es weiter geht. Den Ersatz verschlissener Ausrüstung sowie Repara­turen die wir nicht selber machen konnten hat der Verein übernommen, ebenso wie die Dauer­liege­platz­kosten, die Versicherung und das Hallen­winter­lager, in der gemeinsam von vielen Vereinen getragenen Einrichtung des Hamburger Yachthafens.




Der war einmal mit nicht zu knapper staatlicher Unterstützung, Anfang der 1960er, als Ausgleich für eine Hafen­er­wei­te­rung, die einen älteren, stadtnäheren großen Sport­boots­hafen gefressen verdrängt hatte, da hingestellt worden, an den Rand der Nachbar­stadt in Schleswig-Holstein, gerade so weit draußen, wie die S⁠-⁠Bahn fuhr und für Mitglieder der Mitglieds­vereine des Yachthafenvereins deutlich günstiger als eine kommerzielle Marina. Und lockerer, mit weniger Blümchen und mehr Selber­machen, wie ein großer Spielplatz für Erwachsene. Schon mit ein bisschen Ordnungs­fimmel und natürlich auch was vorzeigen wollen. Und dieser gewissen Hamburger Mischung aus Schön­machen und Rumhökern, -pusseln, hier noch ’ne Ecke, da noch Zeug, da einer, der schon wieder was bastelt oder noch vorhatte — „Was macht ihr denn nachts noch hier?“ — verlorene Traum­stücke und, einfach so hingestellte Sport­schüsseln, Hochglanz und Krümelkram, alles zusammen — „Heute staubfrei! (Ihr Torfköppe!)“ — durchaus richtig zum Segeln, nicht nur Boote tätscheln, schnacken und Kaffee trinken.

Alles bei 2½ Meter Tidenhub und im Vordeichland. „Flutgestell? Was ist das denn?“ Na, damit das Boot, nachdem es bei Sturmflut in der Halle aufge­schwom­men ist und sich mit den anderen Booten vergnügt hat, hinterher wieder aufrecht zu stehen kommt. „Braucht ihr. Das alte ist irgendwie nicht mehr ganz da. Hier, die Liste mit den Teilen und die Adresse von der Gerüst­bau­be­darfs­firma, Rechnung geben lassen, macht mal!“

Am Ende des Geschäftsjahres so günstig, dass einem Verein mit vielleicht 300 Mitgliedern von überwiegend irgendwo aus der Mittelschicht und ohne großes Reprä­sen­ta­tions­be­dürfnis zwei Jugendkutter und ’ne alte Elb-H-Jolle (Holz, mit Steilgaffel, 50erjahre, deutsch: Müsli) oder später ’ne X-79 (GfK und Alu, 1980er, schneller und aus Dänemark: cool) für Ex-Kuhttersegler ohne eigenes Boot auch nicht die Haare vom Kopf oder die Koteletts vom Fest­aus­schuss-Grill-Budget fressen. Manns­chafts­intern noch’n bisschen was für die KuKa, die Kutterkasse, für Hafengelder — die aber an der Elbe wiederum meistens frei waren, in den Vereins­häfen, für alle Jugend­boote — und ein paar Komfortsachen.

Ich weiss von einem, der da dennoch immer wieder Mühe hatte, alles zusammen zu kriegen und trotzdem dabei war. Manchmal eben auf (Spontan-)Kredit (bei einem anderen) und Absprache (mit dem Kassenwart) dass es später auch noch passt. Meine Güte, wir wollten ja Segeln, zusammen und der Verein wollte, dass wir segeln. (Und irgendwann mit eigenem Boot, und sei es ’ne alte, wieder­her­ge­rich­tete Jolle, alles weitertrügen.) Die Boote waren dafür da und niemand wollte was anderes, als ideellen Gewinn heraus­be­kommen (und den günstigen Liegeplatz für’s eigene Schätzchen). Geld verdienen war an Land, auf Arbeit, nicht beim Sport, in der Freizeit.


Jugendwanderkutter in Sassnitz, Sommer 1994.

Luxus-Ex­klu­sion


Auch die, von denen wir in erster Linie wirtschaftlich abhingen wollten, dass wir segeln und fanden es wahr­scheinlich durchweg gut uns damit 1. bei etwas sinnvollem, in Bezug auf viele alltags­re­le­vante Dinge lehrreichem zu wissen und 2. nicht mehr am Wochenende ständig am Hals zu haben, ohne 3. dafür irgendwas groß organisieren zu müssen und, nicht zu vergessen, 4. es in tieferem Sinne erfüllend, ihre Kinder mit einem Lachen und diesem inneren Antrieb zu sehen, der einen an das eigene jung- und lebens­hungrig sein erinnert. Ich mag nicht ausschließen, dass es für den einen oder die andere des Weiteren auch nicht unan­genehm war, sagen zu können: „Unser Kind segelt. In einer Jugendgruppe, auf der Elbe.“ Und? Irgendwas schlimmes daran? Oder nur etwas irgendwie fehlendes, mit Bewusstsein, Kritik, Verhältnis (pl.) und Guthaben?





Ebenso wollte, wovon ich ausgehe, der Stadtstaat, im Sinne von dessen Regierung und den in irgendeiner Weise damit befassten Verwaltern (Senatsbehörde für Jugend­spaß­an­gele­gen­heiten,nautisches Rollen­spiel­wesen undgute Lang­frist-Stim­mung?:) dass wir segeln, insbesondere wenn zwei der nicht allzu fern liegenden Alternativen „mit Kumpels abhängen, Scheiße bauen“ und „auf Glücks-Weg­ab­kür­zungs­suche vollabgestürzt“ hätten sein können. Oder ein ständiges, massenmedial und von pressure groups verstärktes: „Los, mach! Gib, gib! Mehr, mach schon, sornst e.l.s.e.Im Rückblick fühlt es sich so an als hätten alle, auf die es ankam gewollt, dass wir segeln oder es noch immerhin freundlich zustimmend mitangesehen.


Merke: Segler sind wie Klein­gärt­ner. Gib ihnen ein bisschen Raum, auf dem sonst nicht viel los ist, hier und da noch ein paar Ver­güns­ti­gun­gen und sie sind 1. glücklich und küm­mern sich 2. um ihren Scheiß alleine, sowie halten 3. eine in vie­ler­lei Hinsicht nicht unin­te­res­sante Wirt­schafts­struk­tur mit am Laufen und sind 4. anders als Klein­gärt­ner, auch noch super vor­zeig­bar: Tou­ris­mus-Image, Ausweis von Dynamik und Lebens­qua­li­tät, Volks­feste, Tra­di­tions-Hei­nis ruhig­stel­len, passt zu allem. Ins­be­son­dere, wenn man sich gerne als Tor zu(de)r Welt im Welt­stadt­rang sieht und den Status als reichs­un­mit­tel­bar — Ver­zei­hung: Bun­des­land zu ver­tei­di­gen hat, seit ungefähr 500 Jahren.


The world will little note, nor long re­mem­ber what we say here, … It is for us the living, rather, to be de­di­ca­ted here to the un­fi­nished work … It is rather for us to be here de­di­ca­ted to the great task re­mai­ning … that go­vern­ment of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.”

Gettys­burg, 1863.

O Captain …


Ob es auch der verfas­sungs­ge­mäße Souverän gewollt hätte, wenn man ihn explizit danach gefragt hätte? „Sind Sie dafür, dass, anstelle sozial Benachteiligten zu helfen, diese Bürgerkinder ihr herausgehobenes Frei­zeit­ver­gnügen weitertreiben können sollen, mit Mitteln für die sie nicht selber gearbeitet haben?“

Lachen Sie nicht! Denken Sie lieber an direkte Demokratie, Massen­medien und das feste Bauch- oder Kopf-Kurz­schluss­gefühl nicht weniger Leute bei Anstimmen der richtig­klingenden Stichworte. ‚Populismus‘ ist eines davon. Und Populisten — „die nach dem Volk gehen“ — sind immer die anderen, im Land der hoch­wohl­gebil­deten Verachtung von Volksherrschaft — altgr. δῆμος translit. dēmos, zu Deutsch:Volk.

Es kann ja auch indirekt gefragt werden: „Nahver­sorgung statt Luxus­güter“ habe ich gestern gelesen, mit einem typisierten Einkaufs­korb aus dem Super­markt, neben einer, im Stil eines Verbots­schildes durch­ge­stri­chenen, typisierten Schaum­wein­flasche auf dem Foto eines Wahl­wie­der­ho­lungs­wer­be­pla­kates des Bezirks­vereins (Schaum­pullen­hain-Weg­bier­berg-Alt-Grün­hausen) einer Regie­rungs­partei, die in ihrem Online-Füll-Fan­shop Füll­fe­der­halter mit einer Feder aus 14 Karat Gold für 481 Euro 67 anbietet.



Ob es ein, einer persönlich praktisch so gut wie nicht beobacht­baren, medial aber penetrant und dramatisch vermittelten Notlage wegen rasch und pragmatisch einge­richtetes, mit vorübergehend weitreichenden Vollmachten versehenes Nach­hal­tig­keits­ko­mitee Wo kommt das denn aufeinmal her? Übersetzt heißtdas ‚Dauer-Haus­hal­tungs-Ausschuss‘ oder ‚Immer-etwas-zurück­be­halten-Wohl­fahrts­aus­schuss füralles mögliche‘. gewollt hätte, dass wir segeln oder es auch nur geduldet?




Abseitige Frage, fernab jeder denkbaren Realität?

1. Nein, ist ohne weiteres aufschreib- und damit denkbar, sehen Sie doch. Sogar schon in einen historischen Zusammenhang eingeordnet.

2. Glauben Sie, Segeln hätte nichts mit Nachhaltigkeit, Tugend­herrschaft und gesell­schaft­li­chen Not­stands­ver­fas­sungen zu tun? Alles hat mit Nachhaltigkeit zu tun. „Foundation for life and a healthy planet“ in Kapitel 4, erinnern Sie? Nur am Rande, ganz klein, so eine Reflektion über einen, aus dem originären Zusam­men­hang gerissenen Gummibegriff und seinen neuen, neblozeanisch wabernden Bezugsrahmen. Gesund, natürlich, nachhaltig, vielfältig, faszinierend, schön, richtig, wichtig — einfach gut. Punkt, aus. Denken eingestellt. Hinterfragen macht Wutanfall oder gleich Ende, des Gespräches. Vielleicht noch ernste Belehrung: Science. Planetare Harmonie. Überleben der Erde.

Total bullshit shower. Aber Alltag. Völlig normal, heute. Nichts anrüchiges daran, immer rein ins Bewusstsein. Irgendwer wird schon saubermachen.











Alles
hat mit Nach­hal­tig­keit zu tun. Es gibt nichts, was einem, der Nach­hal­tig­keit vertritt, entzogen sein könnte ohne den, der es aus­neh­men will vom Zugriff, zum Gegner der Nach­hal­tig­keit zu machen. Es sei denn, es wäre selber nach­hal­tig, dann ginge alles. Die­sel­mo­to­ren, Wälder abhol­zen, Fle­der­mäuse ärgern, Lang­strecken­flüge, was Sie wollen. Selbst Krieg führen, mit allen Mitteln.
  Wenn es der letzte ist? Der, der der Nach­hal­tig­keit zum Sieg verhilft. So, dass die Erde heilen kann? (Ist neben­bei ein gutes Beispiel für das, was ich hilfs­weise als Hoch­mo­ral be­zeich­ne. Hoch- weil irgend­wo da oben, ziem­lich frei­schwe­bend, weit über den Menschen.)

diesen abschnitt doch lieber überspringen?
unsinn, mehr davon!


Und Notlage, Notstand … „Keine roten Linien mehr“, haben Sie doch gerade gehört, vor einem Jahr, wie man das macht. So, dass Zustimmung, Gehorsam bis hin zur Selbstaufgabe, wenigstens Duldung und jede Menge frei verfügbarer, auf Ansage hin abrufbarer Hass auf die Rote-Linien-Festhalter dabei herauskommen.

(Hassen Sie mich jetzt? Falls ja: Würden Sie mich für diese zwei Sätze auch hassen, wenn Sie die letzen zwei, drei Jahre den Massenmedien keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hätten? Ich vielleicht noch, an Stelle der Rote-Linien-Metapher, ‚Grundgesetz‘ oder einfach ‚Rücksicht auf ihr Leben‘ oder ‚Rücksicht auf das Überleben der Erde‘ geschrieben hätte? Sehen Sie?)

Und so neben­bei in der Mitte, was finden Sie eigent­lich ver­zicht­ba­rer: Ihr und ande­rer Leute Leben oder das Über­le­ben der Erde?

Ich stelle diese Frage, trotz ihrer Absur­di­tät und der an­klin­gen­den mas­si­ven Grenz­über­schrei­tung, weil ich glaube, dass darin, damit der Kern einer geisti­gen Krise er­kenn­bar wird, die einen großen Anteil hat, am der­zei­ti­gen Durch­ein­an­der und Vor­läu­fer auf­weist, deren Ge­schich­ten in Rich­tung lau­fen­der Selbst­zer­stö­rung deuten.

Wie würde Ihr Körper die Frage beant­worten?


Guter Rat ist teuer


Und es kann ja nett verpackt sein, freundlich und vermittelnd klingend, Bürgerrat‘ heißen, ‚Citizen Assembly‘ ‚Sowjet‘ — oder gar nichts explizit und damit doch nur wieder angreifbar benanntes, einfach so eine informelle Runde mit geeignet ausgewählter Exper­ten­beratung, an der keiner vorbei­kommt, vorüber­gehend, so lange die Notlage andauert.

(100 Jahre? Was glauben Sie? Ich sage: 120, mindestens. Wobei das für Nach­hal­tig­keits­ent­wick­lungs­be­wer­tungs­ver­hält­nisse ja eigentlich noch viel zu wenig ist. Also besser: 240, nicht Tage: Jahre. 8 bis 10 Generationen unter Notstands­regime. Vielleicht wird ja eine Dynastie daraus, Runden­teil­nehmer, Vorsitzende, Beratungs­experten, jeweils aus der Notg.e.b. Wenn sie nicht wieder den Fehler machen, in ein paar Jahren die Welt neu ordnen zu wollen, ohne Rücksicht auf Chancen, Grenzen und Verluste. Oder den Russen zu erklären versuchen, wo ihr Platz in der Hoch­mo­ral­hie­rar­chie ist und wie nachhaltig industrialisierte, moderne Land­kriegs­füh­rung im kontinentalen Maßstab geht.)



Wenn Sie spä­tes­tens hier empört bis nach­hal­tig ver­wirrt aus­stei­gen aus mei­nem Text, denken Sie — als letzte Mit­gift an ihr scham­lo­ses Engel­chen da im Kopf und Bauch ge­wis­ser­ma­ßen — bitte ein­mal, we­nigs­tens noch einmal über den grund­sätz­li­chen Un­ter­schied von Rechten und Pri­vi­le­gien nach, ehe Sie weiter mit­stür­men, auf die Reste der alten Bür­ger­ge­sell­schaft mit­samt ihrem Nach­kriegs­kon­sens — Hey, Ber­li­ner, zu Lesen u.a. am Theo­dor-Heuss-Platz, drei ein­fache Worte — oder stumm dul­dend bis treu-wil­lig mit­lau­fen, ggf. in die neue große Zeit, dies­mal der Letzten Gene­ra­tion.

Toller Name, nicht? Kommt be­stimmt von einer PR- oder Hyper­real-De­sign-Agen­tur. Bedeu­tet, dass danach keiner mehr lebt. Eine ihrer Haupt­for­de­run­gen ist die Ein­rich­tung eines den Par­la­men­ten und Regie­run­gen über­ge­ord­ne­ten Gesell­schafts­ra­tes, der Maß­nah­men und Geset­zes­vor­la­gen nach Vor­ga­ben von Ex­per­ten erar­bei­tet um Deutsch­land in 7 Jahren emis­sions­frei zu machen. Wenn ich das wört­lich nehme …

Wenn Sie ein Bei­spiel suchen für das, wo­rauf ich oben rechts mit der Erklä­rung von shackle/Schäkel im Kon­text der Hymne des Lenin­schen Kom­mu­nis­ti­schen All­unions-Jugend­ver­ban­des (WLKSM; Kom­so­mol) ange­spielt habe, hier haben Sie ein aus­ge­zeich­ne­tes vor sich: Was heißt emis­sions­frei?

Und was machen Sie, wenn es in 2 Jahren etwas ande­res heißt und in 4 Jahren wieder etwas ande­res? Oder immer dann wenn es in Frage steht nicht das ist, was Sie oder Ihre Ver­tre­ter oder irgen­dein Gericht sich darun­ter vor­stel­len? Was machen Sie mit so einem Schlüs­sel­be­griff, wenn Ihnen irgend­et­was an den zu beschlie­ßen­den Maß­nah­men zum Been­den jeg­li­cher Schad­stoff­ab­ga­ben in die (wessen?) Um­welt (gän­gige Um­schrei­bung von Emis­sion) zu weit geht?

Sagen Sie nicht: „einen anderen nehmen“. Da liegt die Ent­geg­nung ja schon auf der Hand. Und die Begrün­dung warum ihr Begriff, ihr Thema, ihr Ver­such einer Grenz­zie­hung nicht wichtig ist, ist auch klar: Not­lage. Kata­stro­phe. Keine Zeit. Wir können uns doch jetzt nicht über Begriffe streiten! Alles. In 7 Jahren.

Denken Sie daran: kein Stoff ist ohne bio­lo­gi­sches Scha­dens­po­ten­tial. Es ist immer nur die Frage für wen, in welcher Menge und in welcher Kom­bi­na­tion. Und ich wäre mir auch alles andere als sicher, dass es da nur um Schäden an irgend­welchen bio­lo­gi­schen Wesen geht. Wer sagt, um welche Schäden es geht und um welche nicht? Nicht Sie, nicht ich, sondern die Exper­ten hinter dem Consilium Communitatis. cc: carbon copy oder CC: Cor­po­rate Com­mu­ni­cations.

Eine ganz ähn­li­che, übri­gens von der glei­chen Groß­stif­tung finan­zierte und wohl vor allem in Eng­land aktive Gruppe heißt Extinc­tion rebel­lion, kurz: XR — Aus­lö­schungs-Re­bel­lion; Aus­ster­bens-Auf­stand; Mas­sen­ster­ben-Erhe­bung. Ihr Symbol ist eine zum ein­ge­kreis­tenX‘, wie Verbot, Ende, Löschen, weg damit stili­sierte Sand­uhr.

Ich habmir die beide nicht aus­ge­dacht. Ich be­schreibe sie nur, in eige­nen Worten, hinter einem sar­kas­tisch-rhe­to­ri­schen Auf­hänger und füge ein paar nahe­lie­gende Fragen und Ein­schät­zun­gen sowie ein biss­chen Kon­text hinzu.

Im Eng­li­schen gibt es da noch den Begriff dooms­day cult, im Deut­schen die End­zeit-Sek­te. Super Klang, was? Hat aber nichts zu sagen. Die wollen nur die Erde retten. Vor den Menschen. Inner­halb einer Gene­ra­tion. Das sind 25 bis 30 Jahre. X. Acht Milli­ar­den.

Und Sie sollen klat­schen oder besorgt gucken und das Por­te­mon­naie auf­ma­chen. Erst einmal. Fühlen Sie sich, in der Vor­stel­lung davon, wenn ich fragen darf, eigent­lich noch als Mensch oder mehr so als etwas ganz an­de­res?

Ein weiterer, in diesem Zusam­men­hang inte­res­san­ter Begriff ist astro­tur­fing. Das ist, wenn zur irgend­wie zweck­dien­li­chen Un­ter­stüt­zung einer staats­ge­sell­schaft­li­chen Agenda die Simu­la­tion einer zivil­ge­sell­schaft­li­chen Gras­wur­zel­be­we­gung aus­ge­rollt wird, breit und fern­seh­ge­recht, wie ein Kunst­ra­sen in einem Sport­sta­dion.

Wissen Sie noch was Kunst­rasen ist? Man kann den auch mit echten Pflan­zen ma­chen, groß­gärt­ne­risch heran­ge­zo­gen und rollen­weise ange­lie­fert, dann wirkt es beson­ders natür­lich, auf der Frei­licht­büh­ne des Mas­sen­spek­ta­kels zum Hoch­ko­chen von Emo­tio­nen, Binden von Auf­merk­sam­keit und Formen von Loya­li­täten.

Was man damit, dage­gen machen kann, wenn einem das ganze Mas­ken­spiel und ins­be­son­dere das TippUhr⁠-⁠o⁠-⁠eX‘ sowie das CC-Sow­jet-Remake mit wei­te­ren Zuta­ten, welche hier zu erläu­tern den schmalen Rah­men spren­gen würde, nicht gefallen?

Aufmerk­sam­keit und Ver­trau­en ent­zie­hen wäre eine Mög­lich­keit, wenn man das zusam­men hin­be­kommt. Dumm nur, wenn die Politik trotz­dem weiter­geht.

Eine andere Mög­lich­keit wäre dekon­stru­ie­ren; aus­ein­an­der­neh­men; in Ein­zel­teile zer­le­gen, die gedank­li­che Reprä­sen­ta­tion, die einem da mit Macht in das Bewusst­sein ein­zu­pflan­zen ver­sucht wird.

Kann man natür­lich auch mit mei­nem Text machen, aus­ein­an­der­neh­men und auf Echt­heit unter­su­chen. Nur zu, die Teile sind solide.


Ich meine, nur mal so als Vorstellung: Ein Stück für Stück etablierter Notstand — böses Wort, das klingt ja wie — nimm Krise‘. Schon ernst, außer­ge­wöhn­lich, nahe an Abhilfe‘ und ‚Vorsorge‘ — immer gut; muss alles immer nach ‚Verant­wor­tung‘ klingen, nicht nach dem, was die schlechten Ratgeber machen, die Unver­ant­wort­li­chen, die die Krise und ihre systemischen ← Was ist denn das für ein Wort? Kamdas nicht oben schonmal? Ursachen nicht wahr haben wollen — also schon irgendwie Notstand, wegen grund­sätz­li­cher Probleme — irgendwas systematisches — die jetzt akut werden — ‚akut‘ ist gut, klingt nach Krankheit, die endlich heraus­kommt, erwartbar gefolgt von Heilung — muss aber dauern — nicht so plötzlich, dass alle sich erschrecken und doch wieder dumme Fragen stellen, an irgendwelche Krisen­ab­hilfe­maß­nahmen — müssen ja auch nicht alle Sinn machen, nur in die richtige Richtung führen — und auch nicht alles auf mal, keine Sorge. Immer so etwa 10 Jahre lassen bis es wirklich vielen wirklich weh täte, vom bereits Erreichten aus gesehen — außer, es muss mit einem Mal ganz schnell gehen weil: Krise — bis dahin kann noch viel passieren. Niemand will irgendwen an die Wand drücken. Es geht nur um das gemeinsame Voran­kommen

   — ein bisschen vor, so weit bis Protest kommt, dann wieder zurück aber ein bisschen weniger — bisschen beruhigen lassen. Lachen. Und um Vertrauen werben. Ruhig auch mal Einsicht zeigen, Selbstkritik — versöhnende Worte, dann weiter vor und wieder zurück, Stück um Stück und immer beweglich bleiben, keine roten Linien, keine Diskussion, ganz einfach — keine Verhandlung mehr über die Grundrichtung — die ist keine rote Linie, die ist Konsens


Es gibt eine ein­drucks­volle Übung im Aikido, bei der jemand, der einen anderen angreift und von diesem immer wieder erfolg­reich abge­wehrt, abge­lenkt und auf den Boden geworfen; sich fallen gelassen wird; jedesmal wieder unter­liegt, den in jeder ein­zel­nen Begeg­nung über­le­ge­nen Ver­tei­di­ger an der Wand enden lässt, zu keiner hilf­rei­chen Bewe­gung mehr fähig.



(Wollen Sie sich gegen den Konsens einer ganzen Gesellschaft stellen, mit Ihrem bisschen Laienwissen in so gut wie allen Bereichen, die von dem, was Problem und Lösung zugleich ist, berührt sind? Wollen Sie nicht lieber ihre persönliche Erfahrung einbringen, in den Konsens?)

   — Aufgaben stellen, die Abwägung erfordern und in innere Konflikte führen; das Tempo hoch halten, der Vorkommnisse und Vorschläge; Forderungen — vielleicht auch mit mehreren Krisen arbeiten, wie aus dem Nichts herein­ge­bro­chen und lange vorher­gesehen, absehbar gewesen, gleichzeitig Ist da ein Widerspruch? Nein, nun nicht mehr. Da steht ein ‚und‘ dazwischen und vielleicht meint es ja die zugleich eintretenden Krisen? Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Alles ist gut und steht so schlecht wie nie; Zeit zum entschiedenen Handeln und Still⁠ ⁠halten; zur aufflammenden Empörung, zugleich mit dem Verstummen, Schweigen — Weitermachen.

   — alles vor einer Kulisse aus lautem und sehr erwünschtem zivil- und staats­ge­sell­schaft­li­chem Engagement mit Förderung durch große Firmen und Stiftungen und politisch getragen von einer, so gut wie von allen Par­tei­en geteilten Einmü­tig­keit darin, an nichts Wesentlichem der Not­stand­sa­genda und ihrer Recht­fer­ti­gungs­er­zäh­lung zu rütteln; nichts mehr wirklich zu hinterfragen, ob es die Leute wollen oder nicht. Jeden Versuch neuer Parteien mit nennens­wertem Potential zur Veränderung hoch zu kommen von vornherein zu vereiteln oder diese so zu manipulieren, dass sie entweder die Agenda übernehmen wenn es ernst wird oder kontrolliert an die Wand gefahren werden, mit großem Medien-Getöse

(‚Wand‘ meint das, wo schon noch was ist, auf das man auch zeigen kann, es aber nicht mehr weitergeht. Und wenn sie sich auf den Kopf stellen.)

   — sich so nach und nach den Souverän, dem man zu dienen verspricht, zurecht zu machen, zu erziehen, bis der vor Angst, Unsicherheit, Vor-und-Zurück, Verwirrung, Gummi- und Tarn­begriffen, Gequatsche in allen Tonlagen, Wider­sprüchen, absurden Reak­tionen, Gerüchten, Studien und Rich­tig­stel­lun­gen, gefolgt von Dementis und Erin­ne­rungs­lücken, bestelltem Applaus und dazu passendem Protest, Theater­donner, Jubel­arien, ganzen Wrestling-Sagas — wer mit wem, noch aus einer alten Fehde eine Rechnung offen hat, strahlend und mutig hineingeht, dann böse gefoult wird, dreimal, nein, genau gucken: viermal was abkriegt, so gut wie zerstört am Boden liegt und in letzter Sekunde Hilfe bekommt von einer, die erst nichts konnte, nach kurzem Geplänkel in den Seilen hing, jetzt aber zusammen mit der Heldin, die Fiese, Dunkle fertigmacht (Dachten Sie, Wrestling sei nur für Männer? Schon lange nicht mehr) und sich gleich noch den längst als korrupt, und wie korrupt! erkannten Ringrichter greift, dem Publikum vor die Füße und in die Kulissen schmeißt, im donnernden Szenen­applaus steht, die Bühne zu beherrschen von nun an bis, von allen völlig unerwartet, erwartbar hinter der seltsam durch­schaubar- und gleichzeitig wirksamen Wand aus Kayfabe

   — Nebelkerzen aller Arten — merkwürdigen Bild- und Tonsequenzen; Videoclips im Nach­rich­ten­kon­text, die den Gedan­ken­strom, auch die Verknüpfung von Wort und Bedeutung zu zerhacken scheinen — unmittelbare Bindung und Desori­en­tierung machen, als Folge; Konsequenz von Neugier — Verärgerung aufnehmen, widerspiegeln, mit absurden Momenten, Gestal­tungs­ele­menten verknüpfen und ihr die Verbindung zur Ratio verwehren, sie in scheinbar ausweglose Beunruhigung übertragen — nahe an der Scham übrigens

   — zur anderen Seite Ablenkung, noch und nöcher, mit darin einge­betteter Dauer­belehrung, fließend und weich — sanfte Ermahnungen, aufzunehmen im Tausch für Entspannung, Putzigkeiten, Unverfängliches, etwas wie Normalität erzeugen, unter den Maßnahmen und Zielen, all der Anstrengung — Veränderung ins Ungewisse, flausch­gedämpft — und Schein­debatten, Nach­sprech­an­reizen und Denk­verboten — Es gibt keine Denkverbote! — Sie haben gerade an sogenannte „Denkverbote“ gedacht, warum?

   — sich somit nach und nach den Souverän, dem man zu dienen verspricht, zurecht zu machen, zu erziehen, bis der vor Angst, Verneinung von Angst, Unsi­cher­heit, Hin-und-Her, Verwirrung — Beruhigung und immer wieder erneutem Einfordern von Vertrauen nicht mehr weiss, was er mal konnte, wollte oder zum Leben braucht, zuvorderst. Ja, was überhaupt vor sich geht; was Wirk­lich­keit und was Hyper­realität ist, die phantastische Kopie der Wirklichkeit, welche darin beliebig formbar wird und mit hoher, tendenziell sogar höherer Intensität erlebt werden kann als die echte Wirklichkeit, das zunehmend ernüchternde Original.


Aus dem Pro­gramm­heft einer Wrest­ling-Ver­an­stal­tungs­reihe in der National Guard Armory, St. Paul, Minnesota. Wrest­ling Facts. [sic!] Vol. 1 No. 20, Feb. 28, 1958. In groß bei Wiki­me­dia Commons, unter ‘File history’.
  “When the girls go into action, the hair flies — as it does here. The ladies will be in St. Paul within the month. (Story page 2).”
  Beachte auch den Rhyth­mus und den An­klang der Schlag­zei­len. Des Wei­te­ren den Um­stand, dass das Bild und die umge­ben­den Texte eigent­lich nicht zusam­men­passen.

Ich wäre ein ganz mieser Volks­er­zie­her, schätze ich, mit dem Satzbau der ima­gi­nä­ren Volks­ent­scheids­frage da links unten, in der Mitte und mei­nem Hang zur Über­trei­bung. Egal, wenn ich an die Wahl­pla­kate in Hoch­schnurz­piep­mo­ral-Scher­ben­hain-Kreuz-und-Quer-Ver­dreck­berg-Tief­rot­braun­hau­sen denke. Ich glaube, um hier gewählt zu werden könnte man mitt­ler­weile auch „Scheiß­wet­ter ist sozial“ „Mehr durch­re­gie­ren, jetzt erst recht“ und „Armut für alle – Weil ihr es seid“ pla­ka­tie­ren. Oder, zuge­ge­ben, chan­cen­los: „Bullen gut – Senat Scheiße, Rabäh. Mein per­sön­li­cher Favorit wäre: „Waff! Haff!! Grrr …“ Was ich damit meine? Na, da müsste selbst ich über­le­gen, ob gegen meine Über­zeu­gun­gen zu stimmen nicht doch den Spaß in der privaten Erin­ne­rung an so ein bisschen Rest­wahl­recht wert sein könnte.

Der klein abgesetzte Zwi­schen-Ein­schub da oben in der Mitte, zum schein­baren Cha­rak­ter der Mehr­fach­kri­sen war viel­leicht ein biss­chen gemein. So wie einer, der im Tanz in zwei Rich­tun­gen gleich­zei­tig führt und Impulse für Bewe­gun­gen aus der Ver­bin­dung mit einem anderen Partner nimmt, wech­seln­d, ohne aus dem Kontakt zu gehen.

Die Sache mit den merk­wür­digen Video­clips — ich habe noch keinen besse­ren Begriff dafür aber dachte heute, nachdem ich letzte Nacht wieder über so ein Ding gestol­pert war, im Nach­rich­ten­strom eines Jour­na­lis­ten, den ich eigent­lich für relativ ver­trau­ens­wür­dig halte, dass die genau das sind, als Auf­hän­ger und Ein­tritts­karte: merk-würdig, des Erin­nerns würdig, schein­bar und nicht so leicht zu ver­ges­sen, trotz der unmit­tel­bar schlech­ten Gefühle und des Unsinns, den die machen und meines inzwi­schen nur noch wenig zöger­li­chen Ein­grei­fens mit Hilfe der Stopp- / Schlie­ßen- / Zurück-Schalt­flä­che auf dem Be­tatsch-Screen — irgend­wie macht das auch was aus, dass man so ein Ding dann auch noch auf dem Schoß hat, nicht in gewohnt siche­re­rer Ent­fer­nung in einem Kasten irgend­wo in der Ecke — geht, wie mir scheint, in die gleiche Rich­tung wie das mehr­be­züg­li­che, span­nungs­freu­dige Tanzen (auch so eine hilfs­weise Benen­nung) wirkt aber zer­stö­re­risch.

Vielleicht hilft die Meta­pher einer Gift-Nuss im Wald des, der Geister, Vor­stel­lun­gen und Gefühle, erkenn­bar am selt­sa­men, irgend­wie unge­nieß­ba­ren Aus­se­hen des Inne­ren und bit­terem Ge­schmack, schlech­ten Gefüh­len, unwill­kür­lich und unmit­tel­bar. Das Merk­mal „irgend­wo gefun­den und schlecht zuzu­ordnen“; bleibend unkla­rer Her­kunft und Zweck­be­stim­mung könnte man noch hin­zu­neh­men. „Nichts Ver­wert­bares daraus ent­nehm­bar“ auch.

Und bitte, tun Sie Meta­phern aus der Tier­welt nicht als harm­los ab. Was darin abge­bil­det ist spielt in einem weitaus kom­plex­eren, exis­ten­ziel­leren und viel mehr verun­sich­ern­de­rem Infor­ma­tions­um­feld als unser biss­chen Medien­zir­kus, schätze ich. Die darin han­deln­den Cha­rak­tere hatten nur viel, viel mehr Zeit sich anzu­pas­sen, über Gene­ra­tio­nen mit Ver­such und Irr­tum, wahr­schein­lich sogar ohne klares Bewusst­sein im unge­fäh­ren Maße des Unsri­gen.


(Der Herr Baudrillard, aus dem letzten Kapitel, sah den Verlust der Fähigkeit, das eine vom anderen unterscheiden zu können, als Kennzeichen des kulturellen Zeiten­wechsels von der Moderne in die Postmoderne an.)

Verzeihen Sie bitte, falls ich Sie gerade verwirrt habe, zusätzlich. Es gibt keine Denkverbote. Also nicht in wirksam; nicht auf Dauer. Sie haben da so ein Tier hinter, in sichschnell, schattenhaftaber ich will Sie nicht erschrecken, es ist Ihres. Die Gedanken sind frei. Wenn auch nicht ungebunden. Es gibt Unwissen does it? Kurzschlüsse, unklare Bedingungen, abbrechende Zweige und Irrtümer, massenhaft und bessere, wie schlechtere Begriffe, derer man sich bedienen kann. Und natürlich den Unterschied von ein bisschen träge an einem Nilpferd Rumfummeln und Eich­hörn­chensex.

Sagen Sie jetzt nicht — außer, wenn Sie an Hörnchen (Mammalia, Rodentia, Sciuridae) und evtl. sokomische Tänze denken — dass Sie mit einem Mal Vorbehalte haben, gegen Nach­hal­tig­keit, und Fragen, Wirklichkeit und Erzählung von besserer Wirklichkeit oder schlechterer? zugleich?Anything goes! nochmal langsam erklärt bekommen haben und eigen­mächtig Grenzen setzen wollen, der direkt grund­li­nien­über­grif­figen Not­stands­de­mo­kratur Ist das schon Delegitimierung des Staatesund seiner getreuen Parteiführungen?Oder bloß deren Beschreibung? nur weil da so ein Wort­dompteur mit Zorn im Bauch und Fassungs­lo­sig­keit im Kopf am Rande des Zusam­men­hangs in irgend­welchen alten Geschichten kramt und die Nilpferde verrückt macht.

Also: „Sind Sie dafür, dass, an Stelle sich und in gemeinsamer Anstrengung aller verfüg­baren Kräfte die Erde, als Grundlage allen Lebens zu retten, diese im Grunde immer schon über­pri­vi­le­gierten Nilpferde Bürger­kinder auf ihrer von anderen bezahlten Maha­goni-Luxus­yacht da weiter sinnlos wertvolle Ressourcen ver­schwenden, planlos ver­kon­su­mie­ren, die wir uns angesichts der großen Heraus­for­de­run­gen in der Zukunft der Gegen­wart einfach nicht mehr leisten können, sollten müssen, und dürften, dürfen …“

Sektpulle, durchgestrichen. Nahversorgung, 15-Minuten-Radius. Verkehr darüber­hinaus nur innerhalb des Nach­hal­tig­keits-Budgets. Kann sich jeder einteilen, ist doch ganz einfach. CO₂, 3 Tonnen pro Jahr, pro Person. Zum Ham­burger Yacht­hafen wird das schwerlich reichen und wenn doch, für zu viele, muss man die Mengen eben anpassen — glauben Sie nicht? Glauben Sie es besser! Mit ausdrück­licher Erinnerung an nur zwei Wochen, um die Kurve abzuflachen und vollständig geimpft“ — ich bin dem auch gefolgt, habe andere noch, Zögernde da mit hinein­ge­zo­gen, zu ziehen versucht, bis zu einer gewissen Grenze

   Wo ist eigentlich die Grenze in den Nach­hal­tig­keits­er­zäh­lungen? Noch in irgend­etwas, mit dem so ungefähr 8 Mil­liar­den Menschen gut und in Würde leben könnten? Wer legt fest, was gerade noch so eben gut und in Würde ist? 800 Experten in Nach­hal­tig­keit, mit 8 Ober­experten, sämtlich gut gepols­tert und ständige Ehr­er­bietung gewohnt? Wie heißt die ent­spre­chende Herr­schafts­form? Wo ist da δῆμος? Und wie heißt das, wenn alle wirt­schaft­lich bedeut­sa­men Akti­vi­tä­ten von einer zentralen Autorität bewertet, auf­ge­rech­net und vor­ge­zeich­net werden? Wie könnte es heißen, wenn es dabei nicht mehr um Wachs­tum geht, sondern um Schrump­fung, Abbau der wirt­schaft­li­chen Aktivitäten?

   — soweit bis der Wohlstand — die Verschwendung, Natur­zer­stö­rung, der Schmutz (oder die Kulturblüte, Großzügigkeit, Grundlage für schmutz­lie­bende Lebens­formen?) Es gibt keine „schmutz­lie­ben­den Lebens­formen“! Und wenn doch, sind sie bestimmt nicht nachhaltig— vielleicht auch die Population der Schmutz emit­tie­ren­den von sich gebenden ratten­ähn­li­chen und fallen­ver­spot­tenden Tiere da auf dem Wald­boden der Zivilisation auf Nachhaltigkeit runter ist.

Wer mehr braucht oder, stellen Sie sich die Provokatzion nur gerne vor: aus Neigung, Lachen und Lust am Leben mehr will, ganz einfach, schuld­bewusst­seins- und scham­lo­ser­weise, kann sich ja was dazu­kaufen, von denen, die ihr Budget nicht ausgenutzt haben. Schlau was? Dann können sich die Armen etwas hinzu­verdienen, mit ein bisschen Extra-Verzicht. Dann sind auch Yachten endlich wieder nur für Reiche, so wie im 19. Jahr­hundert. Und für Heilige oder Tugend­rein­heits­dar­steller mit gut gefülltem Nach­hal­tig­keits­en­ga­ge­ment-Son­der­konto.

Das Gegenteil von Schuld ist? Und das von Scham?



Die überaus sympathische und der versammelten Menschheit zu Ehre und Angedenken gereichende Verbindung beider können Sie dieser Tage Mitte Januar 2023 in medialen Bildern und Textfragmenten aus Davos, Schweiz besichtigen. Muss hübsch sein dort und nicht billig. Privatjets und Flug­be­reit­schaften sind bestimmt auch toll, um bauch­ge­fühls­mäßig die richtige Übersicht zu bekommen, über den Stand der Nachhaltigkeit.

Wie ein Theaterstück (Brecht?( oder Molière?))-: Die Zukunft der Rettung der Erde, so wie der Demokratie und dieser bedau­erns­werten, schmutzigen, kleinen Tiere ohne Ausweis und Eintrittskarte. Sie sagen es offen, Sie müssen nur hinhören. Und für einen Moment das Gas­la­ter­nen­licht der buzz words, frames, spins und nudges herunter­drehen und die Jalousien hoch­ziehen. Die Menschen in der Vergangenheit konnten das auch, immer wieder, so sehr man ihnen auch, von berufener Seite — aus höherer Einsicht, Fürsorge, immer — Plicht, hehrer Tugend — erklärt hat, wie sehr gefährlich das ist. Halt du sie dumm, ich halt sie arm!“ haben einmal irgend­welche besonders respektlosen Viecher im 19. Jahr­hundert an eine allegorische Zeichnung der Verhältnisse geschrieben, sogar auf Deutsch.

Wir haben alles was wir brauchen, wir müssen uns nur erinnern.

Aber ich greife schon wieder vor. Und fürchte doch zu langsam zu sein, im Rütteln, Anknüpfen, Ausbessern und Zurecht­zupfen mit ein wenig Sorgfalt, Zärtlichkeit und ein paar schönen Anklängen, zum Lockern der Mieder und FFP-2-Masken des Geistes — Verschaffung von Gelegenheit — damn it verdammt sei es, hier noch eins für die Eichhörnchen, einfach dem Klang nach(hüpfen)

   — a jamboree ist a-eh eine ausgelassene, freigiebige Party oder ein Herum­tollen mit Tendenz zur Orgie, die Aufnahme ist von 1970 und die oat cakes, die Jenny sich zurecht­ma­chen soll, für die bezopfte Mannschaft beim Ankerholen oder so, sind Haferkekse, vielleicht auch falsch verstandene hoecakes, aus Maismehl — wer es lieber von der Jenny-Seite her hören möchte: hier “with some in their petticoats, some in their frocks” und gerade mit der richtigen Schnauze für so Ringel­flecht-Rabauken: “O you pigtailed sailor, stay away from me! Whup jamboree … O come and get your oats my son!” (Und dann entscheid’ dich, Junge!Aber mach keinen falschen Fehlerbei der Frage, wer hier ruft und wer hier kommt!)

   — ein wenig wie gestrandet an diesem, vielleicht schon von Ansatz her zweifel­haften Exkurs — Nein, Boote sind nicht nur für Reiche — so teuer war es gar nicht, guckt doch mal hin — Kapitalismus ist gar nicht so doof — Super, Schatz. Rest­leser­schaft minus 50%? — so wie heute muss es gar nicht sein es war nämlich schonmal b— ein bisschen Luxus brauchen alle,wenn ihr Leben nicht in grau-stickig verbissen-verhärmter Schmal­lip­pig­keit unter der Bullen­schei­ße­dusche verenden soll

— wer keine Angst hat, vor Kitsch mit Weichzeichner jenseits der Drei-Tonnen-Grenze, nehme schnell auch hiervon und nicht zu knapp Vollbild, bitte! Und ein bisschen auf Gestik und Choreographie auch der Gefühle achtenFilmschlager? Ja, aber andere Liga, auch vom Text her danach können wir dann gerne noch einmal über Grenzen der wirt­schaft­lichen Entwicklung, natürliche Waldböden, heile und kaputte Welten und die Träume kultivierter Säugetiere sprechen

   — in oder an dem sich irgend­etwas mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt und mit jedem Versuch sechs, sieben schon? phh, mehr! eher noch zunehmenden Einfalls­reichtum — und seit gestern auch wieder mehr Lachen — widersetzt, von mir zusam­men­ge­strichen — eingefangen, auf seine Rolle im Gesamt­rahmen verwiesen — über Kanten­schutz, Klarheit— oh ja! —vermeidbare Kratzer auch, Anklopfen überhaupt die Kunst des Vorspiels belehrt, des Weiteren neben, an bei, die Schönheit (der Stille) erinnert und— so, wie— sei es mit gesträubtem Fell— nach finten­reichem Einsatz aller zur Hand liegenden Adverbien und Konjunktionen zu­züglich des final vorgesetzten Kommas, endlich (!) glattgebügelt zu werden.

Engel, gar nicht oder schnell.


Und noch etwas zu meiner Frage mit „Sind Sie dafür …“: So ein bisschen Macht über anderer Leute Freiheit und Ver­gnü­gen fühlt sich nicht schlecht an, nicht wahr? Schon in der Vorstellung.

Stellen Sie sich vor, das wäre Kern­be­stand­teil ihres Berufes. Oder Sie könnten es einfach so bekom­men, für nichts als das passende Selbst­ver­ständ­nis und die richtigen Worte, in der pas­sen­den his­to­ri­schen Situation. Wenn es um alles geht, angeb­lich, alles in Bewegung kommt und alles irgend­wie nützlich erschei­nende auf Ihrer Seite von vorn­he­rein ent­schul­digt ist. Da bräuchten Sie aber einen starken, sehr starken Anker im Herzen und Verstand, um wider­ste­hen zu können, dem Drang, vielleicht auch der Auf­for­de­rung zum Über­schrei­ten der wesent­li­chen Linien.

Manche schaffen das, immer wieder. Sta­tis­tisch so ganz ungefähr irgend­was um die 1015% einer Gesell­schaft, mal mehr, mal weniger, aus allen mög­li­chen Zu­sam­men­hängen. Und es gibt die These, dass, wenn die es schaffen, allem Hass und allen Dro­hun­gen zum Trotz die Gül­tig­keit von Grenzen an­zu­mah­nen ohne selber zer­stö­re­risch zu werden, da etwas ist, was die anderen daran hindert, sich dem Rausch von Macht und Masse, der bedin­gungs­los auf ein Ziel aus­ge­rich­te­ten, sich am Ende selber zer­stö­ren­den, ima­gi­nier­ten Ersatz-Gemein­schaft für ein eigenes, erfüll­tes und in guter Ge­sell­schaft ver­wur­zel­tes Leben vollends hin­zu­geben.

Je daran gedacht, wie viel wert­volle Res­sour­cen oder Natur­zer­stö­rungs­äqui­va­lente man ein­spa­ren und an die Armen ver­tei­len könnte, wenn man auch die emo­tio­nale Ver­schwen­dung be­ach­te­te? Das ganze aus­ufern­de Gefühls­nach­ja­gen, An­locken und Be­schwö­ren ein biss­chen be­grenz­te, mehr auf die Er­fül­lung von Grund­be­dürf­nis­sen achtete, an Stelle von Luxus, es einmal ver­suchs­weise auf ein paar ge­mein­sam ver­ein­barte Stan­dards redu­zierte (rein, raus, zwei­mal um­drehen?) zu­min­dest bis die glo­ba­len Krisen unter Kon­trolle der Wohl­fahrts­aus­schüsse ge­bracht wären?

Man könnte auch über Bud­gets nach­den­ken, an gerade noch tole­rier­ba­ren Ge­fühls­auf­wal­lun­gen (die zu Ge­fühls­um­welt­ver­schmut­zun­gen füh­ren) und Hand­lun­gen aus irratio­na­len Impul­sen. Wer mehr braucht, kann sich ja etwas da­zu­kau­fen. Wie fluf­fig dann alles gehen könn­te, in den Haus­plena, Luxus­ver­zichts-Ak­tions­grup­pen und beim Durch­re­gieren? Vom Virus- und Nage­tier­be­kämp­fen meta­pho­risch, Nage­tieregehören zur Natur und sindschüt­zens­wert gar dem Po­ten­zial für Sprach­ver­ein­fa­chung und Abbau beste­hen­der Aus­schlüs­se sprach­lich Be­nach­tei­lig­ter will ich hier (noch) gar nicht an­fan­gen zu kläffen.


Und Ratten sind gar nicht so hässliche und sehr intelligente Tiere. Ich habe das von einer Katze gelernt, die in einem Labor arbeitet in dem es darum geht, die Grundlagen des menschlichen Bewusstseins zu erkennen.

Der eine Kutter war übrigens 1970 von einem Vereinsmitglied per Nachlass gestiftet worden — „aber nennt ihn nach der Frau, deren Namen alle meine geliebten Boote getragen haben“ so ungefähr muss das gewesen sein „und ich sag meiner Firma, dass sie euch immer genug Schleifpapier geben, damit ihn die Jugendlichen auch schön in Ordnung halten“ — der andere 1985, als Ersatz für ein älteres, wohl schon ziemlich leckes oder sonstwie nicht mehr richtig gutes Boot anderer Bauart wahrscheinlich gemeinsam finanziert worden, angeblich als Meisterstück eines Boots­bau­er­ge­sellen einer recht bekannten Werft der alten Schwester-Hanse­stadt, vielleicht deswegen ein bisschen günstiger als so in ganz frei neugebaut. Der sah aber auch aus, mit all dem Teak und Edelstahl, sauber eingelassen … und von den Mate­ri­al­stär­ken her hätte man damit Seekrieg führen können, im 19. Jahrhundert.


Donner und Trost

Das ‚Auto­no­men-Brot‘ gab’s, als spöttisches Etikett für härter gebackene Sachen aus der Vollkorn-Welle, für den Fall, dass denen mal die Steine ausgehen. Und dann war da noch dieses kleine Stück, also auf meiner 94er Kutter-Case jedenfalls, von einer kurz und eindrucksvoll auf die Bühne getretenen und dann wieder in der Versenkung der Endsiebziger ver­schwun­de­nen Punkband, England natürlich — “Do we miss you …” Aber Vorsicht, das Ding, Biest ist ansteckend repetetiv, in sich gebunden auf- und abschwingend wie ein Mantra und kann beißen — “Her little darling, once so small” — in alle Richtungen komm Pony, wir gehen Tanzen! auch gegen Helden­kampf­folk­lore — “never could believe you’d grow up at all” — jeden Moment; anrennen, aufspringen «Bamm» mit allen vier Hufen — “Will I write, well once in a while” — gegen alles was verhärtet, sperrt, Fesseln anzulegen versucht, verdreht den Hals zu greifen, ihm den Rücken beu— “One golden rule, no rules at all.”— Hee-Yaah! «dack-dack dack-dack-di-di dack-dack» «Deedileedeedim-le-Deedeelidim» «Deedileedeedim-le-Deedeelidim» “Two fingers poking at the world …” Brrrrr Wow! Mindestens 20 Jahre nicht mehr gehört und springt sofort. Und es hat ein Lachen hinter sich, eines von diesen ganz großen. Von jenem vielleicht, welcher, wenn er reist auf einerRatte reitet. Vgl. Kap. 11.2 Grounding Queer, am Rand, über Trickster.


Case: Au­dio-Cas­sette. Kompakte Cas­sette für Au­dio-Auf­nah­men auf Magnetband, zum Abspielen im Ton­band­cas­set­ten-Wie­der­ga­be­ge­rät oder Cas­set­ten­spie­ler, für den Gebrauch an elek­tri­schen 12-Volt-Gleich­strom- / Nie­der­span­nungs­ver­sor­gungs­an­la­gen (wie ty­pi­scher­weise auf Segel­boo­ten ein­ge­bas­telt) meist in das zweck­ent­frem­dete Auto­ra­dio inte­griert und in irgend­ei­nen schiffi­gen Holz­kas­ten ein­ge­baut, ver­brei­tet von den 1980ern bis in die in die 2000er Jahre. Mitsamt dem, was da aus diesem Beispiel für tech­ni­sche Sys­tem­in­te­gra­tion, wirt­schaft­lich-kul­tu­relle Ver­flech­tung ein­schließ­lich sprach­li­cher Evo­lu­tion raus­kommt, im Ham­bur­ger Kut­ter­slang kurz: Die Lala.

Für die einen eine Welt schöner Erin­ne­run­gen, ange­fan­gen mit dem ersten Drücken einer Wie­der­gabe- oder Rück­spul-Taste im Kin­der­zim­mer (aus­ge­nom­men das gele­gent­li­che Leiern, das Elend mit der Rausch­un­ter­drü­ckung und die Band­salate) für die anderen ver­zicht­ba­rer Luxus einer über­sät­tig­ten, natur­ent­frem­de­ten Mas­sen­kon­sum­ge­sell­schaft.

Ohne das Wissen um den wirt­schaft­lich-tech­ni­schen Kontext wird übrigens der Halbsatz „’mal’n schönen Riemen auf­le­gen“ unverständlich.


JWK ENY VII auf der Unter­elbe, Okto­ber 1994. Ein biss­chen höher als halb am Wind, noch mit „vor­ge­schif­te­ten Spieren“ nach unse­rem dama­li­gen Sprach­ge­brauch, also achter­lich der Masten geführ­ten Rahen, ent­weder gerade ange­luvt oder in einer Böe … Blick über das Mittel­schiff, vom Cock­pit aus, unge­fähr da, wo eigent­lich der Groß­schot­fah­rer sitzen und jetzt mal lang­sam auf die Kante kom­men müsste. Es wundert mich, dass ich da zum pho­to­gra­phie­ren gekom­men bin.

Das Bild hat einen leich­ten Farb­stich, weil der Schwarz-Weiß-Klein­bild­film­ab­zug lange bei mir zu Hause an der Wand hing. Das dunkle Paket am oberen Bild­rand bzw. Steu­er­bord-Groß­want ober­halb der Rah ist die weiter unten beschrie­bene Kenter­tüte. Der zweite Stander am Steu­er­bord-Besan­want ist von einer Regatta um das „Blaue Band der Nie­der­elbe“ aus dem glei­chen Jahr wahr­scheinlich.

Setzt du es nach oben ist es Tyran­nei, schlicht und einfach.

Setzt du es nach unten: Auf­leh­nung, Befrei­ung.

Nur, was ist oben, was Unten?

Was, wenn das gerade kräftig durch­ein­ander gewor­fen wird?

Oder sowieso, schon immer viel mehr durch­ein­an­der geht und wech­selt, als viele es sich aus­mahlen?

Was ist auf Augen­höhe?

Und was, wenn nicht alle das Gleiche wollen?

Wie heißt das, wenn aber alle das Gleiche wollen müssen, damit nicht irgend­was Schreck­li­ches pas­siert?

(Und dann noch ständig durch­ein­an­der gewor­fen werden, außer die, bei denen das jetzt irgend­wie wirk­lich, also echt nicht ange­mes­sen erscheint.)

Wie heißt dieses eigen­ar­tige ‚irgend­wie‘ da gerade, das so viel Ver­ge­wis­se­rung braucht und trotz Ein­klam­me­rung Raum ein­nimmt, in gesell­schaft­lich?

Aber wo nach ent­schei­den, wenn man nun mal irgend­wann irgend­was ent­schei­den muss, nicht nur für sich?

Wer von Sub­sis­tenz­land­wirt­schaft ein­zel­ner Punk-Farmer träumt denke jetzt bitte an Schiffe oder große, hungrige Tiere.

Gefühl, offenes, ehr­liches, hehres, auf­rich­ti­ges, nicht mehr zu über­se­hen­des? Der breiten Mehr­heit? Der Volks­mas­sen? Einiger beson­ders Gefüh­liger?

Ich, ich, ich! Bin gut im Ent­schei­den“ sagt das Pony.

Denen nach, die es nicht nur beson­ders au­then­tisch Wo kommt dasdenn plötz­lich her? füh­len, son­dern auch an­spre­chend, mit­rei­ßend, kul­tur- und schick­sals­ge­mein­schafts­mas­sen­wirk­sam for­mu­lie­ren können?

Wie heißt das dann?

Two fingers, before it’s done unto you, better make sure they get some­thing to chew.”
„Zwei Finger, bevor’s dir angetan wird, stell besser sicher, daß sie etwas zu kau’n be­kom­men.“

To chew kann man auch mit zu zer­kauen; grübeln und in gewis­sem, nur ganz wenig gedehn­tem Sinne auch mit (jeman­den oder etwas) anzu­schei­ßen (haben) über­set­zen. (Amer. ugs.: to chew someone out — jmd. anran­zen; abkan­zeln; zusam­men­stau­chen; wörtlich: (hin)aus­kauen.

Der chew war im übrigen mal der Priem, ein Bissen Kau­ta­bak. In den klas­si­schen Wes­tern­gen­re­sze­nen beim Betre­ten des Saloons in einen Napf neben der Tür zu spucken.

Wenn ihr mich fragt: Das wäre heute Punk, sagen wir in einer Aus­hand­lungs­runde zum Her­stel­len des nöti­gen Grades an Ein­mü­tig­keit, in X-hn-Krzbrg.

It’s not dead. It has just shifted its outfit.


Oh, und irischer Nationalismus, weiter romantisiert und mit Anarcho-Kommunismus unterlegt beziehungs­weise überprägt und, ein wenig später, schon im hasserfüllten, tugendhaft die strategischen Hand­lungs­felder durch­gehenden CSJ-Stil, an lokale und hochsymbolisch aufgeladene Kämpfe — Rote Flora und besagte Hafenstraße, Altona — anknüpfend, das ging auch gut, ohne von irgendwas Ahnung zu haben oder sich ernsthaft für Irland zu interessieren oder das kultur­revo­lutionäre Leben in besetzten Häusern. Auch ohne jemals näher nach den darin eingebetteten oder davon angesprochenen Ideen zu fragen.

Deutscher Nationalismus im Sinne der 1848er (Textquelle mit schönerIllustration hier und fehlende Strophe da) als das zerfranste Konglomerat bürgerlich verei­nende und sprachlich-ethnisch abgrenzende Auflehnung gegen die sture Aristokratie und das übernationale Königtum, die alte, zu eng gewordene Stände­ordnung überhaupt, das ging auch, vor allem dank Hannes Wader. Sogar nord­deutsche Heimatromantik, fast schon nordisch.

Aber mit dem Andocken an ener­ge­ti­sie­rende, Farbe gebende Erzählungen die ins Herz oder vielmehr den Bauch gehen hatten die, für die Hannes so engagiert und mit Breiten­wirkung vor allem gesungen hat, noch nie Probleme, nicht wirklich. Probleme bekamen die auf ihrer Seite, früher oder später, die dann irgend­wann einfach nur Musik machen, leben, lachen, tanzen oder Herzen streicheln wollten und den Rest nicht so verbissen gesehen haben, mehr so der Sympathie nach­gegangen sind, wo auch immer die mit einem an der Hand noch hin will. Freiheit und so, gute Gesellschaft, in individuell.

Gleichschritt, da lang wo alle, keine Widerrede; totale Durch­po­li­ti­sie­rung des ganzen Lebens — aller Bereiche des Handelns, Denkens und Fühlens — Umsturz aller Verhältnisse; auf eine vage End­zeit-Hoff­nung gerichtete, vorgeblich alternativ­lose Umfor­mung der Gesellschaft, unter perma­nenten Drohungen, als Über­ra­schungs-Wunder­topf Hütchen­spiel-Trans­for­mationwäre auch eine schöne Metapher das klang nicht gut, für viele. Deswegen musste es sich ja auch anschleichen, immer nur ein bisschen stürzen, wackeln, wieder hinstellen — mit den Achseln zucken, nochmal erklären, ein wenig verschoben

   — alles locker halten, lustig-kindlich, ausmalen in vielen Farben, mit griffigen Texten, verbrei­tungs­fähigen Schlagworten, in zeitgemäßem und immer fort­schritt­lichem Gewand Haben Sie sich je gefragt: Fortschritt,schön und gut, aber wohin? Aufwelche Weise erschritten, beschritten? bis die alles rela­ti­vie­renden Erzählungen groß genug geworden waren, häufig genug von den richtigen Leuten wiederholt, mit Selbst­ver­ständ­lich­keit umwoben und verbindenden Krisen­er­fah­rungen unterlegt. Und in den Insti­tu­tionen, nicht zu vergessen, von der intellektuellen, wissens­pro­du­zie­renden Seite her, ein gewisses System von Anreizen und korrespondierenden Hürden langsam in Gang gesetzt war, allmählich etabliert

   Nein, überhaupt nicht geheim, nicht wirklich. Nur schrecklich langweilig und neben­sächlich für die allermeisten, so Stück um Stück für sich genommen und ein bisschen verklau­suliert. Intellektuelle halt, Kultur- und Sozial­wissen­schaften, schon mehr breit gefasst jetzt, Vorstoß ins Allgemeine, Zeit und Entwicklung von Gesell­schaften über die Zeit und wie das sich in Wechsel­wirkung, gegen­seitigen, struktur­ell for­mie­renden Abhängig­keits­bezie­hungen, mit den Sprachen bestimmter Kulturen, deren Position mit den davon berührten Gegenständen in den zu deren Auf­recht­er­hal­tung etablierten Basis­strati­fi­ka­tions-Legi­ti­ma­tions-, ojeh — also Grund­ord­nungs- und ideell fundierten Sub­sys­temen, wie ahh— ach und dann das Wetter, da bestimmte Daten aus verschie­denen, in den grund­le­genden Modellen und Modell­rech­nungs­läufen mit großen Daten­mengen — Verän­de­rungs­fol­gen­ab­schät­zung um Ziele inter- und transnationaler, zukünftig anzustrebend perspektivisch angelegter Rahmen­ver­ein­ba­rungs-Regelwerke — na, so Statistiken, die Fort­schreibung bestimmter betrachteter Zeitreihen unter Variation gewählter Ausgangs­bedin­gungen, Annahmen, die also

   — für eine Weile bestimmte, vorher nicht so beachtete Worte und Ideen hervorzuheben, ihnen einen gewissen vorgeordneten Stellenwert, hier und da mal etwas umstellen, na gut, einmal und in Hinblick auf perspektivisch ausgerichtete, fach­über­greifend -griffig wirksame Imple­men­tation aufzu­stel­lender Rahmen­vor­gaben in Frage stellen, was da in der Mitte, wie an anderer Stelle, an gegebenem Orte oben bereits formuliert — andere also, die sowieso schon da — darin muss das heißen, in den Fach­diskurs­hie­rar­chien, etabliert sind und seit jeher über Raum, Ansehen und Mittel verfügen nach hinten, hintenanNicht einschlafen, bitte!

   Wir sind immer noch beim Kuttersegeln, also zumindest am Wochen­ende, aber da­zwischen eigentlich auch, mit der Aufmerk­samkeit, jener wunder­baren, die von selber kommt und ein paar erfri­schenden Salz­wasser­spritzern, im Jahr 1995. Die ENY ist wieder in Fahrt, zwischen Bremen — Walle, da wohn’se alle — Hamburg und Wedel hin und her fahren mit Semes­ter­ticket, damals bis Rotenburg (Wümme) geht nicht schlecht, da ist noch so etwas anderes, sehr anziehendes, prak­ti­scher­weise schon an Bord und jetzt kommt gleich richtige Musik — na da, im nächsten Link, hinterNihilismus‘ — Vollbild­ansicht, bitte — Laut ! — und das Intro abwarten — ja, das muss so getragen, könnt ihr nicht die Spannung hören darin?

   “… we are old we are young, we are in this together, vagabonds and children, yeah … with pulses a-raging and eyes full of wonder, kicking out behind us again … Out here we are running for wide open spaces, the road-smell after the rain … And watching as a boy alone at the quayside the ships loading cargo in the night, their names all calling for faraway places, the years go past, the miles go by and still this childhood romance will never …”



Auch opernhafte, film­szenen­reife Anklänge an Nihilismus Ja, und so farbig! inspiriert von englischem Puritanismus — aus der Zeit, wo sie die Kirchen gestürmt, die Altar­bilder verbrannt und die Chöre zum Schweigen gebracht haben — und dann weiter nach Irland ’rüber sind, um den tapferen, Rom hörigen Katholiken und deren irischer Eigen­staat­lich­keit den nahezu gnadenlosen Garaus zu machen Hört ihr mir überhaupt zu,da bei eurer Party im imaginären Cockpit? und radikaler, bestimmte Gruppen aber immer aus­schließen­der Gleich­heits­ideo­logie, das ging auch. (Krude Mischung, typisch Post­moderne, verkleidet in englische Marsch­musik mit Punk-Rock-Sound.) Deutsche Marsch­musik wär’ nicht gegangen, auch nicht mit Punk. Schon gar nicht, wenn dabei was vorkommt, das wie Oi! klingt.

Und sachte an die Tugenden der Lokalität — nicht etwa des, die natio­nalen Grenzen und Interessen über­windenden Globalismus — die im Lokalen; in kleinen, eng umrissenen Orten, ihren Bedin­gungen und ihrer Geschichte verwurzelten Wünsche und Wert­setzungen — erinnernde Sentimentalität (‚Gefüh­lig­keit‘) garniert mit ein bisschen unspe­zi­fischer Naturmystik, im nicht ganz platten, aber schon ziemlich schil­lern­den Stil Wieder Vollbild bitte,und schaut euch die Kostüme an,vor allem deren Kombination! und kom­mer­zia­li­siert bis über sämtliche Ohren, das ging immer. Hach …



Und ich schwör’ euch, also den fünf bis sechs, die das richtig zu schätzen wissen, wenn ich mich so vorder­asiatisch inspirierter Angeber­phrasen bediene, wenn ich die Town Fools, Wild Years von der 97er-Tour irgendwo im Netz gefunden hätte — Besen, Fock, Groß, alles hoch — sie auf die Kante gelegt und ab dafür. «Dingeling» Brat-Fisch. Korrekt. Ich mein’, die CD liegt hier neben mir aber — nicht mal eine Spur aufzufinden. Wohl kommerziell bedingt aufgelöst. Irish Speed Folk aus Soltau und Hamburg. Letzte Selbst­be­schrei­bung: „Folkadelic Muppet Rock“.

Die hier klingen ganz anders und sind es wohl auch, viel feiner, fast wie Salonmusik, mit einem Hauch Woke-Posing, meinem Dafürhalten nach und auch so ein bisschen Cool-Jazz-Bossa-Nova-Feeling. Aber das Stück war dabei, in einer der besten Segel-Ruder-lieblich-Nord­jütland-Fjord-Sommer-Freiheit-Lebens­freude-Szenen die ich erinnere und ein bisschen ist da, wo ich es gerade das erste Mal gehört habe, so ein Gefühl von: „Ja, passt“ da ist was drin und nicht zu wenig, von dem was mir wichtig ist zu zeigen, nach heute übersetzt.

Ansonsten ist hier noch ein kleiner, ebenfalls reichlich sentimentaler Trost, romanti­cized ameri­kanisch as hell. Für alle, die schon einmal einem Schiff nachgeweint haben, oder sich wenigstens danach gefühlt.

   “I’m not tired of the wind. I’m not weary of the sea, but I’d bet they’ve had a belly full of a damned old fool like me. I’m gone ashore. She’s bound for better days. And I’ll see her tops’l flyin’ when she comes down o’er the waves. So, Rosie get my sunday shoes, Gertie get my walking cane. We’ll take another walk to see old Alice sail again. … If I ever get back to her, you know, I will treat her just the same. I’ll gybe her when I want to, boys, sail her in the freezin’ rain. I’ll park old Alice on the beach, for dancin’ in the town …”

(Wo war — äh, was wollte ich? Musik. Mit poli­tisch-philo­so­phischen Bezügen, die wir damals — und ein bisschen was vom Lebens­gefühl — genau, Nähen — ein bisschen nach­zeichnen, unser seltsames Flicken-Wirk­ge­flecht damals, welche Ideen da drin — und Grenzen, über­ein­an­der­zu­legen mit den heutigen, so, dass die Veränderung sichtbar wird.)

Das habe ich noch wieder­ge­funden: „Haniotiko …von diesem Bergtypen aus Kreta, von dem mir mal ein Freund erzählt hatte und Aufnahmen mitgebracht — auch einer Frauen­stimme, keiner sehr geübten, glaube ich — eines dieser ein bisschen schrägen, außer der Reihe und voll ins Herz, auch wenn ich kein Wort verstehe. Aber darum geht’s ja auch nicht. Seit wann segeln wir um Worte, Zeichen — nein. Dahinter, in …


Was bitte? Was meint der Typ mit Cool-Jazz-Bossa-Nova-Feeling’ in einem irischen Volkslied — äh, dem an Volks­lieder ange­lehn­ten Lied eines irischen Enter­tai­ners and Jack of all trades, parody a.o. von irgend­wann gegen Ende des 19. oder frühen — und warum in diesen Ham­burger Jugend-Segel­ge­schichten? Na das hier & des­wegen, von Chris Connor, einer ame­ri­ka­ni­schen (Cool-)Jazz­sän­gerin, geborene Mary Lout­sen­hizer (19272009) ungefähr in letzte­rem Jahr aus dem Radio gefischt, als Deutsch­land­radio Berlin noch Spaß gemacht hat. Zu ‚Woke-Posing‘ s. Kap. 7.2 u. 7.3.


Das hier, das ging eigentlich nicht, das fiel aus dem Rahmen. Und außerdem klang’s furchtbar außer zur Klampfe vielleicht, mit gepushtem, sehr zögerlichen Wohlwollen und freund­li­cheren, vertrauten Stimmen, mehr so als Auflockerung und Verballhornung ansatzweise vorgestellter Szenen von irgendwo anders. Aber der, der das an Bord getragen hat, hatte einerseits — bei reichlich Kredit in unsichtbaren, nie genau bezifferbaren Kutter-Dollars — das dickste Fell, gepaart mit der mit Abstand größten und frechsten Schnauze — Hier, siehste das? Braune Mundwinkel, vom Scheiße labern“ — Sorry, is’ von ihm — und andererseits, meiner vagen Vermutung nach, 25 Jahre nach Ende unserer gemeinsamen Zeit besehen, möglicher­weise das klarste, unge­brochenste und am wenigsten maskierte Herz von uns allen.

Er war übrigens der einzige von denen, die alt genug waren um zu dürfen aber trotzdem lieber (H-)Milch getrunken hat. Nicht einmal Lumumba mit Sahne und Zimt, gemacht von D. und mir, nach geglückter Nacht­ansteu­erung eines spärlich beleuchteten, hinter mehreren Untiefen gelegenen und am nächsten Morgen auch noch post­karten­schönen Naturhafens im leichten Sommerwind.


In diesem Sinne, falls Du das hier irgend­wann mal liest, alter Kamerad, hier ist meine Antwort in korri­giert, 27 Jahre nachdem es mutig gewesen wäre, so etwas in die Lala zu hauen und laut mitzusingen.


Bord­öffent­liche Kommando­sache


Der weiter oben erwähnte ‚ungünstige Fall‘ der im Zweifelsfall mit Muskelkraft zu bewältigenden Wirklichkeit, im Zusam­men­hang mit dem Tidenkalender bezieht sich natürlich auf zu wenig Wind oder ganz wenig Wind aus der falschen Richtung, denn „was du nicht segeln kannst, musst du pullen. Pullen ist Hölle anstrengend, also segelst du!“
                                     13
Und das gerade die beiden nautisch und so’n bisschen auch fürs Ganze, jedenfalls wenn’s nicht gut läuft, verant­wort­li­chen KuFü’s — Kutterführer — ein Begriff der möglicherweise auf den Sprach­ge­brauch der Natio­nal­so­zia­listen und deren Vorliebe für militärische Akronyme zurückgeht — mitpullen mussten, war unge­schriebene aber klare, von jedem an Bord auf Einhaltung überprüfbare Regel. Nicht selten war es auch schlichte bio­me­cha­nische Notwendigkeit.



Aufgabe:

3 trotz angemessenen Trimms aus eben noch halbwegs eleganter Form lustlos in etwas einem Theater­vorhang nicht unähnliches einfallende Segel, 2 davon Luggersegel, 1 Stagsegel (Genua, die schon noch größer sein könnte, wie eigentlich alle Segel, jetzt gerade); 2 nicht übertreibenna gut: 1½ Knoten Gegenstrom; 1e rapide nach­lassende Ruder­wirkung; 1 Jugend­wander­kutter (schon etwas älter) der gerade vom stolzen Hamburger Segler im Haupt­fahr­wasser nach dem Welt­meere zum ironisch gedemütigten Stück Treibholz wird, irgendwo bei Haseldorf. 1 (nicht ganz so alter) KuFü der sagt: „Pille-Palle, Wind is’ alle.“



Spiel­material:

10 Rundseln im Rundselbord; 10 passend daneben und etwas davor eingebaute Sitzduchten, die vordersten beiden halb durch Fresskiste und Geschi blockiert; 5 Paar Riemen (in der Realität meistens nur 4 davon vorhanden) ordentlich beidseits des Schwertkastens zusam­men­ge­bunden mit auf Slip gesteckten halben Schlägen in Palsteks in Riemen­bändseln aus passend zugeschnittenen Teilen alter Schoten; 5 bis 9 Kutter-Russen, die heute noch nicht viel gepullt haben, darunter so etwa 3 oder 4 jüngere mit leichten Anzeichen für Langeweile; vielleicht 2 ältere, die ein bisschen verträumt in die Gegend schauen und sicher nichts gegen eine kleine sportliche Abwechslung hätten; 1 mit allen abgestimmter Tagesplan, der gerade dabei ist hinfällig zu werden; eigentlich nur 1½ Seemeilen oder so bis in den nächsten passablen Hafen, mit ein bisschen Wartezeit an der Schlickkante vielleicht, aber du willst nicht schon wieder nur nach Haseldorf oder Stade, irgendwie sollte was bei Pagensand schon noch drin sein. Umdrehen und nach Hetlinger Schanze oder hinter Lühesand, Grünendeich bringt’s auch nicht, da könnt ihr immer mal hinfahren und morgen soll ja auch noch’n bisschen was zu segeln sein. Außerdem ist’s noch länger hell und vielleicht kommt der Wind ja wieder. Nach Backschaft schreit auch noch keiner, Motivation hattet ihr gerade schon ausgestaut, Sicht is’ gut, zu kalt is’ auch nich’, na also. Noch ungefähr 4½ Stunden Flut, stärkster Strom kommt noch. Uff. (Was seid ihr auch erst so spät losgefahren?!)



Lösung:
(einfach)

So viele auf Riemen setzen, wie nicht an der Pinne stehen. Mittschiffs, im Öschgang und achtern. Schwimmi’s, Schoten, Klamotten, Schoki, was auch immer im Weg liegt, weg oder nach unten treten, ein bisschen mit Gefühl natürlich, vor allem den Ego-Kram — „Wir sind kein Trümmer­schiff!“ — Rundsel­klappen öffnen. Vorher noch die Tüten einrollen. Wenn das, weil mit Rücksicht auf Kutterslang nicht gewohntes Publikum hier ein bisschen zu lässig formuliert, heute nicht recht läuft, Auflösung in Einzel­kommandos, gern auch mit leicht erhobener Stimme: „Roll ein den Großen! Roll ein die Fock! In der Mitte anfangen, geht dann einfacher. Dirk an­bauen, Besen aufgeien!“ „Schwert hoch!“ nicht vergessen — „Steck noch ’ne Steuerspitze!“ — „Nee, noch’n bisschen mehr.“ — „Ja, gut so und belegen!“ — „Riemen bei!“ und: „Pull an!“

Kurs wieder auf­nehmen und beibehalten, bis auf weiteres. Klare Sache wenn die Zahl glatt aufgeht, sonst abwechseln, nach halbwegs glaub­würdigem: Ich kann nicht mehr!“



Variante:
(naheliegend)

Spannung, Schwierig­keits­grad und Geschwin­dig­keit erhöhen. Für ein bisschen touristische Unter­haltung sorgen. Dem Publikum, der Mann­schaft und sich selbst etwas bieten: ’n bisschen Äktschen machen. An dem das Geschehen im Großen und Ganzen wie immer schon rück­sichtslos domi­nie­renden Mond-Sonnen­zeit­geber kann man — siehe da: Realität — nichts machen! (für Nerds: halbtägige lunare Haupttide M₂— Rotation des Erde-Mond-Systems und der Erde führt zu zwei Flutbergen —überlagert mit der halbtägigen solaren Haupttide S₂— Rotation des Sonne-Erde-Systems und derErde macht auchzwei Flutberge — neben allerlei weiteren, wesentlich kleineren, sich allesamt überlagernden harmonischen Faktoren, am angenommenen, von Mitschwing­ge­zeiten des Atlantischen Ozeans, eingeengt aufdem dreiseitig land­be­grenzten Schelfmeer und (bemer­kens­wer­ter­weise) entgegen derRichtung der Corioliskraft umdrei Nullpunkte (Amphi­dromien) rotierend undim ausgeprägt trich­ter­för­migen Elbe­ästuar weiter verformt, insbesondere miteiner Ungleich­heit von Steig- und Falldauer zugunsten derEbbe und, wenn mangenau hinsieht, in kleineren Neben­läufen sogar mitkleinen Boren — sichtbaren, sehr steilen Flutwellen amoder kurz nach Ende der Ebbe —versehen, geprägten Ort) aber wer sagt denn, dass man mit so einer, weit über die Grenzen des nun plötzlich gar nicht mehr so beeindruckenden Sozialen hinaus­wei­senden, geografisch-kosmischen Vorlage nicht spielen kann?

Immer die Verhältnisse vor Ort angucken — im geeigneten Maßstab — und nicht lange schnacken, die gerade so schön bezaubernde, offen­stehende Welt erklären suchen, wollen — bei der Sache bleiben. Erstmal das Aller­na­he­lie­gendste; aus dem Hauptstrom gehen und mehr zum Ufer hin, wo es flacher wird — versuchen, Bereiche zu finden, in denen der Strom merklich schwächer ist wegen der Reibung am Boden oder als Neerstrom setzt — einem lang­ge­streckten Strömungs­wirbel hinter einem Hindernis, einem Stack etwa, stellenweise Hey, ist das nicht schön!?: in Fahrtrichtung.

Ein Stack ist ein zumeist aus Steinen gebauter, spätestens bei Hoch­wasser überspülter Damm zur Strom­re­gu­lierung, der in der Regel im rechten Winkel zum Ufer angelegt ist und im Endeffekt die Strömungs­ge­schwin­dig­keit in der Fahrrinne erhöht und damit dieRate der Ablagerung der Sediment­fracht des Flusses und damit die Notwen­dig­keit aufwändiger Bagger- und Spül­arbeiten zur Gewähleistung der Solltiefe und damit die Kosten der Schiff­bar­keit imwirt­schaft­lichen Kontext verrin­gert und somit …

Geographie im Sinne des Abbildes ihrer Gegenstände ist das Ergebnis einer irrwitzig verschach­telten und überlagerten und von Millionen an logischen unds und dann noch einigen und nochs, sowie einer kaum noch über­schau­baren Zahl von des Weiterens, irgendwie, also auch (wohl) mit zusam­men­gehal­tenen, vier­dimen­sio­nalen Ursachen-Wirkungs­kette mit allerlei und nicht immer gewissen Rand­be­din­gungen und wiederum verschach­telten Rück­kopplungen. Wirft man noch ein bisschen grober, sehr grober Ahnung von Chaos- und Relativi­täts­theorie hinein und hört auch irgend­wann mal auf, die Biologie, einschließ­lich der vernunft­begabten Viecher oder, bei Annä­herung aus der sozial- und wirt­schafts­geo­gra­phischen Richtung, die sogenannten natürlichen Grundlagen (also auch die an ihr biologisches Wesen gebundenen Träger des darauf errichteten kulturellen Überbaus) auszublenden und fängt, zu allem Überfluss, des Weiteren, noch an, ein bisschen an der geistes­geschicht­lichen Dichotomie von Kultur und Natur zu rütteln, wird es vollends unüber­schaubar und ist im jeweils beobach­teten (Zwischen-)Ergebnis dennoch so charak­te­ris­tisch erkennbar, dass man, an der selbst­er­nannten Spitze der Evolution stehend, es einfach auch als ‚banal bezeichnen könnte. Erde, und? Gibt keine weißen Flecken mehr auf der Erdkarte, was wollt ihr denn noch, ihr Geo­grafen? Irgend­welche Dinge verknüpfen, mit denen andere sich viel besser auskennen? Nur um dann beim wirklich Hinschauen und Fragen­stellen regelmäßig die Krise zu kriegen, vor Über­wältigung, Kommasetzung und Hilfs­an­nahmen? Wollt ihr nicht lieber schöne, einfach und anschau­lich zu illustrierende nützliche Geschichten erzählen?










“And then, just to show them,
 I’ll sail to Ka-Troo
 And Bring Back an It-Kutch,
 a Preep and a Proo,
 A Nerkle, a Nerd,
 and a Seersucker, too!”

Aus: Dr. Seuss, If I Ran the Zoo, 1950.

Theodor Seuss Geisel (1904–​1991) war ein sehr erfolgreicher U.S.-Amerika­ni­scher Kinder­buch­autor, Cartoo­nist, Illustrator, Dichter und Filme­ma­cher, der einige der nach Zahl verkaufter Druck-Kopien belieb­testen Kin­der­bücher über­haupt geschrieben und gezeichnet hat, darunter “The cat in the hat” “One Fish, Two Fish, Red Fish, Blue Fish” “The Sneetches and other Stories” sowie “Green Eggs and Ham” welches auf einem Vokabular von nur 50 Worten basiert.

Sein erstes Kinder­buch “And to Think That I Saw It on Mulberry Street” von 1937 war, seiner Auskunft nach, wesent­lich inspi­riert vom Rhythmus der Schiffs­ma­schi­nen der M/KUNGS­HOLM (2×8-Zylin­der Diesel) auf einer Trans­at­lan­tik­reise im Jahre 1936:

And that is a story that no one
 can beat
 And to think that I saw it on
 Mulberry Street.”

Im Buch gibt es einen Jungen auf dem Heimweg von der Schule, der über den Satz seines Vaters nachdenkt:

Marco, keep your eyelids up
 And see what you can see.”

Er sieht dann nach und nach etwas mehr, als von der Schule und anderen eigent­lich vor(her)ge­se­hen ist. Als ihn sein Vater später danach fragt wird er rot und sagt: “Nothing … but a plain horse and wagon on Mulberry Street.”

Bei den “Sneetches” von 1961 geht es um vogel­artig und in gelb gezeich­nete Wesen in zwei Gruppen, eine von “green-star-bellied sneetches” und eine ohne Sterne auf dem Bauch. Die mit den Sternen sind schöner und besser, den armen einfachen Sneetches ohne Sterne verspricht ein findiger Unter­neh­mer, der sich “the Fix-it-Up Chappie” nennt, Abhilfe für drei Dollar mit seiner “star-on machine” den bald darauf über ihren drohenden Status­verlust ver­är­ger­ten Star-Belly-Sneetches wiederum sofortige Hilfe mit seiner “star-off machine”, für zehn Dollar. Es endet mit allen Sneetches von Maschine zu Maschine rennend …

“… until neither the Plain nor
 the Star-Bellies knew
 whether this one was that one …
 or that one was this one …
 or which one was what one ...
 or what one was who.”

Bis ihnen das Geld ausgeht und der freund­li­che Stern­ma­schi­nen-Mann lacht: “You can’t teach a Sneetch”.

Fox in Socks” von 1965 wird in der englisch­spra­chigen Wikipedia im Juni 2022 wie folgt beschrie­ben: “The book begins by intro­du­cing Fox and Knox along with some props (a box and a pair of socks). After taking those four rhyming items through several permu­ta­tions, more items are added (chicks, bricks, blocks, clocks), […]. […] Finally, as Fox gives Knox an extended disser­ta­tion on ‘Tweetle Beetles’ who fight each other with paddles while standing in a puddle inside a bottle on a noodle-eating poodle, a fed-up Knox inter­rupts and pushes him into the bottle, calling it a ‘tweetle beetle noodle poodle bottled paddled muddled duddled fuddled wuddled fox in socks’”.

Jay! I refuse to translate this fox wuddled muse socks bath rock-puddle box-blocks of paddle, not one single gasp-trundling knox wordth further.

(Wenn ihr mit der Wieder­ver­zau­berung der Welt liebäugelt, bräuchtet ihr, von meiner Sicht und Zuneigung zu flugs zauberhaft auf­leuchtend-heraus­pur­zelnden Satz-, erneut Zeug beugenden Wort-Folgen her, gerade-weg s! — tss, ts ts — usw. — nicht weiter­lesen, am Ende zaudernd — noch — als bis hier.)

Wuhujjujujuu … isn’t life bju-ti-fuuul!? Jay!

In “The Butter Battle Book” von 1984 greift Seuss das Thema Rüs­tungs­wett­lauf im Kontext der Ost-West-Block­kon­fron­ta­tion und die diese bis heute über­dau­ernde Strategie der Mutual Assured Destruc­tion (MAD) — der gegen­sei­tig zuge­sicher­ten Ver­nich­tung — auf, in Reim­form, für Kinder.

Es endet mit dem sowohl für “Yooks” (those who eat their bread with the butter side up) als auch “Zooks” (who eat their bread with the butter side down) auf beiden Seiten einer langen, gewun­de­nen Mauer auf­ge­stell­ten kleinen roten “Bitsy Big-Boy Boome­roo” und dem Dialog: “Who's gonna drop it? Will you or will he?” — “Be patient. We'll see. We will see ...”

Sein bevor­zug­ter Stil für Gedichte wird anapestic tetra­meter — Ana­päs­ti­scher Tetra­meter oder reverse dactyl — Umge­kehr­ter Daktylus genannt, von alters her.

Das eingangs auf­ge­führte Zitat ist die erste gedruckte Quelle für das Wort ‘Nerd’ (im Engli­schen) wenn auch nicht im heute üblichen, ein­ge­deutsch­ten Kontext.

Im März 2021 haben die Dr. Seuss Enter­pri­ses, die Rech­te­in­haber an den meisten seiner Werke, ange­kün­digt, dass sie sechs seiner Bücher nicht mehr verlegen oder lizen­zie­ren werden, darunter “If I Ran the Zoo” und “… Mulberry Street” weil diese rassis­ti­sche und taktlose Bilder enthielten.

Today, on Dr. Seuss’s Birthday, Dr. Seuss Enter­pri­ses celebrates reading [sic!] and also our mission of suppor­ting [sic!] all children and families [sic!] with messages of hope, inspi­ra­tion, inclusion [sic!], and friendship.

We are committed to action [sic!]. […]

These books portray people in ways that are hurtful and wrong.

Ceasing sales of these books is only part of our commit­ment [sic!] and our broader plan [sic!] to ensure Dr. Seuss Enter­pri­ses’s catalog represents [sic!] and supports all com­mu­ni­ties [sic!] and families.”

Aus: Statement from Dr. Seuss Enterprises, March 2, 2021.

Zu meinen pene­tran­ten, aber nicht will­kür­lich gesetzten ‚Beachte!‘- Anmer­kungen: Was ist der originäre Zweck einer Buch-Ver­wer­tungs­gesell­schaft? Was ist mit den Kindern und Familien, die sich aller Warnungen vor dem his­to­ri­schen „schä­di­gend[en] und falsch[en]“ gra­phi­schen Stoff zum Trotz selber ein Bild machen wollen?

Um wessen oder welche „Inklu­sion“ war da nicht obenschon einmal etwas dazu,bei der Jugend des Segelns,der Ham­burger? geht es, um welchen Preis und wer war über­haupt vom Lesen aus­ge­schlos­sen, bisher? Wer wird in Zukunft aus­ge­schlos­sen sein? Wer bekommt welche Rolle wenn das so weitergeht? (Es ist wichtig diese Fragen explizit zu beantworten.)

Wieso geht es plötzlich um die Reprä­sen­ta­tion aller Gemein­schaf­ten — in einem (!) Kin­der­buch — oder einem Katalog von Kin­der­bü­chern eines (!) Autors — und nicht mehr um möglichst viele einzelne Leser für ein, im Fall von “Mul­berry St.” 85 Jahre altes Buch, das ist wie es ist und wohl immer noch ver­käuf­lich, also von gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­den — und diese damit verbin­den­dem — Interesse sein könnte? Was ist der „umfas­sen­dere Plan“? (Hab ich mir nicht aus­ge­dacht, steht da, in der welt­öf­fent­lichen Mittei­lung eines Kin­der­buch­he­raus­ge­bers, einfach übersetzt.)

Denkt daran, dass Kin­der­bü­cher in der Regel die ersten Bücher sind, die wir einem Menschen geben und, dass eine Kultur von den­je­ni­gen lebt, die sie wei­ter­tragen und denen, die das Über­lie­ferte auf­nehmen.

Über die auf­se­hen­er­re­gende Kon­tro­verse darüber gibt es eine Pod­cast-Epi­sode von James Lindsay unter dem Titel “Aufheben der Dr. Seuss” sowie ein Ver­tei­di­gungs­ge­dicht von Bret Wein­stein: “Let loose the Seuss!„Lasst den Seuss los!“

Von ihm selbst gibt es, schon 1957: “How the Grinch Stole Christmas!

The Grinch is a bitter, grouchy creature with a heart ‘two sizes too small’ who lives in a cave on Mount Crumpit, a steep mountain just north of Whoville, home of the cheerful and warm­hearted Whos.”

Der Grinch [Spiel­ver­der­ber; Mies­ma­cher] ist eine bittere, gries­grä­mige [grantige; nörg­le­ri­sche] Kreatur mit einem Herzen ‚zwei Größen zu klein‘ der in einer Höhle auf dem Berg Crumpit lebt, ein steiler [schroffer] Berg gerade nördlich von Werstadt [Wel­cher­stadt], Heimat der fröh­li­chen [heiteren; lusti­gen; froh­ge­mu­ten] und warm­her­zi­gen Welchers [Wers?].“

Zum steilen Mt. Crumpit: crump ist das Geräusch einer ge­dämpf­ten Explosion oder der gesund­heit­li­che Nie­der­gang und pit ist eine Grube; to crumple ist zer­knit­tern oder ver­krum­peln und ein crumpet ist ein gekrin­gel­ter Hefe­ku­chen oder eine anzie­hende Frau, der Verlockung für Leckermäuler nach unge­fähr ver­gleich­bar mit einem Sahne­schnittchen.

Hinweis:
(geboten)

Die Mütze, die die Schtroumpfs auf dem Kopf tragen, hat, im Übrigen bemerkt, auch eine ganz inte­res­sante Geschich­te. Eine Wen­dung davon ist die eines Frei­heits­sym­bols im Kontext der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion.

Muss ich da, im Kontext der KuFinen, noch­mal auf den Kon­trast zur Ges­chichte des Kutter­se­gelns ver­weisen, auch so bezüglich Selbst­be­stim­mung im sozia­len Wech­sel­spiel und Selbst­ironie?

Dem Wesen von Ufer­rand­be­rei­chen beziehungs­weise Unter­wasser­hin­der­nissen entsprechend, bedingt ein solches Unterfangen natürlich, dass wenigstens der Ku oder die KuFine (nix da ‚KuFüin‘ — warum nicht? — weil’s nicht klingt und irgendeine sich das halt mal ausgedacht hat, wahr­scheinlich wegen der ‚Schlumpfine‘ aus den Comics von Peyo— die ja eigentlich «Schtroumpfette» heißt aber Kuwärnun wirklich nicht gegangen und die anderen es lustig und treffend genug fanden um es zu tradieren) also der oder dem, die, der sich spätestens dann klar zwischen ‚delegieren und hoffen‘ oder ‚selber machen und auch hoffen, aber etwas gelassener‘ entscheiden muss, eine einigermaßen zutreffende Vorstellung von der im tief­grau­-schlick­braunen Wasser verborgenen und sich in laufender Änderung befindlichen Morphologie Oberflächengestalt, hier des Erdkörpers und zwar im Verhältnis zu Bootsrumpf, Schwert­führung, lokaler Strö­mungs­ge­schwin­dig­keit und -richtung sowie momentanem Kurs durchs Wasser, Fahrt durchs Wasser, Windabdrift und Manövrier­fä­hig­keit, sowie gegebenenfalls Leistungs­re­serven, wenn da welche sind die man nicht nur aus Höflichkeit so nennen mag, hat und der Rest gegebenenfalls in der Lage ist, die bei rascher Annäherung an eine ernst zu nehmende, vielleicht gerade erst erkannte Grenze not­wen­di­ger­weise schnell bis sehr schnell gegebenen Kommandos auszuführen oder sonstwie etwas Richtiges zu tun, um das gerade gefasste Vorhaben mehr als Ausweis gewachsener navigatorischer Fähigkeiten, denn als riskante — und vor allem völlig unnötige — Panne-Aktion betrachten zu dürfen.


Fortuna von Glückstadt und Seestermühe

nach fast ganz oben
zum zweitviertelanfang
an das dritte viertelende
an das ende des kapitels


In der Dele­ga­tions­variante einer solchen Spielszene das Gesamt­ge­schehen im Blick behalten zu müssen und dabei das naheliegende, statussichernde Ideal zu verfolgen, jederzeit in der Lage zu sein, dem Typen oder der Ische, die da ausweislich ihrer schwächeren Arm-, Bein- und Rücken­muskeln unvermittelt ans Ruder geraten ist und als einzige freie Sicht nach vorne hat, sagen zu können wie es weitergeht und, dass sie oder er das schon hinkriegen würden, auch wenn’s das erste Mal ist, in so einer Situation, während man selbst mit dem Blick nach achtern auf einer der Duchten sitzt, die Füße neben den Hintern des nächsten gestemmt, und drei Meter zwanzig, nunmehr verleimtes und lackiertes, im Bereich der Rundsel mit Leder und Kupfernägeln beschlagenes aber im Grunde seit locker viertausend Jahren konzeptionell unveränderten, ziemlich schweren Rundholzes mit dem flach zulaufenden, verbreiterten Ende im richtigen, nämlich in der Bewegung in drei Achsen jeweils passend zu verändernden Winkel so durchs Wasser zu ziehen hat, dass es mehr tut als nur ganz nett auszusehen, ist ein Umstand, der sowohl das räumlich-dynamische Vorstel­lungs­ver­mögen als auch die Konzentration auf wesentliche Vorgänge ungemein trainiert — außerdem eine rasche Auffassung, ein In-Beziehung-Setzen und laufendes Bewerten in fließenden Übergängen, nach situativ angepassten Handlungsschwellen — Wenn-das-passiert-musst-du-dann-ungefähr-das-tun/also-ansagen — Werten, eine schnelle Wortfindung auch und nicht zuletzt ein gewisses Rhythmusgefühl, im Zusammenhang mit Atmung, physischem wie psychischem Wohlbefinden, Gedankenfluss oder Bewusst­seins­strom, samt präsenz­be­dingten Hüpfern — Momenten der Stille — und Körper­spannung. Entschlusskraft und rasches Eingreifen — schneller als Denken und dennoch irgendwie bewusst (an-)gesteuert oder wenigstens nicht unkontrolliert ablaufend — nicht zu vergessen, wenn was ist. Also damit nichts passiert von dem man meint, es kontrollieren zu müssen.

Julie catch a rabbit by his hair
Julie fang ’n Kaninchen an seinem Haar
Come back stepping like to walk on air
Komm tretend zurück, wie auf Luft zu gehen
Get back home where you belong
Komm zurück nach Haus’, wo du hingehörst
And don’t you run off no more
Und wirst du nicht mehr weglaufen

Don’t hang your head and let the two time roll
Lasse deinen Kopf nicht hängen und rollen, das doppelte Spiel
Grass shack nailed to a pinewood floor
Grasbude, genagelt an einen Kiefernholz-Boden
Ask the time, baby, I don’t know
Frag die Zeit, Baby, ich weiss es nicht
Come back later, gonna let it show
Komm später zurück, wirst’s sehen lassen

I say row, Jimmy, row
Gonna get there? I don’t know
Seems a common way to go
Get down row,  row, row,  row, row

Ich sag’ pull, Jimmy, pull
Da ankomm’ wer’n? Ich weiss es nicht
Scheint ’n
gebräuchlicher Weg zu sein
Komm’ klar und pull,  pull, pull,  pull, pull


The king doth wake to-night, and takes his rouse,

Keeps wassail, and the swag­gering up­spring reels.”

William Shakespeare, “The Trage­die of Hamlet, Prince of Den­marke” in Mr. Wil­liam Shakes­peares Come­dies, Histo­ries, & Trage­dies […] (First Folio) Lon­don: […] Isaac Iag­gard, and Ed[ward] Blount, pub­lished 1623, written ca. 15991602, Act I, sce­ne iv. Cited from Wik­tio­nary (en): wake, Ety­mo­lo­gy 1, Verb, Mea­ning no. 8, April 2023.

Der König wacht; tut wachen zu Näch­ten, und nimmt sich rege; Erre­gung; Wecken …

Hält Gelage, und der hoch-schwan­kende; angeb-be­wegte Aufwuchs springt; wirbelt; torkelt …

Oh je, ist das komp­li­ziert.

So mehr­deutig und wie spie­lend, über einen Wort-Ursprung, ein Thema, seine Anklänge, schmei­chelnd, das Wesen fas­send, zwi­schen zwei Worten setzend mit einem Lächeln, den Pomp erken­nend … Und dabei so ein­fach im Klang beim Lesen, und gut.

(Ich wollt’s ja nur mal probieren. Und mir kam das Bei­spiel-Zitat für einen obso­leten Sinn von wake passend vor, an dieser Stelle.)

Weitere Über­setzungen von wake in jeweils ande­rem Sinne (Ety­mo­logie 3 hinter dem Link) sind übri­gens das Kiel­wasser; die Folge i.S.v. Raum hinter einem sich bewe­gen­den Objekt und so etwas wie die Spur im Wasser, die Unruhe, die ein Tier in Bewe­gung hinterlässt.


Aus: Row Jimmy. The Grateful Dead, Wake of the Flood, 1973. Text von Robert Hunter und Jerry Garcia. Meine Übersetzung. (Der Titel des Albums: Wecken; Erwachen; Wachen der Flut; Sog der Fluten) Hier Alive & Rolling im Oktober 1973, Fairgrounds Arena, Oklahoma City, Oklahoma, Amerika, Vereinigte Staaten. Miau.

Man könnte das natürlich, dem so freundlichen wie rauschhaft leichten, über winzige Momente des Unbestimmten mehrstimmig hüpfenden Fließen dieser wunderbaren Musik folgend und weiter in der Rolle aufgehend alles auch in geordneten theoretischen Überlegungen, fein säuberlich aufgezeichneten Skizzen — dann aber auch Berechnungen, aufge­schrie­benen Anweisungen, formellen Abwägungen mit Opera­tio­na­li­sierung der Risiken, Typisierung — oh und Kon­textu­a­li­sie­rung der möglichen Gewinne sowie der jeweils zu berück­sich­ti­genden Aufwen­dungen an allem möglichen überführen, um sich damit ausgestattet; ermächtigt empowered bewaffnet dann, schlagartig ernüchtert, im Vorfeld um wirklich informierten Konsens informed consent bemühen, alle einbe­ziehen, so wie sich einbeziehen oder integrativ inclusive verant­wort­lich responsible sicher safe vernünftig; besonnen sane irgendwo auf dem Trockenen, sauber Getrennten und stets lieber Abstand wahrenden vielleicht anfühlt … haben wir aber nicht gemacht. Knappe Beschreibung des Prinzips, dann wenn notwendig und Demonstration bei Gelegenheit, sowie Lernen aus Fehlern, immer wieder, das war der Weg.

Vergesst das Aufrechnen aller Vor- und Nachteile, genauso wie das Alles-Ex­pli­zit-Aus­han­deln­wollen, ihr kommt damit in Teufel’s Küche, ich sag’s euch, in die Hände von Erpressern oder unter den Bullshit­shower. Oder ganz einfach zu gar nichts mehr, also nichts irgendwie erfül­lendem, sprich: größerer Leere, Unzu­frie­denheit mit allem möglichen sowie zuneh­mender Entfremdung vonein­ander und den Dingen, die ihr tut.

Wenn das mit vielen Menschen an vielen Stellen zugleich passiert und dann noch frei fließende, schlecht greifbare Angst und frei fließende Aggression hinzu kommen oder sich einstellen, als Reaktion auf die seltsame Leere und Einsamkeit, habt ihr alle bekannten Voraus­setzungen für ein gesell­schaft­li­ches Höllen­küchen­ge­bräu beisammen: Eine soziale Massen­bildung oder Massen­formierung (engl. crowd formation or mass formation) sei es spontan oder gelenkt.

Ach so, Massenmedien und eine Erzählung, die ein zentrales Problem, eine zentrale Lösungs­stra­tegie dafür, kompetente Anführer zu der einen und Schuldige für uner­war­tete Schwie­rig­keiten zu der anderen Seite benennen, gehören noch dazu, dem Rezept, sozusagen. Die Stimme, die es immer wieder vorträgt, beschwört soll noch sehr wichtig sein. Man könnte das Ergebnis, je nach Tiefe und Ausmaß, auch Massenwahn nennen.

Und ja, das ist unheimlich. Gerade in der Moderne, der doch eigentlich von Vernunft geleiteten, aufgeklärten Zeit, in der man sich gerade noch wähnt. Das Schlimme ist: Die Vernunft ist dabei nicht weg, sie hat nur so etwas wie Scheu­klappen bekommen und eine Ausrichtung, die nicht mehr rational diskutierbar ist. Schaut auf die Blicke der Menschen, die in so etwas drinhängen.


Kein gutes Rezept


Es geht dabei, zumindest im Kern, bei dem was es zusammenhält und mächtig macht, nicht um schnöden Egoismus, irgendwelche Räuber, ihre Gelegenheiten und gewöhnliche Korruption, sondern um das Gegenteil: radikalen Altruismus, Gemeinsinn bis hin zur Selbstaufgabe der Einzelnen und Selbst­zer­stö­rung des Ganzen, mit ritualisiertem Handeln unter Wegfall oder Zurückstellung des Mitgefühls; symbolischen Akten in Hinblick auf höchste, heilige Ziele, mit Hilfe einer unbarm­her­zigen Vernunft. „Eiskalt und blitzschnell“ für gesell­schaft­liche Maßstäbe.

(Der letzte Satz entspricht einer Vermutung und das Zitat darin ist von Sebastian Haffner, 1978, welcher damit seinerseits einen Anführer einer Massenbewegung zitiert, es einer von dessen irrationalsten Entscheidungen zuordnet, und nur ein ganz bisschen aus dem Kontext gezogen, hier eingefügt aus einem Gefühl der Stimmigkeit heraus. Das Gegenteil wäre ‚warmherzig und kriechend langsam‘. Dazwischen läge irgendwo ‚nüch­tern-mitfüh­lend und maßvoll‘ oder ‚wohl­tem­pe­riert verhält­nis­mäßig‘.)

Es gibt aber auch welche, die meinen, auf diese Weise, also dem ständigen, konsequenten Aufrechnen und Aushandeln, erst zu einem umfassenden, hinreichend viele ergreifenden Bewusstsein von vermeidbaren Missständen und dann zu einer großen, alles erfassenden gesellschaftlichen Krise und darin Reinigung vom Übel, allgemeiner Aufklärung (nix Himmel, nix Hölle, nichts als Vernunft) und dauerhafter Wandlung zum Besseren zu kommen.

In Hinblick auf den heiteren, leichtfüßigen Kontext hier, zu welchem ich, wenn Sie erlauben, zurück führen möchte, gebe ich zu bedenken, dass Großzügigkeit und Vertrauen zu denunzieren und durch ihr jeweiliges Gegenteil zu ersetzen, um diese als neue Tugenden dann ritualhaft mit Regeln, Bilanzen und rücksichtsloser Kritik zu umgeben, keine gute Idee ist, wenn man gemeinsam noch was vorhat. Oder sich überhaupt erst einmal zusammenfinden will.

Vorschuss geben, annehmen und Dinge gut sein lassen sind immer dabei. Und helfen nebenbei auch, nicht in andauernder Nabelschau und dem Blick auf das Unperfekte zu verharren, denn das ist niemals weit entfernt, meiner Erfahrung nach, wenn man nur genug sucht. Geteilte, spontane und sinnlose — nicht einem bestimmten Zweck unterworfene — Freude kann überaus hilfreich sein.

(Wie kommt man zu spontaner, sinnloser Freude, wenn man damit den Zweck verfolgt, wech­sel­sei­tiges Vertrauen und Großzügigkeit zu fördern? Tja. Wenn nix als Vernunft: hier Ende. Anderes versuchen.)


Die Guten, die Bösen und die gemeinen Umstände


Noch einmal zu den Unter­wasser­ver­hin­der­nissen in Ufernähe und dem Wissen um die relevanten Verhältnisse im Nahbereich von Stacks, sowie der Tugend des Plänemachens: In der Seekarte, bezie­hungs­weise dem so altmodischen, wie handlichen und hübsch illustrierten Gewäs­ser­karten-Atlas, der zerrupft, in halbwegs spritz­wasser­ge­schützer Form im Ordner in der oberen A-piek bereit liegt und sowieso einen zu kleinen Maßstab für solche Details hat und, wenn er/sie einen größeren Maßstab hätte, auch zurasch veralten würde steht nichts hilfreiches hierzu, nachgucken lohnt nicht. In irgendeinem gängigen Lehrbuch oder dem mythisch verklärten BR-Schein-Kursus Sportboot­führerschein Bfür Revierfahrt des Deutschen Segler-Ver­ban­ds, dem Vorläufer des heutigenamtlichen Sport­küs­ten­schif­fer­scheines kam’s damals auch nicht vor (und es würde mich sehr wundern, wenn das heute anders wäre).

Aber normale Sportschiffer machen sowas ja auch nicht. Außer die alten Hasen von der Elbe, die noch wissen, warum hier früher Schwertboote hoch im Kurs standen und wie man auch mit schweren Stahl­jollen­kreuzern ohne viel Racing-Pipapo Regatten gewinnt. Es gibt da, außerhalb dieses gewissen, aber leider stark schwankenden etwas, das schon noch geht, neben dem Tonnenstrich nämlich zwei Sorten von Menschen: Die einen haben eine noch nicht ganz durch­geholte Schwerttalje oder sonstige -hebevorrichtung und zwei so Leinen an der Pinne, die nach achtern, zum Ruderkopf und weiter nach unten führen, eine hinter und eine vor der Ruder­schwert­achse angeschlagen — und die anderen müssen buddeln.

Sollte eigentlich heißen: schieben. Oder um Hilfe schreien, wenn das Wasser am Kiel zu tief, das Boot zu groß und die Maschine dann doch nicht stark genug ist, oder der (Falt-)Propeller deren großzügig bemessene Leistung frustrie­ren­der­weise nicht in der dann ’mal wirklich benötigten Form ins Wasser übertragen kann. Zustand, dann an Bord seiender, ist der einschlägige Begriff dafür. Und der wird mit jeder Minute spannender, bei Ebbe, bis es sich dann irgendwann von alleine beruhigt und auf die Seite legt.

Hoffentlich die richtige.

Aber auch auf einem Schwertboot mit gerade mal fünfzig Zentimeter tiefgehendem Rumpf samt durch­laufendem Kiel ohne Absätze, der dank seines, nach klassischer und im Übrigen sehr gefälliger Linienführung ausgeformten Bauches auch trockenfallen kann ohne Zicken, Scham und Drama, kommt man sich, wenn man als Führer an der Pinne steht (nur der Übersicht halber) nicht allzu (er-)mächtig(-t) vor, wenn man ausschließlich die Schwachen auf Riemen gesetzt hat, vielleicht auch das Senk-Ei — das Ruderschwert — schon kommt — durch Grund­berüh­rung bei Fahrt voraus hochschwenkt — „Schnell, den Niederholer auf!“ Und Vorsichtan der Klemme, mit den Fingern, da ist Zug drauf! — was die Ruderwirkung verringert, dafür aber die zur Ruder­bedienung aufzubringende Armkraft vervielfacht — und man so mit plötzlichem human-nau­tisch-tech­ni­schem Handicap konfrontiert Wir sind nicht gehandicapt, wir werden behindert! Undich kann nichts dafür was uns passiert,wir alle sindOpfer der Umstände dann zusehen muss, JA, WIE DENN noch vor dem besagtem Stack wenn hier alle nur noch durcheinander reden das sich trotz tapfer und solidarisch mitallen benachteiligten Baugruppen der Gesamtheit des Boots­körpers,sowie dessen Besatzung und deren legitimer Führung den Abstand wahrender Kielschiene nicht gut mit teurem, im Winter mühsam und nass von Hand geschliffenen und mehrfach mehr oder minder fachgerecht inwieweit das mit zum Geschehen beigetragen hatwird jetzt untersucht werden müssen versiegeltem Mahagoni- und Eichenholz verträgt, nach Ansicht von Experten die Folgenlange hingenommener Missstände, diesich jetzt zum Leidwesen der in erster Linie Betroffenen oder sonst einem im tiefgrauen Schlamm­wasser verborgenen und, wenn es die Stein­schüttung schon nicht schafft, dann eben punktuellen, am besten noch gegen die Fahrtrichtung schräg­ste­hen­den, in grob fahrlässiger Weise von irgendwem hinter­las­senendie Verant­wort­lichen vernach­läs­sigen die Wasser­straßenin ihrer Zustän­dig­keitin nicht mehr hinnehm­barer Weisediese Zustände sindinakzeptabel, da werden Menschen gefährdet und das muessenendlich Konsequenzenein Aufschrei näher als 50 Zentimeter !!! an die Oberfläche heranragenden Hindernis irgendwie wieder dorthin zu kommen, wo die nächsten Sekunden bis Minuten ohne Desaster und ˜über˜flüssige˜ Verwirrung˜ abgehen würden und schließlich als eines dieser netten, kleinen, beiläufigen Abenteuer, die unter anderen Bedingungen auch ‚Ausbil­dungs­ein­heiten‘ ‚Beispiele post­modern-alltags­nah-imagi­nierter Real­satireoder gar ‚moral­philoso­phische Allegorien‘ heißen könnten, im Kielwasser zurück bliebe, mit beschleunigter Fahrt über Grund, in die richtige Richtung˜.


Lustig ist das Kuttervölkchen schon, vor allem bei der Team-Wettfahrt des Kutter-Circus.“

Aus: Joachim Müntzel: Segeln wie zu Kaisers Zeiten: Jugend­kutter sind wieder »in«. In: Die Yacht, Nr. 2, 20. Jan. 1977, S. 84.


Sich hinterher, wenn der ganze Zirkus schief ginge, hinzustellen und empört zu verkünden: „Ey, ich konnt’ ja nicht anders, so wie die Kurzen da unten gepullt haben“ hätte wohl niemanden auf den es dann angekommen wäre, einschließlich der Kurzen selbst, die ja auch keine Galee­ren-Kreuz­fahrt mit einem selbst­herr­lichen Ge.-Oh. Großen Organisator gebucht hatten, überzeugt, dass da der Richtige weiter die Kom­man­dos geben wollte. Eher im Gegenteil. Also: Weiter­pullen. ˜Selber˜ so, dass die anderen auch weiter pullen. Dem, was geht, folgen und gleichzeitig führen, aufmerksam und mit ein bisschen Respekt vor dem Unbe­kannten, rasch veränderlichen.



Und Lucky-Town, im Sinne von happy und erschöpft unter, natürlich auch dann noch korrekt gebautem Persi im funzeligen aber warmen Schein der Petro’s, nach der im Zweifelsfall nach Gehör zu würzenden Backschaft noch ein bisschen zusam­men­sitzen oder schon neben­ein­ander, an die Spanten und diese Teile an der Bordwand, für die ich keinen Namen weiss, die aber immer im Weg sind, mit den großen, kalten Winkeleisen daran, den Schwertkasten oder die Cock­pit­seiten­wände gekuschelt, in der Poofe liegen; der Ort unter dem Tanz der Glücksgöttin, konnte echt weit sein, in welchem nass­kalten Schlickloch der indus­tria­li­sierten, lange schon künstlich vertieften, eingedeichten und dicht mit Normen belegten, durch­kilo­me­trierten, abgegrenzten, ausgetonnten und radaüber­wachten (Groß-)Schiff­fahrts­straße auch immer das lag, am jeweiligen Wochenende.

Seestermühe war schön, fand ich. Irgendwie gut gelegen, die Einfahrt nur einen Moment zu sehen, von der Pagensander Nebenelbe aus und sehr leicht daran vorbei zu fahren. Eine von diesen Einfahrten, mit ein oder zwei Priggen, wo du eindrehst, gerade noch in Action, Wind, Strom, Anspannung, Manöver — und dann plötzlich Ruhe, leichtes Ausgleiten, ein bisschen Segel-hin-und-her-Flappen, -Schlappen und du könntest genauso gut aussteigen und dein Boot samt Mannschaft an der Hand hinein führen.

Was war in Seestermühe? Nichts, außer ein kleiner Hafenpriel, irgendwas zum Festmachen, ein Deich und ein paar Bäume mit ein bisschen Gestrüpp, mit Blick auf Pagensand. Und es fuhr so gut wie kein anderer dorthin. Warum auch? Aber irgendwann muss es mal ein richtiger kleiner Bauernhafen gewesen sein, später mit einigen Yachten vielleicht.

Irgendwo fuhr eine PETER VON SEESTERMÜHE herum, Yawl glaube ich, und Jens Peter Burmester, der einzige von dem ich weiss, der je ein Buch über das Fahrtensegeln mit einem Jollenkreuzer geschrieben hat und in dessen Erzählungen sich einiges von dem was ich hier zu beschreiben versuche wiederspiegelt, auch so vom Lebensgefühl her, hatte sich dort 1985, Ende Oktober, nachts und bei Hundewetter, nass und hart, in seine schon damals reichlich betagte INSEL verliebt, aber das ist eine andere Geschichte.


Zum schwert­boot­ty­pi­schen Kult um korrekt gebaute Per­sen­ninge, dessen über­zeug­ter Anhä­nger ich bin:

Es gibt Stan­dards, über die ver­han­delt man nicht oder nur sehr un­gerne, wenn man weiss, was die hand­ge­mach­ten Dinger kosten, wie auf­wändig es ist, sie pass­ge­nau anzu­fer­ti­gen, aus geeignetem, nämlich auch nass weg­stau­taug­li­chem robus­ten, schönen und zum darunter Wohnen ange­neh­men Mate­rial und wie es ist, bei Dau­er­re­gen unter einem flächig durch­sif­fen­den, weil durch jahre­lan­gen nach­läs­si­gen Aufbau — „Ist doch egal, Mann!“ — aus­ge­latsch­tem Persi zu sitzen und darü­ber nach­zu­sinnen, ob Schlafen in einer nassen Poofe jetzt wirklich so schlimm wäre wie man immer dachte.

Oder 320 km vom Blick in die Bilge ent­fernt im Warmen und Trockenen zu sitzen und darü­ber nach­zu­den­ken, ob der Sturm wohl stark genug war, seinem Re­gen einen Weg in das Cock­pit zu öffnen und wie­viel einem der außen­seitig wasser­dicht ver­sie­gelte, innen aber wie eh und je auf­quel­lende und wieder schrump­fende hölzerne Jollen­kreu­zer­rumpf noch ver­zei­hen mag.

Und Leute, die Dinge, mit denen sie Leben, vielleicht sogar solche für schöne Momente, so behan­deln, als bedeu­te­ten sie nichts, und erklä­ren, wie sehr ihnen an anderen Menschen oder großen Prin­zi­pien liegt, sind mir unheimlich.

Geist im Schlepp


Außer man versuchte „sich einen Schlepp zu angeln“ durch symbolisches Schwenken eines Tampens — das Ende eines Taues, das so aussieht als könnte es gleich zur Schlepp­leine werden — was aber als hart an der Grenze zur Unan­stän­dig­keit galt. Eine Generation früher hätte man wohl noch ohne zu zögern gesagt: ‚unsportlich‘. Im Rückblick denke ich: Richtig so, denn es nahm Kraft und Schönheit aus dem Spiel. Man machte das eigentlich nur, wenn es nicht anders ging, jedenfalls nicht im gesteckten Rahmen. Unsportlich sein konnte man vielleicht in der Schule, aber nicht draußen auf der Elbe. Außerdem hatten die potentiellen Schlepps meist auch besseres zu tun, als sich 1,5 Tonnen plus 8 Nasen Extra-Ballast anzulachen. Und sich einen Öttel einen Motor ans Boot zu hängen, das ging ja wohl gar nicht, schon mal rein vom Stil her, das war was für Dickschiffer. Und die sozial­pä­da­go­gisch jugend-aus­bil­dungs-und-beschäf­ti­gungs­förderlich bewegten Boots­bau­werker von der engeren, noch weiter übertieften und schneller strömenden Unterweser, mit den vielen Wind­ab­deckungen und wenigen verbliebenen Flach­wasser­bereichen, wie ich später grummelnd zuzugeben lernen musste. Aber nüchtern betrachtet hat es dort auch nicht funktioniert, nicht mal halb so gut, trotz des schönen, schnellen und form­ver­leimten Bootes.




Eine der sportlich wie drama­turgisch jämmer­lichsten Szenen, die ich je gesehen habe, spielt vor der Kulisse einer traditions­reichen, volks­fest­artigen Veranstaltung im bremischen Vegesack, mit Jugend­wander­kuttern besetzt mit erwachsenen Männern, die nach großer Ankündigung, mit Programm, Ansage über Lautsprecher und allem, unter Motor zur Startlinie einer Ruder­regatta laufen, diesen im Moment des Start-Honkens aus- und sofort nach dem Durchlaufen der kaum fünf Minuten oder so entfernten Ziellinie wieder anschalten und dafür mit Applaus und vom örtlichen Premium-Hotelier gestifteten Suppenessen, zur Stärkung, geehrt werden. Hinterher hatte sich noch einer der Organisatoren beklagt, dass sie bei einem der Boote vorher noch die Masten selber legen und von Bord tragen mussten, um überhaupt sportlich rudern zu können.

Ich fand und finde da ja doch, bei aller grund­liberalen Überzeugung von „jedem Tierchen sein Plaisirchen“ zumal im Sport und damit immer noch Spiel, dass man es irgendwann auch lassen kann und zugeben, dass man lieber irgendwas alters­gerech­teres im behäbigsten Sinne dieses bereits vom Klang her eine lähmende Trägheit vermittelnden Adjektives machen würde. ‚Jugend­gerecht‘ klingt noch ein bisschen anders, ist aber auch nicht besser. Ungefähr so wie ‚kindgerecht‘ in meiner Wahrnehmung. Als ob da irgendwas dranhinge, was von vornherein die Energie absaugt und alles, Jung und Alt, mit einem sanft-grau­sam-domi­nan­ten Grau­schleier überzieht. „Es ist doch nur weil die …“ Genau, die da unten, nur wegen denen, müssen wir alle … aber das macht denen doch gar nichts, nur so ein bisschen …

Dickschiff‘ meinte unter anderem das, wo ich von der seglerischen Seite her herkam: Vater’s Boot zum Familiensegeln, in dem Fall seit langem schon an die wesentlich angenehmere, praktisch tidenfreie Westliche Ostsee verlegt und solide hilfs­motorisiert, mit einem marinisierten Mercedes-Benz OM Oelmotor 636, den irgendwann sicher zu bedienen und in sehr dringenden Momenten auch rasch wieder in Gang bringen zu können zu den Dingen gehörte, auf die ich eigentlich nicht wenig Stolz war. Jahre nachdem mir das stählerne Ding-Tier, in seiner damals riesigen Kielhöhle aus 4 mm starkem, grau lackierten Finkenwerder Schiff­bau­stahl, noch ohne schützende, der Suche nach Normalität Halt gebende Bodenbretter darüber, bei seinem ersten Probelauf, in der Vereinshalle so viel Angst eingejagt hatte, dass mir nichts weiter einfiel als wegzulaufen, ungefähr soweit bis der Deich kam.


Sports­man­ship is an aspi­ra­tion or ethos that a sport or acti­vity will be enjoyed for its own sake. This is with proper con­si­de­ra­tion for fair­ness, ethics, respect, and a sense of fellow­ship with one's com­pe­ti­tors.”

Wikipedia (en), Sports­man­ship, Feb. 2023. M.Übs.:

Sport­lich­keit ist ein Bestre­ben oder Ethos, dass ein Sport oder eine Beschäf­ti­gung um ihrer selbst willen genos­sen [gerne getan] werden wird. Das ist mit ange­mes­se­ner Berück­sich­ti­gung für Fair­ness, Ethik, Respekt und einem Sinn von Kame­rad­schaft [Kol­le­gia­li­tät; Gesell­schaft] mit seinen Wett­be­wer­bern [Konkurrenten].“

Keine Ent­spre­chung in deut­scher Wiki­pe­dia für gängige Über­set­zun­gen Sports­geist; Sport­geist; Sport­lich­keit, auch nicht im Artikel zu Sport. Verweis aus o.g. engli­schen Artikel auf ent­spre­chen­den Artikel in Wikp.(de) führt auf Fairness, darin (Feb. 2023) nicht viel aber u.a.:

In Spiel und Sport bedeu­tet es, sich an die Spiel­re­geln zu halten und damit Anstand zu wahren und Gerech­tig­keit walten zu lassen.“

Hm. Wenn Regeln ein­ge­hal­ten, dann Anstand gewahrt. Und Gerech­tig­keit, walten lassen. Das ist Fairness.

Im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache steht zur Bedeutung von Sportsgeist:

durch den Sport geprägte Hal­tung, Ein­stel­lung, die sich durch Kame­rad­schaft­lich­keit, Fair­ness und Dis­zi­pli­niert­heit aus­zeichnet“

und dazu das Beispiel:

Denn Sport­geist ist das, was uns Anstren­gun­gen und Über­an­stren­gun­gen ver­ges­sen läßt durch das Ver­gnü­gen der Span­nung und durch die Genug­tu­ung, unsere Kraft zu messen.“

Heinrich Mann, in irgend­ei­nem Essay, Bd. 12 der Aus­ge­wähl­ten Werke in Ein­zel­aus­ga­ben, i.A. d. Dt. Akad. d. Künste zu Berlin hrsgg. v. Alfred Kan­to­ro­wicz. Berlin 1956. S. 226. Zit. n. Ber­lin-Bran­denb. Akad. d. Wis­sensch. (Hrsg.) Digit. Wör­terb. d. dt. Sprache, Sportsgeist, Feb. 2023.

Na also. Irgend­wann hatten wir das schon­mal drauf, mit der Ver­bin­dung von Körper, Geist und Gefühl. Zumin­dest die aus Lübeck, mit der ge­pfleg­ten Sprache, hattens.

Beachte, dass Mann von Span­nung schreibt, als Gegen­stand des Ver­gnü­gens. _Span­nung_ heißt, dass da etwas un­aus­ge­gli­che­nes, im Kontrast ste­hen­des ist und im Spiel gesucht wird. Also auch dann wenn man das gar nicht müsste, neben all den An­stren­gun­gen und Un­frei­hei­ten des Alltags. Nicht etwa dessen Gegen­teil.

Kraft zu messen bedeutet übrigens Unter­schiede zu bestim­men im Expe­ri­ment; zu sagen wer, im engeren Sinne auf Kör­per­kraft gese­hen, mehr und wer weniger Fähig­keit hat, etwas zu bewir­ken. Sport­lich ist es, wie ich mich hin­zu­zu­fü­gen ermäch­ti­ge, dem Ergebnis mit Respekt zu begeg­nen, bei­der­seits. Einer hat es geschafft stärker, besser zu sein; der andere hatte den Mut zu unter­lie­gen und anzu­er­ken­nen der Schlech­tere gewesen zu sein.

Wege, Dinge
und Menschen, Nebenwege


Eigentlich alles nichts so sehr besonderes. Nur ein Boot, seine Grenzen, seine Besatzung, im Fluss. Ein ständiges Jonglieren mit Aufmerksamkeit, vorläufigen Einschätzungen, physischen Größen, bekannten Umständen und Konzepten und stetiger Suche nach Abweichungen; Unsicherheit, Kontrolle, Aufgabe von Kontrolle — beobachten, einordnen, entscheiden, handeln, erneut beobachten; der Überlagerung von Handlungsebenen — Muster­er­ken­nung nicht zu vergessen, großartige Übung dafür — die weitere Wahrnehmungs- und Gefühlskulisse, das soziale Spiel, das immer mitläuft, mit Botschaften, Erinnerungen, Bedürfnissen und Wünschen, Erwartungen, Symbolen — die erwähnte Langeweile? Nicht in der Führungsrolle. Oder nur sehr selten. Spätestens beim Pullen: keine Langeweile mehr, ich glaube bei Niemandem. Rasch aber Blasen an den Händen, später dann ein bisschen Hornhaut.

Auch kein großer Plan dabei, keine vorgefasste Bedeutung, keine komplizierte Partitur, mehr so ein sich einstellender Ablauf, den einzelnen Szenen, sinnvoll abgrenzbaren Handlungs­sequenzen unterliegend — Notwendigkeiten folgend, ebenso wie Freiheiten — frei gewählten Wegen, die wiederum Notwendigkeiten nach sich ziehen; Aufgaben, die Freiheiten in sich bergen — Subtext vielleicht, kein großes Vorhaben. Nur das Irgendwo-Hinwollen, mit einem etwas altmodischen Wasserfahrzeug.




Für das, was ich im vorletzten Satz beschreibe, gibt es in der Tanzwelt den englischen Begriff underscore: ein dem Geschehen unter­liegender Ablauf, wie eine begleitende musikalische Partitur, nicht im strengen Sinne präskriptiv (die Handlungen vorschreibend) aber auch nicht rein deskriptiv (beschreibend was ist).

Typographisch der Unterstrich, die Unterstreichung von etwas, das es Wert ist _besonders_ betont zu werden, ohne es Fett hervorzuheben oder in seiner Gestalt zu verzerren.

Im Tanz eine Art subtiler Erinnerung an das was gut geht, sein könnte; was es, der verbreiteten Erfahrung vieler Menschen aus vielen Tänzen, mit viel Raum für Improvisation, spontane Verbindung und offene Fragen, Geschichten, die man nicht alle verstehen muss, bei deren Gestaltung, Komposition wie Beobachtung, Lesung man jedoch spüren kann, dass es Wert ist, sein könnte ihnen nachzugehen, was es, der verbreiteten Erfahrung vieler Menschen nach, über die vielen, vielen Einzelheiten und den Rahmen hinaus ausmacht, wenn es gut geht, das Ganze. (Was auch immer gut hinterher ausgezeichnet haben mag.)

Ein Subtext (wörtlich ‚Unter-Text‘ ‚Unter-Gewebe‘) wenn man Text im weiteren Sinne als nicht auf Schrift­sprache beschränkt begreift.

Duden-Text zur Bedeutung von ‚Text‘ im Februar 2023: „1. a) [schriftlich fixierte] im Wortlaut festgelegte, inhaltlich zusam­men­hän­gende Folge von Aussagen“ (eckige Klammer im Original). Des weiteren zur Herkunft: „spät­mit­tel­hoch­deutsch text < spät­lateinisch textus = Inhalt, Text, eigentlich = Gewebe der Rede < lateinisch textus = Gewebe, zu: textum, 2. Partizip von: texere = weben, flechten; kunstvoll zusam­men­fügen“. Das Zeichen ‚<‘ steht dabei für „bedeu­tungs­gleiche Entlehnung aus“.

Mata Hari (18761917) auf der dekorativen Holz­schliff-Papp-Post­karte, die mir kurz vor Weihnachten im Kaufhaus aufgefallen ist und seit Januar auf dem Regal, gegenüber meinem Schreibtisch steht: „Der Tanz ist ein Gedicht und jede seiner Bewegungen ist ein Wort.“

Beachte dazu auch die Postkartenserie von Lucien Walery von 1906, unmittelbar über der Sprungstelle dieses Hyperlinks. Bei dem Link davor außerdem die Warnung auf Wikimedia Commons vor einem Bild, that “depicts one or more actual human beings engaged in sexually explicit conduct” (conduct engl. für Verhalten; Benehmen; Gebaren).

   Yeah, an actual human being, artistical skillfully depicted 117 years ago, in a role in accor­dance with traditions, more sound than any stupid american lawmaker and older than any written legal system what­so­ever. (Ein wahres mensch­liches Wesen, vor 117 Jahren, künstlerisch gekonnt bildlich dargestellt in einer Rolle, im Einklang stehend mit Traditionen, mehr standfest [tief; heil; vernünftig] als irgend­eine dumme amerikanische, an der Gesetz­gebung beteiligte Person und älter als irgendein geschriebenes Rechts­system überhaupt.) Pay some respect, freakin’ illiterates around!


Einfach gerade­aus gehen.


Absurd, das so auszuschreiben, in all den Einzelheiten und Über­trei­bun­gen, assoziativ hinein­ge­floch­te­nen Diskurs­frag­men­ten? Am Eigentlichen, dem für die Menschheit (darunter machen wir’s nicht) die Erde oder wenigstens doch das eigene Leben Wichtigen, den wirklich großen Fragen und Geschichten, ernst zu nehmenden Dramen; Hoffnungen, Leiden und Not­wen­dig­kei­ten der wirklichen Welt vorbei? Oder nur den ganzen Kitsch und die Tristesse des Nachspielens anderer Leute Dramen absinken lassend, wie einen Haufen treibendes Seegras am leicht angeholten Ruderschwert? In dem Moment jedenfalls war es wichtig, fraglos, nach­voll­ziehbar und einfach. So einfach wie ein Lachen.




Erinnert irgendjemand das Lachen?

Über das Gezänk um eine Treppe eine zum Heiligtum erklärten Steilküste hinauf? Die Bewegung des Wassers, wenn man versuchte es mit der Hand zu greifen, oder die nach hundert geschei­terten Versuchen irgendwie erlangte Fähigkeit aufrecht zu gehen?

„… lachst über Hunde und deine eigenen Zehen. Du bleibst, kaum kannst du laufen, alle zwei Meter stehen …“ Aber mit der Zeit geht das vorbei, wenn man nichts hat jedenfalls, was einen daran erinnert, dass wahrscheinlich alle es einmal gut fanden, einfach so und ohne es als etwas auf eine mögliche, möglichst ferne Zukunft von etwas Über­mens­chen­lebens­großen hin gerichtet nützliches zu rechtfertigen.

(Ka­me

run)



Übrigens, das was wir und viele vor uns, sowie deutlich weniger werdende nach uns da auf der Unter- oder, in ganz traditionell, Niederelbe gemacht haben heißt auf Englisch Gunkholing— ‚Schlick­löche­ring‘ könnte man sagen. Oder, wie ich gerade gelernt habe, angeblich auch creek crawling — in unserem Sinne also ‚Ästuar-Herum­kriechen‘ oder soviel wie ‚in Flussarmen umherkrabbeln‘.


Ich hab nix zu tun
mit der Umklam­me­rung von Kamerun.

Ich trank eine Cola und acht Bier,
bin kolla­bier…
die Füchsin auf dem Rück­sitz —
is’ gut, aber nich’ von mir.

Ich war auf dem Kongress für unreine Reime, da hat es mir sehr gut gefallen.

Und ich rief: Palmöl
aus Malmö!
Ich will Palmöl aus Malmö,
traurige Trau­ringe.

Ich fand,
langer Radstand ist Stan­dard
 — Rummsdi-Bummsdi.

Aus: Rainald Grebe „Kongress für unreine Reime“ in: „Rainald Grebe - Das Elfenbeinkonzert 3sat­festival 2016“ ‚Kurt­Russel­Crowe‘ auf YouTube, 2017, Min. 18:2619:15.

Ein Abend am Rande des Wahn­sinns.“

(Undichhabs­erst­jetz­gecheckt, verdammt nochmal! Nach fünf Jahren!)

Spiegel gehen in Scherben,
Scherben bringen Glück.
Sammel sie auf und dann schreib was drauf und dann hol dir deine Geschichte zurück!

Und dann: Yin und Yang,
Kling und Klang,
sing und sang das Lied vom Zusammenhang.

Groß und Klein,
schlaf ruhig ein,
kannst sicher sein,
da ist ein Zusammenhang.

[…]

Ich tu kaltes Wasser
in einen Topf;
tu den Topf auf den Herd
bis das Wasser kocht:
Zusammenhang.
Zusammenhang.

Aus: Derselbe, Lied vom Zusam­men­hang. Min. 42:17 u. 43:31.

Kleinkunst?Große Kunst?Zusammenhang.

Love Clean love Green love Nature”

YouTube-Werbe-Ein­blen­dung vor Chris Connor, Baby the rain must fall, 22.12.2022.


Jugendliche Körperertüchtigung und Übung in selbstständigem Handeln um später seinen Platz in der Gesellschaft zum Wohle … Ruhm … Entwicklungsziele …“ „… einen selbst­bestimmten Freiraum schaffen jenseits der von Marktlogik bestimmten Normen der Mehr­heits­ge­sellschaft …“ „… Wissen über die Natur und ihre zunehmende Gefährdung vor dem Hintergrund der fort­schreitenden Industri­alisierung einer alten, bedrohten Kultur­landschaft …“ „… ein Zeichen s… …“ Bla. Kitsch. Grauenhaft.



Stackreiten — nicht zu verwechseln mit den Stagreitern, mit denen Stagsegel an ihrem jeweiligen Stag angeschlagen, also ihr Vorliek stabilisierend befestigt werden, wenn auch wahrscheinlich davon abgeleitet — hieß das mit der Suche nach Neerstrom hinter den Stacks und es konnte, gerade bei Wind und unter Segeln durchaus elegant aussehen und sowohl schnell als auch Spaß machen.

Insbesondere der oder die am Schwert(-fall) — der Leine, mit der man das immer noch aus einer dicken Stahlplatte bestehende Mittelschwert aufholthochzieht, übersetzt über zwei Dreifach-Blöcke, im Verhältnis von 1:8 — musste dafür auf Zack sein und gut gefrühstückt haben als auch der, die, egal, der den Besenschiften musste, also bei einer Wende, im richtigen Moment, wenn etwas Lose in die Schot und damit auch auf den lose, nur an einer Talje gefahrenen Segelhals kommt, das vordere, den Mast überlappende Ende der Rah, die wir nicht ganz korrekt ‚Spiere‘ nannten, am Mast vorbei auf die neue Leeseite zu ziehen hatte, was am besten gleichzeitig mit dem Schiften des Großsegels nach gleichem Muster passierte und das wiederum meistens der am Schwert machen sollte, so nebenbei, oder vielmehr: das Schwert machen, nur wenn nötig, dann aber schnell, neben dem an der Kreuz regelmäßigen Schiften, sowie dem Austrimmen, natürlich — und das irgend­wann auch in tänzerischer Leichtigkeit hinbekam — damit wir auf dem neuen Bug wieder Höhe laufen konnten und rasch Fahrt aufnahmen, wenn — so am Rande der hydro­topo­gra­phischen Ange­mes­sen­heit — das Schwert kam, oder vielmehr: es, anfangs nur durch leichtes Lose­kommen der Schwerttalje sichtbar und eine, mit feinem Gespür für ungewöhnliche Bewegungs­muster fühlbare, sich verstärkende Bremsung verraten, in zunehmender Zähigkeit eine tiefer werdende Spur im fetten Elb-Schlick zog, welche wahrscheinlich bereits schon wieder durch das nach­gebende Locker­sediment geschlossen und vergessene, nicht mehr auffindbare Geschichte sein würde, wenn sich der Kutter in der erneut an den drei Segeln in Gang gekommenen, im einander überlappenden Zusammen­wirken noch verstärkten Luft­strö­mung an Luv- und Lee- auf die neue Lee-Seite legte oder genauer: sich dem ergebenden Unterdruck hinter den Bäuchen seiner Segel zuneigte, dem Nebeneffekt der Ablenkung desdem Windes beugte — ninichtcht dradramamatitischsch, ganzganz sachsachtete aaberber klakrlar — und das am Bauch seindes Rumpfes verdrängte Wasser, an seindem geschwungenen Heck vorbei mit Anmut nach achtern entließ, in dieses zusam­men­laufende Kiel­wasser-Wellen­bild, das mir bei der Erinnerung wieder vor Augen kommt und welches die Motorboote nie hinkriegen werden, in ihrer aufwühlenden Ungeduld und dröhnenden Geradlinigkeit; was auch ein Jollenkreuzer mit seinem U-⁠Spant nicht kann …


Eine U-Spant­form ergibt einen Rumpf, der unge­fähr so aus­sieht: D (Bitte um 90° im Uhr­zei­ger­sinn gedreht vor­stel­len, wenn es aussieht wie ein normales ‚D‘) Bei vielen Jollen­typen ist die Form noch flacher, im Extrem­fall fast wie eine breite, lang­ge­zo­gene Schüs­sel, aus der unten ein Schwert, wie eine schlanke Platte heraus­kommt, die Wind­ab­drift zu ver­rin­gern bzw. Kraft nach Luv zu erzeu­gen, wenn man das braucht. Nahezu auf­recht bleiben sie, trotz ihres (ten­den­ziell insta­bil) über der Wasser­linie liegen­den Gewichts­schwer­punk­tes, weil bereits bei gerin­ger Krän­gung (Schräg­lage) der (ima­gi­näre) Schwer­punkt des vom Rumpf ver­dräng­ten Wassers weit nach Lee wan­dert. Breite Schüs­seln schwim­men auf­recht, auch mit kleinen Tieren und Zeug darin, bis sie um­geweht werden. Je extre­mer der U-Spant, desto weni­ger schwan­ken sie, aber umso härter schla­gen sie auf die Wellen. Bei fla­chem Wasser können sie nahe der Ober­fläche gleiten (weniger Wasser ver­drän­gen als sie wiegen und viel weniger Was­ser­wi­der­stand erfah­ren als sonst) wenn sie schnell genug bewegt werden; die Tiere was drauf haben, so­zu­sagen.


Dieses schwere, satte aber nicht zu träge Gefühl beim Einsetzen in die Wellen und am Ruder, beim Manövrieren unter vollen Segeln, wenn ein bisschen Zug drin ist; die Macht und Leichtigkeit, die eine gut eingespielte Crew bewirkt, wo die Dinge irgendwann wie von selber gehen, nur noch ab und zu etwas hakt, wieder klar gemacht wird, wie im Fluss. Wo es eigentlich alle können, so ziemlich, in jeder Position, zumindest seemännisch; das Boot einfach läuft. Du weißt genau welchen Winkel es braucht um loszufahren, schneller als andere noch, wo welche Linie und welche Wölbung im Verhältnis zueinander, zum Horizont, zur Kurslinie, zum Wind stehen sollte, könntest es nicht oder doch nicht gut beziffern, findest es aber auf Anhieb, wieder und wieder, sicher und einfach, über Stunden. Die an den Schoten und beim Austrimmen machen ihre Sache weitgehend von alleine, nur ab und an ein Zuruf und es ist, als würden eure Gedanken schon passend vorverknüpft ineinander laufen, in kleinen Duetten und Trios tanzen, auf kleine Gesten und gleichzeitige Beobachtungen hin passend aneinander binden und sich in logische Handlungs­ketten reihen; ein bisschen sogar wie als würdet ihr einen gemeinsamen Körper teilen, so ein Ding aus Mahagoniholz mit zwei Masten, zwei Rahen und tausend Einzelteilen, mindestens, die aufgehört haben zu erklärende Umstände zu sein und Möglichkeiten geworden sind, inmitten geteilter Wirklichkeit, im Spiel um Hingabe; Zuwendung und Ergebenheit.

Irgendwann wundert sich einer, dass du immer noch steuern kannst, die Erschöpfung, die Fehler nur langsam zunehmen, aber, dass es weiter gehen könnte, muss, darf, kann, steht nicht in Frage, nicht wirklich, so lange euch der Wind trägt. Dorthin, wo man irgendwann auch keinen Ehrgeiz und keinen Hafen mehr braucht, um sich wohl, aufgehoben und erfüllt zu fühlen.


Blick aus dem Cockpit der ENY VII ins Rigg, hoch am Wind unter vollen Segeln, irgendwo auf der Unterelbe im Frühjahr 1995.


Auf der letzten Sommertour, vor der denkwürdigen Regatta, welche an unserem letzten Wochenende war und von Wedel nach Cuxhaven ging, bei der meine Erinnerung an die eben beschriebene Szene ansetzt, haben wir zum Ende hin mal fünf Tage hinter­ein­ander die Nächte in wechselnden Buchten vor Anker verbracht, weil es nicht mehr wichtig war an Land zu kommen und Abstand voneinander nehmen zu können. Also nicht zu mehr als Wasser und Proviant holen, vielleicht noch Haarewaschen. Zu fünft immerhin noch, nur die Älteren allerdings (komisch, dass ich D-s. und D-t. dawie selbst­ver­ständ­lich zurechne, soalt waren die damals gar nicht)— die Jüngeren oder vielmehr: deren Mehrheit hatte am Ende der vorherigen Saison rebelliert, auf eigenen Wegen bestanden — weniger ‚Müsli‘, auch nicht unbedingt mehr ‚Alk‘, aber irgendwie mehr coolness, mehr mit den oder genauer einigen bestimmten anderen Kuttern und geringere Altersspanne an Bord, vielleicht auch etwas anderen Führungsstil nicht wahr, Trüffel?— und der gefundene Kompromiss war: die anstehenden Winterarbeiten noch gemeinsam und eine Saison mit zwei Mannschaften, zwei Sommertouren — wir haben das Boot dann in Kiel übernommen und sind hoch nach Skagen — die bekannten Küsten entlang und weiter, bis das Land zu Ende war, gewissermaßen. Ich glaube, die halb amüsierte, halb irritierte Frage „Seid ihr Wikinger?“ habe ich mehrmals gehört, in den Häfen, da wo Touristen vorbeikamen.


A ship that has to be bailed three times in two days is fit for any type of sea voyage.”

Von einer Erläu­te­rungs­tafel am Gokstad-Schiff aus dem späten 9. Jahr­hundert n.Chr., ausgestellt im Viking­skips­huset, Oslo, 1999.

Ein Schiff, das dreimal in zwei Tagen geöscht werden muss, ist geeignet für jede Art von Seereise.“


Habt ihr kein …“


Fünf war auch das vom Verein vorgegebene Minimum an Besat­zungs­stärke um Auslaufen zu dürfen. Acht galt als Optimum. Das Maximum, das ich einmal erlebt habe auf etwas, das zu einer ein bisschen aben­teu­er­lichen Nachtfahrt im Hamburger Hafen werden sollte, im Spätherbst, war vierzehn, bei immer noch 8,50 Meter Länge und 2,10 Meter Breite, in der Mitte, bei vielleicht einem Drei­viertel­meter umbauter Raumtiefe. Die Privatsphäre beschränkt sich da, auch wenn es nur Acht oder Neun sind, neben dem eigenen Körper und seiner Bekleidung (immerhin) im Wesentlichen auf den Inhalt des eigenen Zampels, die Wasch und den Schlafsack — die Poofe — so lange kein anderer darüber trümmerte, was aber, früher oder später, praktisch kaum zu vermeiden war.




Empfindliche Dinge, wie Bücher — zum Lesen kamen ohnehin die wenigsten und die Bücher sahen hinterher auch nicht mehr gut aus — und Photo-Apparate — Kleinbildformat, chemisch zu entwickeln, maximal 37 Bilder pro Film — hatten ein hartes Leben an Bord, die besten Chancen noch in der allen immer zugänglichen Wichtig-Tonne oder dem Wichtig-Tubber — das einzige was man im Zweifelsfalle bevorzugt retten würde, nach der Mannnschaft — die zwar auch immer irgendwo in der Nähe des Öschgangs— der Duchtenreihe zwischen Schwertkasten und Besanmast, wo beim segeln am ehesten Platz zum Öffnen der Bilge und Wasser ausschöpfen war — in der Haupt­trüm­mer­zone herumflog dies aber dank seiner robusten Konstruktion aus Polyethylen mit hoher Dichte ganz gut abkonnte. Gleiches, also eher hartes Leben an Bord, galt auch für persönliche Eitelkeiten sowie allzu große Schamgefühle. Was nicht heißt, dass da keine waren und da, wo es wirklich notwendig war, nicht auch verteidigt und respektiert wurden.

Es gab da mal einen, der beim Pinkeln auf See ziemlich viele freche bis gemeine Kommentare abbekam, das aber als alter Hase so mit Humor zu nehmen wusste, dass alle Beteiligten gesichts­wahrend aus der Situation — wo es echt nicht leicht gewesen sein dürfte, den entscheidenden Muskel zu entspannen — und einfach auch zu komisch aussah, so halb verdeckt vom Segel — wieder herauskamen. Säugetiere, spärlich behaart, auf schaukelnden Kisten, mit Salz­wasser­sprit­zern und so. Und die Mecklenburger Ausgleichs­küste aufkreuzen dauert, lange.

Ach so, ein Klo hatten wir nicht — ich hatte es eingangs kurz erwähnt — aber ein Rundselbord — der oberste Abschluss der Bordwände, mit den darin eingelassenen Rundseln aus Bronzeguss, wo die Riemen eingelegt wurden — aus locker 20 mm starkem Eichenholz, auf dessen abgerundeter Kante man ziemlich gut sitzen konnte, mit den Füßen auf der Sitzbank davor. Nicht für im Hafen, aber draußen halt. Die Heck­spiegel­kante war auch gut. Die, die da von Ferne hätten einem irgendwas abgucken können, zählten nicht, denn die waren ja nicht an Bord. Wenn welche in der Nähe waren, vor Anker oder wenn einfach keine Zeit mehr war um auf irgendein Publikum zu achten und da mal ein dummer Spruch gekommen wär’ hätten sie, wie ich mir im Falle unserer Mannschaft sicher bin, die passende Antwort kassiert, in gleicher Münze, postwendend und von allen unterschrieben. Am besten so, dass es sich noch im selben Moment umgekehrt hätte mit der Scham.


Das mit der Wichtig-Tonne war, wie mir ehrlich gerade das erste Mal auf­fällt, auch ein Sinn­bild für das, was wir in sozialer Hin­sicht mach­ten: Zu Reise­beginn alle ansonsten, gerade in der Groß­stadt immer gut gehü­teten persön­lichen Wert­sachen — Papiere, Geld, Schlüs­sel­bunde mit Maskott­chen, Kalender, Tage­bü­cher — wie selbst­ver­ständ­lich ab- und in einen gemein­sa­men Behälter (der sogar schwim­men konnte, aber gut ange­bun­den war) zu legen, welcher jedem an Bord offen­stand — natürlich nicht um sich frei zu bedie­nen aber seinen Teil aus dem wie von alleine inein­an­der pur­zeln­den Klum­patsch-Klin­gel­hau­fen zu nehmen — und von jedem geachtet und ver­tei­digt werden würde, auch wenn es drunter und drüber ginge.



Letzer Klogang, wenn das Boot klar war zum Auslaufen und nur noch die Leinen zu lösen, war eine schöne, so unmittelbar praktische wie gemein­schafts­stif­tende Tradition und gab einem gleichzeitig Gelegenheit für das Sammeln und sich locker Machen vor dem Auftritt sozusagen, dem Losfahren. Man merkte dabei auch gut wie die Stimmung war, wie viel oder wenig Lust auf das Geplante, das bei allem raum­greifenden Drum­herum am Ende immer noch den Kern des Ganzen darstellte, es gab und wie die möglichen sozialen Bruchlinien waren. Menschen neigen dazu, im Umgang mit ihren Ausscheidungen ihre soziale Nähe oder Distanz deutlich zu machen und ihr Selbst­ver­trauen, wie ihr Vertrauen den anderen gegenüber zu offenbaren, auch ohne viel darüber zu reden. Vielleicht ist das hier schon zu viel. Aber unwichtig war es nicht.


Zur Versor­gungs­lage (ange­knüpft an die unten erwähnte Tetra­pak-Saft­pappe in der Sonne): ’nen Kühl­schrank oder so hat­ten wir nicht, von wegen Luxus. Wir hat­ten ja grad’ mal ’ne alte Batti von ’ner Tanke für die Lala (die aber selt­sa­mer­weise immer ging, wenn sie sollte, auch ohne Ener­gie­bi­lanz und dau­ernd auf­la­den, nicht mal für Posis).

Navigations­be­leuch­tung war mit Petro­leum­la­ternen auf dem tech­ni­schen Stand der 1860er, vom Prinzip her, damals noch bedingt BSH-zuge­las­sen. Kos­mos­bren­ner, 10‴ (sprich: ‚zehnlinig‘, von Linie oder Ligne: Ein Zwölf­tel Pari­ser Zoll als Maß für Docht­breite; ‚Kosmos-‘ bezieht sich auf den Mar­ken­na­men eines be­stimm­ten, weit­ver­brei­te­ten Typus von Rund­bren­ner mit Vor­wär­mung der Ver­bren­nungs­luft) mit ent­spre­chen­dem Zylin­der und vor­ge­setz­ter Fres­nell-Linse, im un­hand­li­chen Stahl­blech­ge­häuse mit für bei­läu­fige Ver­bren­nun­gen wie „prä­de­sti­nier­tem“ Kamin­deckel aus Kup­fer­blech, anzu­brin­gen an halb­kar­da­ni­sche Lam­pen­halter, unge­fähr in der Größe von dem, wo andere Leute Ret­tungs­kra­gen oder so ein­hän­gen. Preis­lage für einen Satz der, trotz ordent­li­cher Feu­er­ver­zin­kung, weg­ros­ten­den Dinger so bei 1.500 DM, damals, also nur Heck- und Zwei­far­ben-Bug­la­terne, ohne Anker­licht. Von wegen Luxus.

Wir hatten die schon erwähnte Fress­kiste, eine einfa­che, selbst­ge­baute Holz­kiste, lose zwi­schen zwei Duch­ten im vor­de­ren Mittel­schiff ein­ge­passt, gegen­über der Geschi(rr­kiste), wo das Futter rein­kam, so es nicht bil­gen­taug­lich war, also in Weiß­blech­do­sen oder in einen der Weit­hälse (Rund­be­häl­ter aus Poly­ethy­len, die aber auch nicht wirk­lich was­ser­dicht sind) in einer der Backs­kis­ten ging — Müsli und so — oder gar Anrecht auf einen der super­pri­vi­legier­ten Stau­plätze in der O.A. hatte. Da wo auch die Bestec(kiste) hin­kam, gleich vorne an, weil: nervt sonst.

Kochen ging gut mit dem zwei­flam­migen Petro­leum­kocher mit einzig zuge­las­senem Stau­platz in der tritt­siche­ren U.A., Sys­tem Opti­mus-Regu­lier­bren­ner, mit inter­ner Reini­gungs­nadel, 2.500 W pro Flamme, wenn sauber ein­ge­stellt. „Einbau“ (an Bord stellen) und Brenn­stoff­la­ge­rung, anders als bei den heute üblichen Flüs­sig­gas­an­la­gen unpro­ble­ma­tisch, aber leider anfäl­lig für Fehl­be­die­nung, vor allem wenn Leute Angst vor Feuer oder einen Hang zur Grob­mo­to­rik haben. Vor­hei­zen mit Spi­ri­tus, nicht zu viel und nicht zu wenig so, dass das Petro­leum (oberhalb etwa 190°C) schon gas­förmig aus der Bren­ner­düse kommt. Wenn nicht genug vor­ge­heizt: Rußende Fackel­flam­me, nützt alles nichts, warten, ab­küh­len lassen.

Das Ding anzu­ma­chen ohne, dass der 2. KuFü, der sich da mal in einer langen Repa­ra­tur­ses­sion mit Hilfe von halb­grauer Fach­literatur in die Mes­sing-Ein­ge­weide rein­ge­fuchst hatte ’nen Fön kriegt war somit eine der ersten Sachen, die Neue an Bord zu lernen hatten.

n biss­chen auto­ri­tär der Typ? Ja was „keine Arme, keine Beine?“ Auch kein Back­ofen­auf­satz? „Keine Kekse!“ Repa­rier’ das Ding mal auf die Schnelle, ohne rich­ti­ges Licht, in so einem tech­nik­fres­sen­den Boots­rumpf voller halb­durch­näss­ter Tiere und ohne Kajüte, wenn alle, ein­schließ­lich deiner selbst, eigent­lich nur noch was warmes zu essen und in die Poofe wollen.

Oder gibt halt kalte Ravi’s mit But­ter­kek­sen, wie bei den Honks, angeb­lich. Aber das war unter Stan­dard. Immer Pommes picken und Pølser oder Pizza holen auch, abge­sehen vom Geld, kam nicht wirklich in Frage, jeden­falls nicht mit mir und den ande­ren, die genau das Gleiche such­ten. Das, was es an keiner Pom­mes­bude der Welt zu holen gibt. Und in einer Jugend­her­berge oder einem Lager mit ein­zel­nen Zelten an Land zu finden auch nicht.

Übrigens, Konser­ven sind gar nicht so furcht­bar lange halt­bar, im wech­sel­feuch­ten Brack- und Salz­was­ser­mi­lieu der Boots­bilge. Und Käse oder Remou mit aus­rei­chend Kon­ser­vie­rungs­stof­fen hat echt was für sich, unter den Bedin­gun­gen.

Man lernte das Wich­tige vom weni­ger Wich­ti­gen zu unter­schei­den und seine Ange­wohn­hei­ten zu über­prü­fen. War kein abso­lu­tes Muss, wir waren ja nicht beim Bund, machte die Sache aber leichter; ging besser zusam­men wenn alle da ein biss­chen beweg­lich waren mit ihrem jewei­li­gen muss, sollte und wär aber schon schön. „Ooh, können wir nicht doch mal wieder, ich hab so Bock auf …?“

Bei der besag­ten Som­mer­tour nach Rügen, welche zum Teil mit einer ziem­li­chen Hit­ze­pe­riode zusam­men­fiel haben wir, in dem Fall der 1. KuFü und ich, uns nach einigen Tagen mit nach und nach abneh­men­dem Zusatz an bis dahin beliebt gewe­se­nen Instant-Eis­tee-Zu­cker­krü­meln im geteil­ten Trink­be­cher (ohne Eis) irgend­wann ange­guckt und gegen­sei­tig zuge­stimmt „wie geil eigent­lich pures Wasser schmeckt“. Davon hatten wir 20 Liter an Bord, im Kanis­ter — Was­ser­ka­teng — für alle.

Ohne rich­ti­ges Licht“? Petro’s. Feuer­hand 276, Flach­bren­ner 5‴ am besten mit Sturm­kappe am Kamin (gibt’s nicht mehr) geht dann auch als Not-Posi oder (gedul­de­tes) Anker­licht. Haben auch die Dick­schif­fer des Häu­fi­ge­ren so gemacht, weil alles noch Glüh­fa­den­licht und wer wollte schon dau­ernd Moto­ren, nur wegen der Licht­ma­schine oder von Land­strom­an­schluss zu Land­strom­an­schluss tingeln? Ver­schleiß an Bord eines Jugend­kut­ters: So etwa eine pro Jahr, weg­ge­ros­tet oder drauf­ge­treten.

Die einzig wirk­lich halb­wegs helle Lampe bei uns an Bord, die schlag­stock­ar­tige mit den teuren, schwe­ren Mono-Zel­len, auch Glüh­fa­den (in Xenon-Atmos­phäre immer­hin) war Tabu für pro­fane Zwecke, die war für Ton­nen finden, Schlick­kan­ten suchen und Ein­fahr­ten aus­ma­chen bei der Nacht­navi­ga­tion und für Not­fälle.

Das war auch zu lernen, so neben­bei: Wenn du keine eigene Taschen­lampe hast, musst du es so finden. Ist eh besser, wegen Nacht­sicht­fähig­keit der Augen und immer betteln mit „kannst du mal …“ nervt. ’n eigener Elch und ’n Marle­pieks waren noch gut. Und ’ne Macht oder Fackel, für’n Kocher und die Latüchten.

Ansonsten mitzu­bringen, zur allge­mei­nen Ver­fü­gung: 1 Iso (Eva­zote bevor­zugt) 1 Mugg (Blech ist gut) 1 Ge­schirr­tuch. Ver­bo­ten: Koffer, Gestell­ruck­säcke und Meckern über jeman­den, der deinen Zampel tritt, außer wenn bös­wil­lig. Pri­vi­leg beim durchs Schiff laufen, hin­sicht­lich nicht getre­ten Werdens: Brillen, Waschen und Kuschel­tiere.

Gemein: Sich lang­sam ablö­sende Fugen­dicht­masse zwi­schen den Teak­holz­stä­ben des Vor- und A-piek­decks, ein undich­tes Persi oder ein schlecht gebun­de­ner Wanten­hals, für Cock­pit­schlä­fer auch Besan­mast­kra­gen, wenn’s dann doch regnet. (Hand­tuch oder Schal mit ein­bin­den geht recht lange gut, und Kragen sauber ein­schla­gen.) Wenn die Crew nicht so gut ein­ge­spielt war galt für Ken­ner: „Span­ner­schlä­fer bin­det seinen Hals selbst.“ (Nein, das über­setz’ ich nicht. Müsst ihr so drauf kom­men.) Sonst: „Es sifft durch, Baby!“

Häufige Unnan­nehm­lich­kei­ten — ‚Widrig­kei­ten‘ wäre genauer, denn es ging ja gerade um das annehm­bar, annehm­lich, ange­nehm ma­chen — in sehr lokaler und zeit­ge­bun­den tech­nisch bau­art­be­ding­ter Aus­prägung, spontan mit Sprü­chen — ban­nen­den Wort­fol­gen kom­men­tiert, von denen die hän­gen­blei­ben und in ent­spre­chen­der Situa­tion spontan erin­nert und wie­der­holt werden, die gut funk­tio­nie­ren.

Was bedeu­tet ‚funk­tio­nie­ren‘ in diesem Zusam­men­hang? Erfol­grei­che Trans­for­ma­tion nega­tiver Emp­fin­dun­gen in Tugen­den und, deren Er­fül­lung folgend, posi­tive Gefühle. (Empfin­dung hier sinn­über­grei­fend ver­stan­den als Sinnes­wahr­neh­mung und, oder Gefühl; Emotion.) Muss man nicht unbe­dingt viele Worte drum machen, ist aber augen­fäl­lig, finde ich. Ist auch nicht bäh, passiert sowieso. An­knüp­fen an Ge­schich­ten — und zwar inte­res­sante — Mythen, Fort­schrei­ben, Tra­die­rung … Menschen halt.

Wenn man so einen Bann­spruch oder eine ent­spre­chende Geste; ein Bild davon aus dem Zusam­men­hang reißt, hat man ein Meme.

Und versuch einer mir zu erzäh­len, dass nachts mit stel­len­weise durch­näs­sen­dem Schlaf­sack auf­wachen keine nega­ti­ven Emp­fin­dun­gen macht. Auch sehr schön: bei Ebbe im trocken­fal­len­den Hafen zuneh­mends krän­gungs­be­dingt aus­lau­fen­des Oli­ven­öl, das sich vom Ur­sprungs­ort eines plötz­li­chen und nicht sehr auf­fäl­li­gen „Plock. Glu, glu-Ge­räu­sches, irgend­wo am Rande der Ach­ter­piek, den Balk­we­ger ent­lang, erst durch die auf­ge­schos­sene Groß­schot, in/an der man es noch Mo­nate später spüren können würde, dann, so ab kurz vor Püt­ting, auf den Spanner läuft, den dort ruhenden Segel­ka­me­ra­den ent­zückt, auf diese Weise über Span­ner­rie­men und Iso hin­weg­kommt und bis ins Cock­pit ver­brei­tet. Oder ganz schlichte, zum Ende einer Som­mer­tour schon eine Weile in Achter­piek-Regen­tropf­was­ser einge­legt gewe­sene Schoki essen im Schlepp, Schwapp und Dauer­regen.

(Nein, das muss weder etwas ganz beson­de­res, zur all­ge­mei­nen, großen Be­wun­de­rung vor­zeig­ba­res sein, noch ein Wett­be­werb um Extreme, schon gar nicht mit Jugend­li­chen.) Was es macht, so neben­bei, dem Pro­zess seiner Ver­ar­bei­tung und Ein­bin­dung folgend, ist Ge­schich­te, Indi­vi­du­ali­tät, Ver­bin­dung, Erdung. „Nähen und Grenzen“.

Ich würde das nicht so aus­drück­lich beschrei­ben, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass es ein wesent­li­cher Teil von dem ist was uns auf­recht hält, in allen Grö­ßen und gerade ver­lo­ren zu gehen droht. Oder abge­wöhnt werden soll. Und man muss nicht in den Krieg ziehen, um es erle­ben zu können.



Das Bild wenn wir zurückkamen, wie das Boot offen da liegt, alle Teile bereit und nur noch auf seine Menschen wartend, ist mir in besonderen Farben in Erinnerung. Nur ein ganz kleiner, beiläufiger Moment, in dem sich etwas verdichtet und an symbolischer Stelle in das Gedächtnis hängt. Und gut für die Seemannschaft, einschließlich der wesentlichen Entscheidungen über die Navigation war es auch, da ein kleines bisschen andere, allen Erwägungen zur Eile übergeordnete Zeit zwischen Vorbereitung und das wirkliche Tun zu setzen und dabei zu riskieren, so mit der eigenen Nervosität konfrontiert zu werden, dass man es dort merkt wo man, in einer Führungsrolle, dann empfindlich ist: in den körperlichen Grenzen und im Selbstbild.

Unsere Körper sind umständlich, schmutzig, verletzlich und so peinlich wie urkomisch, aber nicht doof. Überhaupt nicht doof. Sie kommen aus einer Welt mit wenig Schutz, wehrhaftem, eher knappem als reichlichem Essen, schätze ich; Konkurrenz aller Art; einer verwirrenden Vielzahl unerklärlicher Vorgänge, innen wie außen und sehr bedeutenden Hierarchien. Es gab lange die Tendenz, sie wie Nutzvieh zu beanspruchen und ihre Verletzlichkeit gnadenlos in Macht und Befriedigung umzumünzen. Heute gibt es die Tendenz, sie in Watte packen zu wollen und ihre Verletzlichkeit zu überhöhen; sie darin dann wieder zum Gegenstand rigider, unerfüllbarer Moral­vor­stel­lungen zu machen und aus ihrem Scheitern, welches das unsrige ist, dann erneut wachsende Schuld zu konstruieren, ohne Möglichkeit der Vergebung, nur des zeitweiligen Vergessens für nützliche Exemplare, in gut handhabbarer, kontrol­lier­barer Größe, gleich mit Halsband versehen, unsichtbarem. Und Stimmkontrolle. Manchmal auch Scheuklappen, innen.

Übrigens, wenn es ein gemeinsames, freiwillig gesuchtes Vorhaben auf eng begrenztem Raum gibt, bezie­hungs­weise im sehr großen Raum des Draußen, aber eben auf einem engen Fahrzeug ohne Sepa­ra­tions­räume, welches man nur gemeinsam bewegt bekommt und von dem man nicht jederzeit absteigen kann, übt es auch das Taktgefühl im Umgang miteinander, neben allerlei dem Rückrat zuträglichen Dingen — mal in offen­sicht­licher, mal in weniger offen­sicht­licher Form — genauso wie eben das Justieren der intimen Grenzen untereinander.


Finden und Flechten


Respektlosigkeit ist ein zwei­schnei­diges Schwert. Man lernt das schnell, wenn die anderen ziemlich genau die gleichen Möglichkeiten haben, einen dort bloß zu stellen, wo man sein Selbst­be­wusst­sein dranhängt und man die längste Zeit des Tages und der Nacht in einem Boot sitzt, steht, läuft, liegt — stolpert, sich aufrappelt, zusam­men­reißt — kriecht, gehen lässt oder herumklettert. Es gab frühe Meister und ziemliche Anfänger, aber zu unter­scheiden lernen, was wirklich schützenswert und entsprechend zu kontrollieren ist und was man auch genauso gut den anderen überlassen kann, weil außer einem Blick, einem Beiseite­räumen vielleicht, gelegent­lichem Lachen und einem spöttischen, aber nicht hässlichen Kommentar nichts passiert, ging schnell. Irgendwie hat es sich meistens gut einpendelt, zumindest in meiner Erinnerung.

Ich erinnere aber auch, dass eine sich später einmal über zu viel Respekt­losigkeit beklagte, in durchaus respektvoller Form, nur eben mit einem veränderten Blick oder weniger Schranken.




Kein unnötiges Drama zu veranstalten — und wechselseitig keines zu provozieren — war auch so etwas wie eine Regel, die mehr vorgelebt als ausgesprochen wurde. Die Dinge nicht so weit zu verkomp­li­zieren, dass außer Argwohn und Missgunst und Angst und gegenseitigem Angenerve nichts bleibt; keine Regeln aufzustellen die man nicht befolgen kann ohne sich in Lügen flüchten zu müssen; sich weder auf seine Kompetenz, noch auf seine Inkompetenz allzu viel einzubilden; mit Fehlern so umgehen zu lernen, dass die praktischen Lösungen spürbar besser oder immerhin erträglich werden; vor allem, über die vielen Umstände das eigentliche Vorhaben nicht zu vergessen, das alle zusam­men­geführt hat: Mit diesem Boot und dieser Besatzung — bei der Gelegenheit wie sie nun einmal ist — erstens: überhaupt und zweitens: dorthin zu segeln, wo es nach gemeinsam gefasstem Beschluss wert wäre, hinzufahren; dabei zusammen Spaß zu haben und so viel Freude nach Hause zu tragen, dass beim nächsten Mal alle oder wenigstens die Stamm-Mann­schaft gerne wieder­kommen würden.

Das schließt die Grundregel ein, seinen Teil dazu zu tun, dass alle wieder heil an Land kommen, physisch wie psychisch. Wir waren auf einem Jugendkutter, nicht auf einem Seelen­ver­käufer, weder in autoritärer, noch in anti­au­to­ri­tärer Richtung.

Und es kamen immer wieder Situationen vor, welche Verbindung herstellten, meistens im Zusam­men­hang mit nautischen Abläufen, die nicht ganz plangemäß vorangingen. Szenen, an die sich wahr­schein­lich alle erinnerten (und ich wette: sich vielfach auch heute noch erinnern) und welche Stoff für Erzählungen gaben.

Das Wochenende das einen Tag dauerte.“ Sommer 1995, von Wedel nach Kiel, Vorbereitung auf die Sommertour rund Seeland. Ich glaube, ich bin selten so müde und gleichzeitig so enthusiastisch gewesen, wie im Fluss … Flow heißt das, im Tanz, weisst du doch. Alles glatt gegangen? Plan gemacht und umgesetzt? Schön und zu Ende, die Geschichte. Nichts besonderes dabei erlebt, nichts zu erzählen? Alles immer gut und unter Kontrolle, einfach, vorhersehbar? Hm.




Gemeinsam aufklaren — die benutzten Dinge ordnen und an ihre Plätze für die Ruhezeit stauen sowie das Persenning und damit den Wohnraum aufbauen — und gemeinsam Essen war wichtig, damit es nicht zerfiel. Für’s Essen zwischen­durch gab es die Regel: „Wenn du dir was machst kriegen alle was, der an der Pinne zuerst, der, der die Kniften schmiert, zuletzt“. Kekse, Schoki und so — bei uns ‚Motivation‘ genannt — ähnlich: nur gemeinsam auszustauen — zum Anbrechen und Aufessen — und zu gleichen Teilen. (Ich weiss von einer Kutter­mann­schaft, in der sie, wenn die Zahl der Lakritz­kon­fekt­stücke, Gummi­bär­chen etc. sic! (Diktion) in der bunten Tüte nicht aufging, den Rest lieber über Bord geworfen haben, als an irgendwen verteilt. So’n Quatsch ha’m wir nicht gemacht.)


Back­schaft‘ meint im All­ge­mei­nen wohl eher eine Tisch­ge­mein­schaft an Bord eines Schiffes oder den Dienst für eine solche. An Bord der ESPRIT, auf der ich später gefah­ren bin, bedeu­tete es in den 2000er Jahren insbe­son­dere das Abräu­men und Abwa­schen nach Tisch, meist in der Rede­wen­dung Back­schaft machen‘.


Warmes Essen, bei uns Backschaft‘ oder Backe‘ genannt, muss jeder mal (mit-)kochen — noch nie für so viele gekocht zu haben ist keine Ausrede, also lern’ kochen, auch mit einfachen Mitteln — wer kocht muss nicht abwaschen — abbacken — Hey, und wer gut kochen kann, unter allen möglichen Umständen, hat bei körperlich aktiven, also hungrigen und seit mehreren 10.000 Jahren auf warme Küche angepassten Säugetieren ja wohl sowas von gute Sym­pa­thie-Karten — und bei uns damals außerdem noch Musik-Recht, genau wie die, die abbacken, also bezüglich der Lala — natürlich nicht so, dass der ganze Hafen was davon hat und dann keinen Bock mehr, auf Jugendboote aus Hamburg — und wir fangen gemeinsam an, mit Essens­spruch. Nichts religiöses — bei uns was ziemlich unreligiöses und auch nicht so sozial­pä­da­go­gisch-vorbild­lich liebes — aber in ähnlicher Funktion.

Frühstück auch gemeinsam, immer. Wenn sich da einer heraus­gezogen hätte, auch aus dem an Bord schlafen — länger als eine Nacht zumindest, wenn da mal jemand einen oder eine Liebste auf ’nem anderen Kutter hatte — wäre ein soziales Alarmzeichen gewesen.

Mal an Land schlafen? Kam selten vor. Mir ist es auf meiner ersten Herbsttour passiert, kurz nachdem ich eingestiegen war, 1993, mehrere Tage eingeweht und eingeregnet, in Freiburg an der Unterelbe. Zwei Kutter­mann­schaften aus verschiedenen Vereinen und ein großzügiger örtlicher Segelverein, der uns erlaubte, sein Clubhaus zu benutzen. Nichts besonders schickes, kleiner Provinzort — mit weitem, rauem Deichvorland, einem langen Hafenpriel und einer Werft, welche mal einige der schönen Mahagoni-Kutter gebaut hatte — aber trocken und geheizt. Haben dann alle in einem Raum geschlafen, gekocht, gegessen und gesungen, war so, von selbst zusam­men­laufend und auf einfache Weise großartig, dass selbst die alten Hasen beeindruckt waren.

Ich war hin und weg, für die Sache, also das Thema. Nächstes Ziel: Diesen Kutter da, der schon fast die ganze Saison, ohne Mannschaft in Wedel lag und Torf ansetzte, unter den Hintern kriegen, irgendwie, mit welchen, die nicht so leicht aufgeben. Erst zwei, dann vier … dann erstmal Segeln, das Ding in Fahrt bringen, der Rest wird sich finden. Club der wandernden Telefon­freunde haben wir uns mal genannt, wegen Mannschaft zusam­men­tele­fonieren, manchmal Donnerstags, Freitags noch und mit Sack und Pack zum abgelegenen Hafen laufen.




Im Winterhalbjahr gab es gelegentlich Kutter(-mann­schafts-)treffen, bei einem oder einer zu Hause, wo wir das gemeinsam Kochen und Schlafen, neben dem Erzählen und Bilder-Angucken und lose Planen und wichtige Dinge Abstimmen in ein Privathaus verlegten, wenn es irgendwo weiter draußen war und die Hausherren und -damen einver­standen waren. Von ansonsten üblichen Vereins­treffen mit Tagesordnung und so weiter, vielleicht noch in einem gebuchten Seminarhaus, mit Orga-Team, war das kulturell schon ziemlich entfernt. (Und viel spannender.)

Das Jugend­abtei­lung­streffen des Vereins war formalisierter und prak­ti­scher­weise nur ein oder zweimal im Jahr. Bei den eigentlichen, monatlichen Vereins­ver­sammlungen — mangels eigenem, festen Ort in irgendeiner wassernahen Gaststätte — waren wir die bunten Hunde. Die anderen haben halt Familiensegeln gemacht, alle für sich, meistens. Und Bootspflege. »Und normale Kleinfamilienbrauchen keine Extra-Treffen, du Patchwork-Kind.«


Den Begriff Hootenanny habe ich gerade noch wieder­gefunden.



Der oder die Gitarre spielen konnte und willens war, sein Instrument dem trotz hartnäckiger Versuche des ordnungs­lie­benden zweiten KuFü’s nie ganz zu bändigenden Chaos der oberen Achterpiek — einem der wenigen meistens trocken bleibenden Stauplätze an Bord, da wo auch das Navi­ga­tions­zeug hingehörte — anzuvertrauen, auszusetzen hatte besonderen Anteil am Knüpfen und Ausbessern des in der Substanz unsichtbaren, der Wirkung nach aber augenfälligen Geflechtes.

Die manchmal weit in die Nacht dauernden Klampf- und Mitsing-Sessions, nach der Backschaft, mit Kakao dazu, gehören mit zu meinen besten Erinnerungen an die Zeit. Kannte ich so vorher kaum und hab’ ich später auch nur in Ausnahme­fällen wieder­gefunden, in der Intensität und gleich­zei­tigen Lockerheit. Wer müde war hat sich einfach hingelegt, die anderen haben weiter gemacht, so lange der an der Klampfe durchhielt oder mit Lumumba zu bestechen war. Das da einer, ungeduldig werdend, mit dem Schlafen­gehen darauf wartet, dass die anderen endlich leise sind? Feste Schlafens­zeiten? Ausge­schrie­benes Programm, geschulte Stimmen, Applaus, Veran­stal­tungs­technik … Nein. Improvisation und Gespür. Eigentlich etwas uraltes. Und nicht so verbissen gesehen. Auch die anderen im Hafen haben uns da, soweit ich es erinnere, immer toleriert. Wahrscheinlich mochten es nicht wenige von ihnen, auch wenn nie einer dazu kam, außer denen von den anderen Kuttern und sich gelegentlich einfindenden Ex-Kutterseglern.




Verteilung der Schlafplätze, Privilegien oder ähnliches? War „mit Schreien“: Ab Frühstück, vorher galt nicht, wer zuerst einen Schlafplatz sagt, kriegt ihn für die nächste Nacht. Protest weitgehend zwecklos. Ab und zu hatten sich mal welche abgesprochen, einige hatten ihre Lieblingsplätze, die sie gerne haben konnten, bis es den anderen zu bunt wurde und bei weniger als 7 war’s meist eh nicht so umkämpft. Bequeme Schlafplätze auf, wie gesagt 8,50 Meter Bootslänge: 9. Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt und ein paar Kurze dabei sind: 11 bis 12. Das Boot auf dem ich das hier schreibe ist 7,85 Meter lang und hat 4, mit Mühe 5 bis 6 Schlafplätze, aber für mehr als 4 Mann hätte ich die Papiere nicht gekriegt. Bootsgröße auf der man laut heute verbreiteter Ansicht mit 4 Leuten gut reisen kann: Ab 10 Meter aufwärts, am besten mit getrennten Kabinen.

Und wenn man da mal neben jemandem schlafen musste, den man nicht so gut kannte oder gerne mochte? War dann so, hat man sich arrangiert, man musste den oder die ja nicht in seinen Schlafsack lassen und das man jemanden an Bord so richtig nicht mochte war eher selten. Mir ist es nie passiert. Wir saßen ja auch beim Segeln nebeneinander, ziemlich dicht, in immer wieder neuen Kombinationen. Was auch wichtig war, dass da niemand seine Funktion für fest gebucht hält und nörgelt, wenn er dann mal nicht rankommt, außer der KuFü mit Sonderrecht auf Pinne und Navi — ohne Nörgeln — und Rollen­beset­zungs­befugnis, wenn wegen Sicherheit und allgemeinem überhaupt Vorankommen. (1. KuFü toppt 2. KuFü, im Zweifelsfall.) Das da, wie bei Jollen- oder Kiel­boot-Regatta­crews, Leute immer nur Vorschot machen müssen? Naah. Feste Wachen und so auch nicht. »Ihr seid ja auch nicht übermehrere Tage und Nächte durchgefahren.« Informelle Dream-Teams und „ganz reizende Kombi’s“ schon, hin und wieder.

Ich glaube, wir haben viele Spannungen durch ironische Brechung, Biegung, Verdrehung und Rückbindung von Worten, Gesten und anderen Symbolen abgefangen und uns ansonsten dem Boot — und damit wiederum den Bedingungen, den es mit seiner Umwelt unseren Körpern stellte — und auch ein bisschen den Geschichten, die daran hingen, dass das ging und gut war, irgendwie, sich dem auszusetzen und eigene Wünsche hinzu zu geben, dem Vorhaben — dem Boot anvertraut, seinem Bedarf an Zusammenarbeit und Improvisation und eben die Sache mit Ernst, nicht zu.

Und natürlich gab es eine Vorauswahl: Wir hatten unseren Ruf, andere ihren. Und jeder wär’ auch nicht rein­ge­kom­men. Schon gar nicht einer oder welche, die direkt auflösend wirkten. Oder unser Schätzchen angespuckt oder misshandelt hätten. (Boah, der wär’ in’n Weiher gegangen. Oder hätt’ sich sofort alleine wiedergefunden, in der Gruppe.) Zwei oder mehr zusammen, erst okey, vielleicht sogar ziemlich interessant, dann langsam den Ton verändernd, Nähte lockernd, aufreißend und am Ende ganz woanders hin steuernd? Uii. Weiss nicht, ob wir das hätten auf-, abfangen können.

Aussortieren war aber kein großes Thema, wir waren immer auf der Suche nach Nachwuchs und zwar welchen, der bleibt und die Sache weiterträgt, eine Weile gemeinsam, irgendwann für sich, mit denen, die dann nachkommen. Ich meine, das Boot hatte eine Zweck­bestim­mung und gehörte uns nicht. Das Vereins­interesse an qualifiziertem Nachwuchs im größeren Rahmen und Traditions­pflege (und natürlich wirtschaftlich insgesamt ausgeglichenem Betrieb) stand über unseren Interessen. Einen, der gerne wollte, hat die Mannschaft mal nach ein oder zwei Fahrten ziemlich einmütig abgelehnt, weil er irgendwie einfach nicht passte. Und der, der’s ihm mitteilen musste, hat sich nicht getraut ihm dabei einfach die Wahrheit zu sagen. Das war Panne. Nicht die Ablehnung, sondern das Letztere.


Pädagogik: Nebensache


Es war nie so ausgesprochen, aber praktisch lief es darauf hinaus, das eigentlich alle alles lernen, zumindest bei leichten Bedingungen und auf jeden Fall Spielraum da ist, wenn einer sagt: „Hey, ich will das auch mal machen“ mit den schwierigeren Sachen: Wellen aussteuern, sichere Halsen fahren, Anlegen bei stärkerem Wind und Strom, Navi und so. Es sollte ja weiter gehen, auch nach uns. Und das alte Zerrbild von „Käpt’n sacht an und macht wie er lustig ist und die Mannschaft muss hüpfen, alles schlucken was von oben kommt“ das war irgendwie nicht so cool, auch nicht für die KuFü’s. Außer im Fundus für’s Sprüche klopfen und mal so tun als ob. Alles auf Regatten ausrichten und das unbedingte Ziel sie zu gewinnen wär’ auch nicht gegangen.

Gott, warum auch, wofür? Ein paar gravierte Pokale aus’m Sport­be­darfs­handel und die Ego-Strei­chelei, die der Steuer­manns­name in den Ergebnis­listen macht? (Is’ schon nicht schlecht, auch mit dem ganzen Drumherum und der klaren Ausrichtung, die das gibt.) Wir haben auch so gewonnen. Nicht viel aber deutlich mehr als erwartet, mit dem Schlachtschiff, dem angeblichen, der Schönen.

Das andere Extrem, von dem ich damals nicht wusste, dass es das wirklich gab auf Jugendkuttern, mit: alle machen irgendwas, irgendwie und der KuFü sieht nur zu, dass sie nicht verunglücken und halbwegs noch den Fahrregeln folgen (schafft es aber trotzdem irgendwie, den sozial­pä­da­go­gisch ausge­ar­bei­teten Seminarplan einzuhalten und nach ein paar Tagen gehen sie wieder ihrer Wege, samt zertifiziertem Gruppen­erlebnis) das war auch nicht unseres, schon mal rein intuitiv.

Wir wollten gut koordinierte Action so, dass man spüren kann, was geht mit dem Ding; dass man hinterher was zu erzählen hat, was die Augen leuchten macht. Nicht so’n schüchternes Ach-nur-ein-bisschen-reicht-doch-auch-Segeln für Daueranfänger, wo man schon froh ist wenn man überhaupt irgendwo hinkommt oder wo „das Boot von alleine hintreibt“ bei Flaute sofort nach ’nem Schlepp geiert und ab 5 Wind­stärken sagt: „Geht ja eh nicht, viel zu gefährlich, mit dem Haufen.“




Ein Kutter refft nicht, sondern schmeißt, wenn den Besen“ experts say. Nup. Gleichmäßig Groß und Besan reffen macht schnell, auch bei Welle und hält die Krängung in Böen besser kontrollierbar. Beim Einlaufen oder bei plötzlich stark zunehmendem Wind entgegen dem damals üblichen Ablauf den Großen zuerst schmeißen das Großsegel zuerst bergen erhält die Manö­vrier­fähigkeit auf engem Raum, wie auch die Fähigkeit Höhe am Wind zu laufen, und macht die wichtigen Ruderduchten frei, mit deutlich geringerem Verlet­zungs­risiko beim Absetzen der Rah.

Und Besan aufgeien, also von der Baumnock her mit einer Dirk bzw. einem Geitau rasch nach oben zusam­men­ziehen um die Fläche weg­zu­be­kommen und ebenso rasch wieder­zu­haben, statt bergen mit all dem Geschleuder, der Rah, die am Rudergänger vorbei, welcher dann meist auch derjenige ist, der die Übersicht zu behalten hat, erstmal sauber abgelegt sein will, insbesondere auf Vorwindkurs, ist auch gut. Am Wind macht man natürlich einfach die Schot auf, weit genug. Schiftet eventuell kurz die Rah in Vor­wind­stel­lung und macht den Hals ein bisschen auf, falls das Segel im oberen Teil noch zieht. Bei gut angepasster Segelfläche lässt sich das Killen das Flattern des Segels für eine Weile tolerieren. Und natürlich muss man unter Segeln voll manövrieren können, auch im Flachwasser, einschließlich Drehung ohne Fahrt voraus, Beiliegen und Rückwärtsfahrt.

Ulrich Körner schreibt im Yachtsportmuseum, neben durchaus zutreffenden Überlegungen zum Reffen, unter Verweis auf den Konstrukteur Fiete Hülsen und mit dem, was hinter den Superlativen ein wenig wie Panik­blindheit klingt, davon, dass auf eine Besandirk bei der Konzeption der Jugend­wander­kutter bewusst verzichtet wurde und man, an Stelle nach Vorbild großer Rahsegler die Segel aufzugeiennotfalls die Fallen loswerfen“ solle um „äußerst gefährliche Situationen“ zu vermeiden. Jawoll, Käpt’n, loswerfen, die Fallen, im Notfall, alle … Und dann?


Nicht gern gese­hen: Gum­mi­stie­fel. Hab ich aber durch­ge­setzt, dass das doch ging, weil: ist sonst wirk­lich scheiße, wenns ’n ganzen Tag schifft und guckt doch mal, da in der Vor­vor­piek, also hinter der Vor­piek und vor der ersten Ducht, flach auf dem gefal­te­te­ten Persi und der kleinen Fock, unter dem Vor­vor­piek­deckel, den ich repa­riert hab, da ist noch Platz …

Ölzeug und warme Klamot­ten zum schnell über­zie­hen je in einen der beiden, mit allen geteil­ten was­ser­dich­ten Zampel (aus PVC-be­schich­te­tem Poly­ester­ge­webe mit Roll­ver­schluss, das einzig wahre) zu stauen irgend­wo zwi­schen den Duchten im Mit­tel­schiff, hinter oder gegen­über von den Iso’s, in ihrer an­schmieg­sa­men, zurecht­ge­dräng­ten Zwangs­ge­mein­schafts­rolle, mit der einen außen, die immer alles abkriegt. Ich glaube, irgendwer hat sie wirklich ’mal ‚Opfer-Iso‘ genannt.

Zwischen­durch an die Vor­piek, Sachen aus dem (eige­nen) Zampel holen? Nicht so gut, muss da ja wieder rein, sauber stauen „ist ein Act“ und vorne wird immer zuerst nass. Also geht schon irgend­wie, aber kannst du’s nicht noch ein biss­chen aus­halten?

Bord­elek­tro­nik? ’n Taschen­ra­dio gab’s noch, neben der Lala — schon sowas total bil­li­ges, ging aber — wegen Wetter, 1269 kHz, DLF, zwei­mal täg­lich vor oder nach dem Essen, bei hei­li­ger Stille, zum mit­schreiben.

Nachrichten oder auch nur lau­fen­des Pro­gramm haben wir nicht ange­hört, wenn wir an Bord waren, auch nicht im Hafen. Kann ich mich jeden­falls nicht dran erin­nern. Es war wie in einen beson­de­ren Raum ein­tre­ten, in dem das ganze mas­sen­me­diale Pro­gramm sehr, sehr weit zurück­ge­fal­len war. Land­ge­schich­ten, kein Thema mehr, eigent­lich schon ab Treffen in der S-Bahn. SMS, Mes­sen­ger-Apps, Web­ba­sierte-Ter­min­pla­ner, Mai­ling­lis­ten … Hat so funk­tio­niert, irgendwie.

Und ehrlich gesagt bin ich froh, dass Social Media sich auf’s gele­gent­li­che Post­kar­ten schrei­ben, hin­ter­her erzäh­len und Bilder zeigen be­schränk­te. Es war auch so schon genug Posing dabei und an Bord sein, aber dau­ernd am Selbst- und Außen­bild basteln, für die, die nicht dabei sind … allen mög­li­chen Ge­schich­ten, frag­men­tiert in Ein­druck-Mach-Schnip­seln von sonst­wo, nur nicht hier, folgen ist, glaub’ ich, nicht so gut für’s Spie­len, wie für’s Ler­nen, wie für’s Erwach­sen­werden.

Telefonieren? Ja, mit Mün­zen oder Karte, in der Tele­fon­zelle an Land. ’ne Tele­fon­liste hatten wir noch — einer ruft den nächs­ten an, der es an den näch­sten wei­ter­ge­ben soll oder, wenn der nicht da ist, an den über­näch­sten und der am Ende ruft wieder den ers­ten an, damit der hören kann, wie­viel von der drin­gen­den Nach­richt denn durch­ge­kom­men ist — und ein paar, die man immer mal fragen konnte oder wen, der noch wen kannte der eventuell …

Oh, und Orga­ni­sie­ren hat nicht immer nur einer gemacht, ging in die Runde, auch mal die Jüngs­ten. Ein­fach machen! „Hier ein bisschen Ver­ant­wor­tung. Kriegst du schon hin.“

Wurde, soweit ich’s erin­nere auch kein so großes Bohei drum gemacht, keine demons­tra­tiven Lob­hu­de­leien … „Ohh, wie toll du (be­schränk­tes Dum­mer­chen) das Ödi­dö­chen da hin­ge­kriegt hast. Kommt, alle drum­rum­stellen und klatschen … und immer ‚Danke‘ und ‚Com­mu­nity‘ sagen!“

Sich gegen so eine klebrig lä­chel­nde Ernie­dri­gung zu ver­tei­di­gen, da irgend­wann mal auf Augen­höhe zu kommen ist nicht leicht. Mir würde betre­te­nes Schwei­gen oder was sar­kas­ti­sches ein­fal­len und wenn Schwei­gen und dunk­ler Sar­kas­mus erst einmal drin sind, um sich greifen … Viel Spaß, beim Retten der Gemein­schaft.

«Laissez faire, laissez passer!» Fran­zö­sisch für: „Lassen Sie machen, lassen Sie laufen!“ Sowohl se faire als auch se passer kann man mit gesche­hen (lassen) über­setzen.

Histo­risch relativ nahe daran ist: «Tant, encore une fois, qu'on laisse faire la nature, on ne doit rien craindre de pareil; aussi n'est-ce que parce qu'on la décon­certe, et qu'on dérange tous les jours ses opé­ra­tions, que le malheur arrive.»
„Solange man die Natur gewäh­ren lässt, braucht man nichts der­glei­chen zu be­fürch­ten; nur wenn man sie ver­wirrt und ihre Vor­gänge täg­lich stört, kommt es zum Unglück.“

sic!

Pierre Le Pesant de Bois­gui­bert: Dis­ser­ta­tion, sur la nature des riches­ses, de l'argent et des tributs, où l'on découvre la fausse idée qui règne dans le monde à l'égard de ces trois articles. (1707) Chap. V. Dans: Eugène Daire (éditeur): Éco­no­mis­tes finan­ciers du XVIIIe siècle. Paris, 1843. Page 409. Über Wiki­source (fr). Über­set­zung von DeepL.

Beachte den Kontext: „Eine Ab­hand­lung über die Natur des Reich­tums, des Geldes und der Tribute, in der die falsche Vor­stel­lung auf­ge­deckt wird, die in der Welt in Bezug auf diese drei Artikel herrscht.“
 Beachte des Wei­te­ren, dass ein Meme oder eine Idee nicht auf ihren ori­gi­na­len Kontext im enge­ren Sinne ange­wie­sen sein müssen, um ver­brei­tet, dabei auf alles irgend­wie pas­sen­de über­tra­gen zu werden, und Wir­kung zu haben.

Lesens­wert ist auch dieser lexi­ka­li­sche Arti­kel zu der Maxi­me, von 1908.
 In die Päda­go­gik bzw. den päda­go­gisch-wis­sen­schaft­li­chen Dis
­kurs ein­ge­führt wurde sie unter dem Begriff Laissez-faire im Jahr 1939 von Kurt Lewin, Ronald Lippitt und Ralph K. White in diesem Fach­auf­satz. Darin steht sie für eine Füh­rungs-Phi­lo­so­phie und einen Typus von Grup­pen­at­mos­phäre oder ein „Soziales Klima“ [s…] im expe­ri­men­tel­len Vergleich mit Autho­ri­ta­rian und Democra­tic.
 Eine schöne und sehr über­sicht­li­che Cha­rak­te­ri­sie­rung steht darin in Tabel
­le 1 auf Sei­te 3, aller­dings auf Englisch.

        ↗
Zum Stichwort
Farce: „Ange­le­gen­heit, bei der die vor­ge­ge­bene Absicht, das vor­ge­ge­bene Ziel nicht mehr ernst zu nehmen ist (und nur noch lächer­lich gemacht, ver­höhnt wird); lächer­li­che Kari­ka­tur […] auf ein bestimm­tes Ereignis.“ Duden-Redak­tion, Farce, Dez. 2022.

Wenn ihr Päda­go­gen oder Eltern seid, bildet euch bloß nicht ein, dass Jugend­liche so etwas nicht mer­ken. Ich schätze, die meisten sind mitt­ler­weile gera­de­zu trai­niert darauf, Dinge mit einer Geste zur Farce wer­den zu las­sen; den Akt der Ver­höh­nung; der iro­ni­schen Bre­chung als das Eigent­li­che anzu­se­hen und dann wie­de­rum die Macht zu erseh­nen, die das über­win­det, es ver­mag, etwas gegen alle Angriffe zusam­men­zu­hal­ten: Irgend­wen oder was, das ihnen einen Grund gibt, irgend­et­was als ernst­haft von Bedeu­tung anzu­nehmen.


So etwas lernt man nicht mit Laisser-faire und Irgendwie-machen, was dann meist eben gerade nicht bedeutet: mit viel Raum für „kreative Lösungen“ Wie wäre es mit zielführenden Lösungen? und spontanes, gemeinsames Ausprobieren im „hierar­chie­freien Diskurs“ «Tataa» alle genau gleich und frei sicheinzubringen, jedermit der Unterstützung,die er braucht woher auch immer er die dann kennt Praxis und Theorie, einträchtig Hand in Hand und bereits ihre Hochzeit im Blumenmeer auf einem Jugendkutter im Morgenrot planend Ich liebe Utopien! sondern schlicht: „wie alle“ «Oooh» „Captain Shaun V.R.Maal-OIch­kann­nichts­dafür“ und „Kommodore Graf v. Hörensagen“ Aber was ist denn so schlecht an allen, mussman denn immer etwas anders machen wollen, heraus­stechen, Dingeverändern?Andere zur Unterordnung verleiten?Kann man sich nicht einmal in aller Freiheit anpassen? ohne Raum und Antrieb für den Aufbau von Erfahrung, geschweige denn die syste­ma­tische Suche danach. Komm Schatz, lass uns in grau heiraten, ohne Ggesicht, sobunt wie alle! Wie man einen Spinnaker mit viel zu langen Lieken auf einem Boot fährt, das nie für’s Spi-Segeln gedacht war, auch nicht.

„… gehören aber nicht dazu, sondern wurden (mit oder ohne Wissen der Verant­wort­lichen) von der Mann­schaft an Bord gebracht.“ schreibt Freund Krümel … Mhm. Im Zampel wahr­schein­lich, unter Klamotten versteckt und dann in einem unauf­fäl­ligen Moment gesetzt, ehe der in erster Linie für so etwas Verant­wort­liche auch nur Piep‘ sagen konnte. Der hat’s dann wahr­schein­lich mit Humor genommen, die an Land „auf regel­mäßige Meldungen“ wartende Jugend­lei­tung nebst Vereins­vor­stand mit in sein Abend­gebet eingeschlossen, und gelernt damit zu segeln.

Leute, entspannt euch! Sobald eure Küken, Nach­wuchs-Schütz­linge so weit sind, statt über „Oah, krass, wir auchma wollen“ — wollen, genau — fordern und zwar von euch zu machen: mehr, alles — über das „Wie könnten wir eigentlich?“ und „Was bräuchten wir dafür?“ — Jetzt mal ernsthaft, wie könnte das gehen?“ zu sprechen. Das ist nämlich das, wo ihr sie, meiner laienhaften aber nicht unin­for­mierten Meinung nach, hinhaben wollen solltet.



Und wenn ihr wirklich Angst um sie habt, sei es weil ihr was gesehen habt oder von etwas gehört, gelesen oder eben eigene, einschlägige Erfahrung, dann sagt es ihnen genau so und gebt ihnen eine Chance, das Problem nach­zu­voll­ziehen, in Beziehung zu setzen mit ihrer Erfahrung (ohne die sie schließlich gar nicht in die Position gekommen wären, überhaupt alleine irgend­wohin zu fahren) und mit einer eigenen Lösung zu kommen, ehe ihr’s in eine Regel packt, die ihr ihnen aufdrückt. Die hat dann nämlich einen entschei­denden Nachteil: Es ist eure Regel, nicht ihre. Und ihr seid nicht an Bord. Die wesent­lichen Entscheidungen fallen aber an Bord, ist so, aus gutem Grund, auch auf Sail-Training-Schiffen.

Und noch ein ‚und‘: Zur Hölle, wenn ihr etwas selber nicht gut genug einschätzen könnt, aber irgendwie gefragt seid, euer O.k. dazu zu geben, macht euch damit vertraut. Lasst es euch zeigen, von ihnen. Im Zweifels­fall an Bord, als Gast. Im Ernst: Gebt ihnen die Aufgabe, ad hoc, euch zu überzeugen, dass es funktioniert und sie es gemeinsam gut genug im Griff haben. Nicht nur der Boots­führer theoretisch irgend etwas kann, was sauber und trocken in einem Lehrbuch steht. Oder dem Gültig­keits­be­reich eines Führer­scheines.

Wenn ich ein Kind hätte und hörte von der Jugendleitung über die Qualifikation eines Boots­führers, bei dem es einsteigen wollte lediglich so etwas wie „kein Problem, hat den Führer­schein und sie fahren innerhalb der Grenzen des darin ange­ge­benen Fahrt­gebietes“ würde ich im Dreieck springen — und im (erhärteten) Zweifels­fall nach einem anderen Verein suchen.

Fragt sie außerdem ruhig einmal, unter Beachtung der Hierarchie, also den oder die in erster Linie Ver­ant­wort­li­che(n) zuerst, so Sonntag­nach­mittag zum Beispiel, um das Ende einer Fahrt herum, wie es lief, wo sie waren und ob es irgend­welche (besonderen) Probleme gab. Wie sie mit der Wetterlage da (über die ihr euch ein bisschen Gedanken gemacht habt) oder dem vielen Verkehr, der neuen Ausrüstung oder was auch immer klar gekommen sind. Muss nicht viel sein, nur so, dass deutlich wird, dass es euch nicht egal ist und sie, also auch die Boots­führer, da jemand haben, den man mal was fragen kann. Die haben nämlich die einsamste Rolle an Bord, nicht etwa die geselligste, unter­stütz­teste. Und fragt (solche Dinge) nie das Küken in der Bord­hie­rar­chie, vor allen anderen. Das ist nur peinlich, vor allem für das Küken.

Wirklich großartig an den JWK’s, so im seemännischen, vor allem segel­tech­nischen aber auch sport­pä­da­go­gischen Sinne, ist die große Viel­sei­tigkeit auf Basis einfacher Elemente, ähnlich wie bei einem Korb hölzerner Bauklötze, den man einem Kind hinstellt. Auch die Konzen­tration auf’s Segeln und das Körperliche. Eben das, wo die Tiere sich ein bisschen auf mehreren Ebenen bewegen und was einfallen lassen müssen ohne, dass es ständig sagt: „Mach diese Übung, genau wie vor­ge­schrie­ben, um deine Belohnung zu kriegen, dann kommt die nächste Übung, die du wieder machst …“

Häng einen Motor dran — „nur der Sicherheit wegen“ — und es wird eine Schön­wetter-Heidi-Peidi-Geschichte, insbesondere das Rudern zur Farce, allzu leicht mani­pu­lierbar und weg­zu­lassen. Damit wird dann einer der Haupt­gründe für die Einrichtung des Bootes, seine Raum­auf­teilung und eigentlich auch das Konzept der Offenheit; des unge­schützten, multi­funk­tio­nalen (Halb-)­Innen­raums hinfällig. Ein acht­ein­halb Meter langes Fahrten­segel­boot mit Hilfs­motor, voller Ruder­duchten und ohne Deck, wenigstens bis zur Mitte? Unsinn.

Ein Boot, das allen was zu tun gibt und gute Koordination erfordert, nicht aber hochgradige Spezialisierung in den Arbeitsrollen. Raum für einfache, sehr praktisch begründete Hierarchien und deren Durchlässigkeit, bzw. Angreifbarkeit; das sich Erproben in verschiedenen Rollen; auch das Erinnern an die Gemeinsamkeit, Stärke und Schwäche; das immer wieder improvisieren müssen, auf allen Ebenen.



Dazu diese gewisse Wildnis­taug­lich­keit, ohne einen allzu stark abzuschirmen in einer hoch­kom­for­tablen Zivili­sa­tions­kapsel; dass man ohne weiteres Trockenfallen und auf den Strand kann, in die Nebenarme und kleinen Buchten, wo mehr Freiräume sind; nicht immer in die bekannten Häfen muss, zu den geordneten Attraktionen; dem, was man zu Hause genauso gut oder besser haben kann; dass es damit dann auch wirklich fährt, nicht nur beschaulich dahintreibt bis man Geduld und guten Willen verliert, das Pferd. Und gut aussehen tut es auch noch, in Mahagoni auf Eiche, karweel beplankt, selbst in schwer beansprucht.



Das mit der Wildnis­taug­lich­keit »Ahem! Du, äh, Wildnis …« heißt dann nämlich auch: aus dem Fahr­wasser zu können, die Befahrbarkeit — Gangbarkeit von Wegen — selber einschätzen zu müssen und Lösungen für Probleme zu finden, deren Bewäl­ti­gung viele andere längst ausge­lagert haben. An die, von denen sie dann abhängig sind. Nun gut. Was aber, wenn letztere dann irgend­wann sagen: „Außerhalb? Besser verbieten, zu gefährlich. Kann sowieso keiner mehr mit umgehen. Macht nur Ärger und stört ja auch die Natur, das ist vermeidbar. Müssen da ja nicht lang.“ Fahrten­segeln? Fahrten­segeln hieße dann im Endeffekt: Von Freiheit träumen und Fahrwasser ablaufen, von Hafen zu Hafen, nur unbequemer als unter Motor. Kreuzen? „Auch nicht gut, nicht im Fahrwasser, können auch nicht mehr alle so richtig, vermeid­bare Störung, besser ...“?

Von der bootsbaulichen Seite her gesehen: viel Reserve da in den Mate­rial­stärken, traditionelle Bauweise, kann was ab. Ist eben an früheren Arbeitsbooten orientiert, ohne an jedem überkommenen Detail festzuhalten. Boote zum wirklich benutzen, keine Museums­stücke. Verleimte oder mit Epoxidharz verklebte Voll­holz­bau­weise ist eine sehr gute letzte Entwick­lungs­stufe gewesen, vor dem Umbruch zur GfK-Bauweise und den handgelegten, eigentlich -getackerten, form­ver­leimten Sperrholz-Status­symbolen oder Handwerks-Ausbil­dungs­projekt-Vor­zei­ge­rümpfen, nur für ein paar Jahre, Anfang bis Mitte der 1970er.

Bei Jollenkreuzern und ähnlichen ist Leisten­bau­weise das Suchwort zum Hinschauen, da sind die (hoffentlich auch nach Jahrzehnten noch) dicht verklebten, sehr schmalen Planken auch noch vertikal miteinander vernagelt. Schwer kaputt­zu­kriegen, aber nicht schwer zu reparieren, so ein Ding, auch bei deutlich filigranerer Auslegungen der Einzelteile und weicherer Struktur. Und das Flair, Aussehen, die Haptik, auch die thermische Charakteristik und der Geruch so eines Holzrumpfes, mit eingeformten Spanten, Kupfernieten … Muss man mit nichts verkleiden, geht einfach so, zu allen Gelegenheiten.

Im Großen Belt hat uns einmal der Eigen­tümer einer mäuse­kleinen Insel mit einem Haus darauf, von der wir dachten, sie hätte noch den öffentlichen Anleger im inneren Teil des Naturhafens mit der inzwischen versandeten, winzigen Zufahrt, den ich von vier Jahren zuvor noch mit Yachten gefüllt in Erinnerung hatte, nach der unverblümten und eines Robinson würdigen Vorstellung: „I am the owner of this island“ an Stelle, wie anscheinend sonst üblich, weg­zu­scheuchen, am Privatsteg übernachten und auf seinem Land spazieren lassen „because you have such a beautiful old ship“. Am nächsten Tag haben wir dann gelernt, dass die Ostsee­zu­fahrten keine gezeiten­freien Gewässer sind und das 10 oder 15 cm Tidenhub durchaus etwas ausmachen können. Aber halb ausziehen, aussteigen und schieben kannten wir ja schon, von der Elbe.


A school has been slam­med by parents for being woke after it banned teachers from using sarcasm.
Eine Schule ist von Eltern dafür nieder­ge­macht worden [und wird es noch] erwacht zu sein, nach­dem sie Lehrern unter­sagte Sar­kas­mus zu gebrau­chen.

Skegness Academy in Lin­coln­shire stopped the use of irony to convey con­tempt as part of a ‘guide to support staff’.
Die Skegness Aca­de­my in Lin­coln­shire sperrte den Gebrauch von Ironie um Gering­schät­zung zu ver­mit­teln, als Teil eines ‚Leit­fa­dens um Mit­ar­bei­ter zu unter­stützen‘.

The doctrine, known as the ‘Skeg­ness Aca­de­my Way’, out­lined that sarcasm cannot be used when talking to pupils.
Die Doktrin [Lehre; Kon­zep­tion; der Glau­bens­satz], bekannt als der ‚Skeg­ness-Aka­de­mie-Weg‘ umreißt [behan­delt; skiz­ziert], dass Sar­kas­mus beim Spre­chen mit Schü­lern nicht benutzt werden kann.

The ban applied to all pupils, how­ever parents said some of the ‘sar­cas­tic tea­chers’ are their favou­rites.
Das Verbot gilt für alle Schü­ler, wohin­ge­gen Eltern sagten, einige der ‚sar­kas­ti­schen Lehrer‘ seien ihre Favo­riten [Lieblinge].

[…]

A spokes­per­son for the Aca­demy said: ‘The docu­ment refe­renced is not a policy but a guide to sup­port staff with deli­ve­ring on our ethos.
Eine Spre­cher
-Per­son der Aka­de­mie sagte: ‚Das refe­ren­zierte Doku­ment ist kein Grund­satz [Regel­werk; Pro­gramm; keine Bestim­mung] son­dern ein Leit­fa­den [Hand­buch; eine Ori­en­tie­rungs­hilfe; Richt­schnur] um Mit­ar­bei­ter zu unter­stüt­zen die Erwar­tun­gen an unser Ethos zu erfül­len [unser Ethos um­zu­setzen].

The reference to sar­casm is because it can be diffi­cult for chil­dren with special edu­ca­tio­nal needs to process or inter­pret it, and we want to ensure our pupils with special edu­ca­tio­nal needs are nur­tured in an inclu­sive envi­ron­ment which inclu­des lan­gu­age and ways of spea­king which are acces­sible to them so they feel fully sup­ported.
‚Der Verweis auf Sar­kas­mus ist, weil es schwie­rig sein kann für Kinder mit spe­ziel­len Bil­dungs­be­dürf­nis­sen ihn zu ver­ar­bei­ten oder zu inter­pre­tie­ren und wir wollen sicher­stel­len, dass unsere Schü­ler mit beson­de­ren Bil­dungs­be­dürf­nis­sen in einer inklu­si­ven Um­ge­bung erzo­gen [geför­dert] werden, was Sprache bein­hal­tet und Arten zu spre­chen, welche zugäng­lich [bar­riere­frei] für sie sind so, dass sie sich voll unter­stützt fühlen.

As we are a fully inclu­sive academy, our pupils of dif­fe­rent needs and abi­li­ties learn along­side each other, so we strive to ensure plain lan­gu­age is used so it is fully acces­sible to all pupils.’
‚Da wir eine voll inklu­sive Aka­de­mie sind, lernen unsere Schü­ler mit unter­schied­li­chen Bedürf­nis­sen und Fähig­kei­ten neben­ein­an­der, also streben wir danach zu gewähr­lei­sten, dass ein­fache Sprache gebraucht wird so, dass sie voll zugäng­lich ist für alle Schüler.‘

Great idea, sir: Woke school bans tea­chers from using sar­casm in the class­room. By Jona­than Rose for Mail­on­line [Daily Mail, Lon­don, UK], 01:00 GMT, 7 Janu­ary 2023, upda­ted 13:56 GMT, 7 Janu­ary 2023.
Groß­ar­tige Idee, Herr: Erwachte Schule ver­bie­tet Lehrern Sar­kas­mus im Klas­sen­raum zu benutzen. Meine Übersetzung.

Sing like the birds, grow like the trees

nach oben
zum zweitviertelanfang
in die mitte
weiter runter zum ende


Nicht ganz hundert­pro­zentig günstige Wetter­be­din­gungen für das längere Reisen in offenen Booten ohne Wäsche­trockner taten das ihrige um gute, verbindende Geschichten entstehen zu lassen und wir taten das unserige dazu. Im Svend­borg­sund hat mal einer dem, kurz vor dem Einlaufen im Hafen sturz­bach-gieß­kan­nen­artig einsetzenden Sommerregen entgegen gerufen: „Monsun, jaaa!“ Woraufhin eine andere einstimmte: „Wir sind eine große Pflanze, wir brauchen das!“ In gewisser Weise hatte sie damit nicht Unrecht, auch wenn es sicherlich ironisch gemeint war. MONSUN war der koinzidativ zeitlich und/oder räumlichzusam­men­fal­lend passende Name eines Küsten­motor­schiffs, das dort lag oder uns passierte. „Baby, the rain must fall. Baby, the winds must blow. Wherever my heart leads me …“

(Chris Connor, Jahre später bzw. früher, Elmer Bernstein und Ernie Sheldon. War einmal der Titelsong eines Filmes mit Steve McQueen. Link oben bei Donner und Trost.) Koinzidenzen sind übrigens auch super Spielelemente im Tanz. Nicht zum selber Herstellen; zum Aufgreifen.

Man konnte mit etwas Übung durchaus fühlen, was dem Gewächs (Gestrüpp?) gut tat; gut ging in der Mannschaft, auch ohne irgendwie weiter ausgearbeitete Konzepte — die wir nicht hatten, nicht mal ’nen Jugend­gruppen­leiter­schein, wie einige andere und wohl auch von irgendwem empfohlen — oder Team-Building-Übungen, die wir auch nicht hatten, jedenfalls nicht im theoretisch reflektierten Sinne. Wir brauchten keine Übungen, wir haben in Wirklichkeit gemacht. Eine Crew und einen Teil von uns selbst gebaut, wachsen lassen, im Spiel. Mit Chance und Risiko.

Und guter Versicherung, was das Boot anging, sowie klarer Rücken­deckung durch den Vereins­vor­stand, vor allem den ersten Vorsitzenden, nicht zu vergessen. Von einem, der ein bestimmtes Anlegemanöver mit 5 bis 6 von Achtern und Standard­ver­fahren im Kopf auch nie vergessen wird.

Experten? So richtig herausgehobene Experten, nach denen sich alle richten müssen — am besten noch mit Hofstaat der sich um die Reinerhaltung des Exper­ten­ge­den­kens sorgt — die die Krise kriegen, wenn einer aus der Reihe tanzt, gab’s eigentlich nicht in der kleinen Szene. Jedenfalls nicht in allzu sichtbar. Wohl aber Vorbilder und ein paar inspirierende Erzählungen, auf dem Weg dazu, Legenden zu werden. Alles weitgehend mündlich tradiert. Und eben nicht an einem Guru und dessen Geschichte oder der Agenda einer Bewegung oder einem quasi-fürstlichen Hauptsponsor hängend.

Bei vielen irgendwie so einer Haltung zugeneigt, die sagt: „Unsere Legenden machen wir selbst“ mehr durch’s Tun als durch’s Reden. Sehr bürgerlich. „Ob wir rote, gelbe Kragen, Helme oder Hüte tragen, Stiefel tragen oder Schuh’. Oder ob wir Röcke nähen und zu Schuhen Drähte drehen  Auch mit längerer und mächtigerer lokaler Tradition im Rücken als vielerorts anderswo. Mittlerweile glaube ich, dass so etwas auch jenseits der üblichen, flachen Vermarktung und allzu gefälligen Überhöhung eine wesentliche Rolle spielt und vor allem nicht beliebig (ver-)formbar ist.




Auch wenn man es manchmal annehmen mag, wenn man sich die Selbstdarstellung der Vertreter anschaut. Ich glaube, sie wissen nicht womit sie spielen, als wäre es Knetmasse und eine Stunde im Kindergarten, unter einer etwas, reichlich neurotischen Leitung.

Halte deinen Scheiß zusammen“ war eine andere, sehr wesentliche Regel, die den Umhang mit mitgebrachten Dingen meinte, aber durchaus auch auf die aus persönlichen Befind­lich­keiten abgeleiteten Ansprüche hätte übertragen werden können und, bei der Majestät derMähnen und Schwänze der beiden Löwen darechts, wie ich wünschte, Stadt,Land und Kindergarten würden sich dasmal hinter dieHelmzier undauf die Adlerfedern— vielleicht etwas freundlicher ausgedrückt, so in die Richtung: „bei sich bleiben und Verantwortung für den Umgang mit seinen Gefühlen übernehmen“. Man konnte die durchaus haben, auch einmal etwas außerhalb des Üblichen, aber es musste zusam­men­gehen und das Funktionieren des Schiffes stand ziemlich weit oben in der Hierarchie. Was, um es noch einmal hervorzuheben, intuitiv zu begreifen naheliegt, wenn das obere Ende der Bordwand bei Ruhe­schwimm­lage gerade einmal 50 bis 70 cm über Wasser liegt, es von Kante zu Kante nur 3 Schritte sind und da nicht einmal eine Andeutung von Kajüte ist, die einem die Illusion vermittelt, dass nichts schiefgehen könne.


Großes Staats­wap­pen am Museum für Ham­bur­gi­sche Geschichte. Relief, in Digi­tal­pho­to­gra­phie von Chris­toph Braun, 17. Sept. 2011.



Und, nicht zu vergessen, dass da, wo man segelt, eben nicht alles irgendwie egal, von gleichem Wert ist, weil sowieso kaum etwas wirklich schlimm schief gehen kann und, bei dem leisesten Anzeichen von Unwohlsein, der Ausweg fremder Führung jederzeit auf bequeme Weise offen steht; immer irgendein Rettungs- und Hilfsdienst im Hand­umdrehen da und bereit ist, die wesentliche Verantwortung von einem zu nehmen, abzugeben erlaubt, in die beruhigenden Hände derjenigen mit den Insignien professioneller Sicherheit.





Ach, wir können das ja eh nicht und wollten nur mal ein bisschen den Kindern das Gefühl geben, als ob … Wie gut, dass Sie überall sind und aufpassen. Jetzt aber schnell wieder an Land, zurück in die Stadt und nach Hause! Wir könnten noch was essen gehen. Draußen, ja draußen ist es sehr gefährlich.“ Und: „Nordsee ist Mordsee.“ Also nicht ins Watt fahren.

Sind wir wirklich in einem offenen Boot, ohne Motor und Funk mit Jugendlichen nach Neuwerk — Tonne 13 / Neuwerk Reede 1 — gleich gegenüber vom Großen Vogelsand — einem der etwas bekannteren Schiffs­fried­höfe — weil irgendwer meinte, jeder Kutter sollte einmal seine Segel­nummer gerundet haben — oder einfach so, gleich am ersten Tag der dritten Sommertour über die Außenweser, den Hohen Weg und weiter gesegelt? Es gab da ja schon irgendwo den Satz: „Kutter haben einen Schutzengel.“

Und ja, so ’ne richtige Wanne fahren, bis die Bodenbretter anfangen aufzu­schwim­men, wo du dich schon fragst, ob sie wohl noch hochkommen wird; wenn sich der spontan in Massen getankte flüssige Zusatzballast mit der offenen Oberfläche, kaum gebremst von Einbauten bemerkbar macht so, wie wenn alles plötzlich einen Hang zum Haltlosen, Über­schwäng­lichen bekommt; auf jeden Bewe­gungs­impuls einer draufspringt und dann noch vier, fünf, blind mit Anlauf hinterher, ist eindrucksvoll.

Das Erlebnis, wie man’s gemeinsam kontrolliert kriegt, da plötzlich an die 500 kg Trimmgewicht beziehungs­weise lebende, knochen- und binde­gewebs­struk­tu­rierte Gesamtmasse sich auf Zuruf — Auf die Kante! Tüten auf!! — in nicht wenig komplex interagierender Weise in Bewegung setzen und dem Boot mitsamt inwärtigem, wie umgebendem Wasser und umströmender Luft ihren Willen aufzwingen, den du dir, wenn du der bist, der die Kommandos rufen darf, zu vertreten und zu koordinieren anmaßt — letztlich dann doch, bei aller Aushandlung; allem Konsens über die eingenommenen Rollen — ist es auch: beeindruckend und verbindend. Vor allem, wenn’s ganz kurz vor knapp war und sie dir hinterher immer noch vertrauen, weil’s gut ging und es wohl auch kein anderer an Bord wesentlich besser hingekriegt hätte.

Und weil, so nebenbei, ein bisschen Aufregung, wo es plötzlich inmitten des Spiels wirklich um was geht, auch nicht wenig Spaß macht, genauer eigentlich: Freude; so ein Gefühl von Lebendigkeit; fließend-staunend wahr­ge­nom­menen Daseins erzeugen kann, das schwer zu ersetzen ist. Oder weil eben Dinge einfach mal passieren, die grenzwärtig oder drüber sind, und ihr sie bewältigt bekommt.

Diese eine Nacht da, im Herbstnebel auf der Brammer Bank, vor Freiburg, wo es schon ganz schön breit wird, die Groß­schiff­fahrt mit ihren Radars’ und Lotsen weiterläuft und ob ihr da jetzt ’ne richtige Anker­la­terne und so ’nen kleinen Röhren-Radar­re­flektor habt oder die Linde rauscht, wenn ihr meint, nach dem Auf­schwim­men noch einmal den Ankerplatz wechseln und tieferes Wasser suchen zu müssen … Aber Nebel­vor­her­sage ist auch echt nicklich, nicklig oder nickelig, bitteschön was aber nicht das meint was du dachtest, mein Lieber und wenn du es noch so oft dafür gehört hast bis heute.


Wichtig auf Som­mer­tour: Regel­mä­ßige Stand­ort­mel­dung aus den Häfen bzw. ihren Tele­fon­zel­len an die Kon­takt­adresse, die ein gedul­di­ges Eltern­teil, Mut­ter­tier über­nom­men hat, also alle paar Tage wenigs­tens, für besorgte Eltern. UKW? GMDSS? SART? EPIRB? Wie bitte?

Im Notfall: 4 Fall­schirm­signal­ra­ke­ten, 2 Hand­fackeln und die Arme. Die Honke noch, also die Nebel­tröte. Eine vier­eckige Flagge, darü­ber oder darun­ter ein Ball oder etwas, das einem Ball ähn­lich sieht, theo­re­tisch.

Ret­tungs­in­sel? Das Boot selbst, wenn genug (Not-)Auf­trieb ein­ge­baut. Und darauf haben wir geach­tet. Zusätz­lich zu dem Holz­rumpf mit weit­ge­hend höl­zer­nen Ein­bau­ten und Holz­mas­ten hatten wir noch Schwimm­kör­per aus geson­dert ver­pack­tem, geschäum­tem Poly­sty­rol unter den Sitz­bän­ken und in der Vor­piek. Auch des­wegen war der Stau­platz so knapp.

Geachtet haben wie auch auf die Kenter­tüten und, dass die Schoten, wenigs­tens von Groß und Besan, nie so belegt wur­den, dass sie nicht schnell zu fieren waren. Macht dann bei den Schot­fah­rern (Schot­gasten wäre das tradi­tio­nelle Wort gewe­sen) irgend­wann die vor­zeig­bare Seglerkralle.

Kentertüten sind voll­auto­ma­tisch selbst­auf­bla­sende Mast-Auf­triebs­kör­per, ähn­lich kons­tru­iert wie selbst­auf­blasende Ret­tungs­wes­ten, aber nicht in Form eines Schwimm­kra­gens mit viel Getüd­del, sondern so wie ein kleines Hebe­kissen für Was­ser­ber­gungs­ar­beiten. Zusam­men­ge­packt ist es ein hand­li­ches, nicht zu schwe­res oder sonst­wie stö­ren­des (er­staun­lich gut) spritz­was­ser­ge­schütz­tes, läng­li­ches Paket, mit innen­lie­gen­der CO₂-Press­gas­pa­trone sowie einer Art Salz­tab­lette als Näs­se­fühler und Aus­lö­se­sperre. Es wird vor Fahrt­be­ginn an einem Fall vor­ge­heisst und wirkt aus­rei­chend, trotz seiner rela­tiv gerin­gen Hebe­kraft (40 daN, unge­fähr ent­spre­chend 40 l Luft­vo­lu­men) über den langen Hebel­arm des Mastes.

Die offi­zielle Bezeich­nung ist Kenter­schutz­kissen und etwas irre­füh­rend, da sie nicht vor dem Ken­tern schüt­zen, sondern dem Wei­ter­ken­tern; dem geken­ter­ten Boot eine ein­sei­tig stabile Lage geben; eine Krän­gung über 90° hinaus ver­hin­dern, unter nor­ma­len Um­stän­den, also eine Schwimm­lage, bei der die Besat­zung in Gefahr kommt im geken­ter­ten Boots­rumpf gefan­gen zu wer­den und ansons­ten alle lose und nicht schwimm­fä­hige Aus­rüs­tung ver­lo­ren geht, evtl. auch noch die Masten oder Spieren im Grund stecken­bleiben.
Bei Jollen­kreu­zern und noch mehr bei Kata­ma­ra­nen und Tri­ma­ra­nen käme in aus­rei­chend tiefem Wasser noch der böse Um­stand hinzu, dass die um 180° gedrehte Schwimm­lage dann wieder sehr stabil wäre. Die letz­te­ren beiden haben dafür ab einer gewis­sen Größe regel­mäßig Not­aus­stiegs­lu­ken, zur Seite oder nach achtern.

Die Entwick­lung kommt von einer enga­gier­ten Wede­ler Sicher­heits-Appa­ra­te­bau­firma, ange­sto­ßen von der schlech­ten Erfah­rung eini­ger Vereine bzw. ihrer jugend­li­chen Besat­zun­gen mit dem Ken­ter­ver­hal­ten bzw. den Sta­bi­li­täts­ei­gen­schaf­ten im geken­ter­ten, geflu­te­ten Zustand der in Hamburg Mitte der 1970er Jahre auf­ge­kom­me­nen JWK’s in GfK-Bau­weise, mit ähn­lich wie bei vielen Jol­len­ty­pen bewährt einge­bauten Luft­kam­mern in der Bilge.
Deren Auf­triebs­schwer­punkt dann wo liegt, in dem um 90° geken­ter­ten Zustand, im Ver­hält­nis zum Mas­sen­schwer­punkt des Gan­zen, ein­schließ­lich des von der gedreh­ten Hohl­form des Rumpfes und in porö­sen Mate­ria­lien ein­ge­schlos­se­nen Wassers?
Und sich die zum Auf
­rich­ten, also dem Unter­was­ser­drücken der Luft­kam­mern auf­zu­brin­gen­de Kraft wie ver­hält, zum dann ver­füg­ba­ren Trimm­ge­wicht? (Selbst wenn man es auf das aus­ge­schwenk­te Schwert ver­la­gert bekommt, ohne Hal­te­punkte, Leinen, Lei­tern und so, am glatten Rumpf.)

Darf ich noch einmal an das Thema Erkennt­nis­theo­rie, die Frage der nach sozia­ler Über­ein­kunft kons­tru­ier­ten Wahr­heit über die Wirk­lich­keit erin­nern? Und an die Frage der Fähig­keit von Laien, Aus­sa­gen darü­ber zu tref­fen, die sinn­voll von ‚Bla‘ zu unter­schei­den sind? Vielleicht auch noch an die nau­ti­sche Priori­tä­ten­liste aus Kap. 4? „Zunächst ein­mal schwim­men, atmen, warm und halb­wegs trocken sein, dann einer Rich­tung folgen, auf­recht bleiben …“

Navigation: Auf Sicht und mit Kom­pass und Sport­boot­karten auf Papier. Peil­kom­pass und Fern­glas waren schon was beson­de­res. Wir hatten keins mit dem man wirk­lich viel sehen konnte. Logge? Nö. Lot? Riemen, als Peil­stab und die Schwer­ter. Mit akus­ti­scher Boden­ma­terial­er­ken­nung. (Stacks und Find­linge klin­gen beson­ders ein­drucks­voll.) Sichere Navi­ga­tion mit Papier­kar­ten in so einem dauer­durch­näss­baren Chaos­hau­fen ohne alles? Ja.

Übrigens, wisst ihr was das Aller­hei­ligste ist an Bord so eines Jugend­wan­der­kutters auf Som­mer­tour, in Hinblick auf Boots­aus­rüs­tung und Stau­plätze? Die Reser­ve-Glas­zy­lin­der für die Posis. Ganz hinten in der U.A., ein­ge­keilt zwi­schen Bord­wand und Ach­ter­ste­ven, in der Box mit den Kocher­er­satz­teilen. Die hat näm­lich keiner mehr in den nor­ma­len Aus­rüs­tungs­läden.

Wo ich’s so auf­schreibe und noch­mal lese denke ich, dass Hei­li­ges mit prak­ti­scher Bedeu­tung zu tun hat. Darf nur nicht zu gewöhn­lich und durch­schau­bar sein, dann wäre es profan. Ein Unter­schied von reli­giö­ser Praxis und dem, was wir da gemacht haben ist, neben der Benen­nung natür­lich, dass unse­res für jeden an der Wirk­lich­keit über­prüf­bar war, zu Leb­zei­ten. Und Raum ließ für Trans­zen­denz, wenn es denn das gewe­sen wäre was wir (bewusst) gesucht hätten.

Ich denke, wir haben Wirk­lich­keit gesucht, ein­ge­grenzt durch die Regeln des Spiels und auf­ge­fan­gen durch eine hoch­ent­wickel­te Zivi­li­sation, in einem der Berei­che in dem die Moderne noch weit­ge­hend unan­ge­fochten war und das Gegen­bild der ers­te­ren noch durch­schien, bzw. die exis­ten­tiel­len Gren­zen spür­bar wurden. Viel­leicht hätte es auch Ent­decker­spiel heißen können, was wir machten.

Kein Wunder, glaube ich, dass Die Siedler von Catan“ unge­fähr zu der gleichen Zeit ein so belieb­tes Gesell­schafts­spiel wurde.

Ach nee! Guck ma’ hier, Frl. Nickl-Schick­lich undmisslich‘ hätte auch nicht sehr miss­legen, misse­lingen, weitab gelegen, bei kleiner Ände­rung also, Annah­men, Luft und Was­ser ma’, mal wieder.


Oder in dem Wattfahrwasser, hinter einer der friesischen Inseln, wo wir erst stecken­ge­blieben waren und später an dem alten Grabbel hingen, von dem wir eigentlich wussten, dass der nicht so toll hält … Die Ansage zur Nacht war sowas gewesen wie: „Wenn ihr mal müsst, zieht euch vor dem Gang auf die Vorpiek ’ne Schwimmi an und weckt einen anderen. Dass es überhaupt wer mitbekommt, falls ihr dabei über Bord geht und dann wegtreibt!“

Die im vorigen Kapitel erwähnte Nummer mit Beaufort 6 bis 7, bei Wind gegen Strom, und dem Behelfs-Großtrysegel aus der alten Reservefock im Seegat … irgendwie einfach gemacht; probiert, gemerkt was nicht geht und vor dem Umdrehen noch was anderes probiert, wofür es eine ungefähre Vorlage gab und ein bisschen Material zum Impro­vi­sieren. Genügend Gewandtheit und Disziplin, um dem Raum zu geben und nicht bei der ersten harten Wellenserie die Nerven zu verlieren. Und so weit war’s ja gar nicht, bis zum Watt­fahr­wasser, wo der Seegang nachlässt und schon fast wieder easy-going ist.

Ich würd’s nicht machen, aber wenn du’s machst mach ich mit“ war einmal ein hübscher, trockener Beitrag zu einer Abstimmung über die Tagesroute. Eigentlich was ziemlich harmloses, irgendwo in der dänischen Südsee, dem Rande zu.


Affenfels­vegeta­tions­riten


Die hohe Priorität des technischen Funktionierens des Bootes, ins Verhältnis gesetzt mit den Fähigkeiten der Manschaft, gab denen, die zu allererst darüber zu befinden hatten, was wesentlich war für dieses Funktionieren, ob es vertretbar war auszulaufen oder irgendeiner Idee zu folgen und was eventuell noch mehr Beachtung bedurfte, nicht wenig Macht („Können wir uns mal angewöhnen, dass …“war eine Variante, das letztere anzumahnen, dienach einiger Zeit selber von densolcherart Ermahnten angemahnt wurde, alsetwas „das nervt“ und zwar zu sehr, womit sienicht Unrecht hatten, in dem Jahr) erlegte ihnen aber auch die Pflicht auf, zu zeigen, dass es kein hohles Geschwätz war, zu einseitigem, bloß hinter einer Maske von Fach­kompetenz verstecktem Vorteil. Schließlich würde, früher oder später, jeder an Bord in die Lage kommen, selber auszu­probieren oder zumindest vor dem Hintergrund eigener Erfahrung nach­zu­voll­ziehen, ob da was dran war. Und nur ein wenig darunter folgten eben auch so etwas manipu­la­tions­resis­tentes, wie Freude am Zusammensein und Rituale, die das bekräftigen, im positiven Falle, im negativen aber die soziale und emotionale Fallhöhe enorm vergrößern.

Wenn du einmal Freude daran gefunden hast, etwas Ritualisiertes vorzusprechen — was bei uns ganz klar hieß: So laut zu vorzuschreien wie geht — Auf die Eny Sieben ein dreifaches Hipp-Hipp —“ was die anderen an Bord dann passend im Chor mit „— Hurra!“ beantworten und was heißt beantworten: so kraftvoll brüllen sollen, im dreimaligen Wechselspiel, dass es der ganze Hafen hört und weiss, wer da gerade wieder mit spät­pu­ber­tärem Stolz durch die Einfahrt gekommen ist — würde es dir verdammt viel ausmachen, wenn dann irgendwann nichts mehr oder etwas ironisches zurückkäme, weil sie dich eigentlich für einen eingebildeten Idioten halten.

Wie Nicolae Ceaușescu es ertragen konnte, den vermeintlichen Jubel seiner schweigend vormar­schie­renden Genossen Untertanen vom Band eingespielt zu wissen, ist mir unbegreiflich.

Jemand, der in der Lage ist ein Ritual zu sprengen, das dem, der es anleitet etwas bedeutet, im Sinne von Selbst­bewusst­sein und Motivation, hat auch nicht wenig Macht — und wiederum nicht wenig Verant­wortung. Auch der da oben auf der Achterpiek, der sich in meinem Beispiel gerade so albern-ernsthaft exponiert, hat ja — wenn er denn die Souveränität dazu hat und nicht vom Erfolg in der eigenen Rolle abhängig geworden ist — die Möglichkeit, vor dem nächsten Mal zu erklären, er hätte jetzt was besseres vor und sie sollten doch sehen, wie sie alleine und mit zwei tatkräftigen Händen und einem erfahrenen Verstand weniger klarkommen. Anschaulich zu vermitteln, dass das eine (Macht; Unterwerfung) an das andere (Verant­wor­tung; Verletz­lich­keit; Vertrauen) gekoppelt ist — in beiden Rollen — und, dass es da so etwas wie einen Sweet spot gab, einen Punkt — Bereich eher, wo es sich gut anfühlt mit dem gemeinsamen Machen, den man, wenn die Balance stimmte, treffen konnte, immer wieder, zur gegenseitigen Befriedigung, war eine Grundtugend unseres Bootes, soll heißen: „bei uns an Bord“. Anything Goes? No way!

(Alles geht? Keineswegs; durchaus nicht; unter keinen Umständen!)

Es gab merkwürdige Bräuche wie das zelebrieren eines Nachtisches, in Form einer im Kreis herumgereichten Schüssel mit einer Süß-, meistens Quarkspeise mit nicht zu wenig Sahne (Hau rein!) Zucker und Zimt, mit in Zuckersirup eingelegten Konser­ven­früchten und einem Esslöffel, mit dem jeder in jeder Runde nur einmal nehmen durfte, als Happs direkt in den Mund und man sich weder den oder die vor, noch hinter einem aussuchen konnte … Darf man in Corona-Zeiten eigentlich auch keinem mehr erzählen. Keine Ahnung, wo das herkam aber wir fanden’s gut. Musste man nicht lange drüber reden, hat man irgendwann gemacht, weil’s irgendwer, irgendwelche von irgendwo kannten und wenn’s irgendwie gut war, jedenfalls gut genug, nach Meinung ausreichend vieler und ohne hinreichend überzeugenden Widerspruch, hat man’s weiter gemacht. Heute hätte ich einen Erklä­rungs­an­satz dafür, was genau daran gut war und warum.




Zu acht nach- und durcheinander an einer Saftpappe nuckeln, die schon den halben Tag in der Automatik— kurz für: Automatische Saft­pappen-Klemm­hal­terung oder so ähnlich, zwischen zwei Spanten im achteren Bereich zwischen Cockpit­bänken und Balkwegern — den von Bug bis Heck durchgezogenen, massiven Verstärkungen des Bootsrumpfes am oberen Ende der Beplankung — in der Sonne gestanden hatte, manchmal auch schon ein bisschen Elb- oder Sonstwo-Wasser abbekommen hatte, mit dem überaus köstlichen Wegbring-Schluck am Ende … Wouh.

Natürlich gab es Grenzen, für alles — wir waren, wie gesagt, kein Seelen­verkäufer — nur manchmal eben dort, wo man sie vor dem ganzen, die Welt nahezu überhaupt nicht bewegenden, schon gar nicht sie in ihren Grundfesten zerlegenden und den zusam­men­getrüm­merten Klumpatsch irgendwo hin heben,-zwingen wollenden, aber schönen und charak­ter­bil­denden Abenteuer nicht vermutet hätte. Ich jedenfalls nicht, als früheres Etepetete-Nee-mag-ich-nicht-Iiih!-das-auch-nicht-Kind. Dass so etwas ernsthaft Spaß sic! machen könnte und die soziale und semantische einem Symbol Bedeutung verleihende Kraft hätte, dem Wort Affenfelsen‘ oder der nun legendären Wortfolge ‚Chaos, Trümmer, Torf‘ einen Beiklang von Glück und, sich selbst nicht aussparend, spöttischer aber durchaus echter Anerkennung zu geben, hätte ich auch nicht gedacht bevor ich zum zweiten Mal segeln lernte, sozusagen.

Ein drittes Mal folgte ein paar Jahre darauf, angestoßen von einer zufällig getroffenen, ein bisschen seltsamen Kutter­mann­schaft von der Weser, wo die KuFü’s mit so einem besonderen Klang in der Stimme von ’nem Gaffelschoner sprachen, aber nicht so was altem, aus irgendwas anderem zurecht­ge­schus­ter­ten … wohl recht schnell, aus Holz, formverleimt, und meistens irgendwo draußen auf der Nordsee.

Und dann kam irgendwann auch der Gedanke, dass diese kleine, einmal nebenbei am Hafen gehörte Geschichte — von dem aus der alten Kutter­mann­schaft, der mit solchem Kram ansonsten nicht gerade viel am Hut zu haben schien, aber mit unver­kenn­barer Begeisterung von dieser gewissen Zutat sprach, die es so haftend im Gedächtnis machte — eine irgendwie improvisiert-experimentelle Art zu tanzen — dass dieses, schon eher abseitige Fundstück vom Hörensagen einen Versuch wert sein könnte, wo es doch schon im Hoch­schul­sport­pro­gramm stand, fast nichts kostete und irgendwann auch mal gut war, mit ein bisschen unam­bi­tio­nierter Kampfkunst nebenbei. Wenn der gewusst hätte, an welchen still umkämpften Mauern er da so beiläufig kratzte …


Saving private community


Über die Verankerung des Ganzen an der prinzipiell für jeden beobacht­baren; alle verbindenden Wirklichkeit und die Verstän­digung über diese durch Sprache mit hinreichend gemein­samen, tradierten Begriffen, auf der Grundlage von Ideen der Moderne im Sinne von Modernität, mit der Abkehr vom Vorrang der Autorität von Propheten, welche nach sozialer Übereinkunft als erleuchtet gelten, oder der Willkür-Freiheit weltlicher Herrscher, zugunsten der möglichst objektiven Prüfung von Konzepten, Modell­vor­stel­lungen gegen die Realität, als geistigem Kern der Suche nach Wissen, Macht und Fortschritt in der Zivilisation hatte ich geschrieben, oder?

Alexander Kircher: M/s KUNGSHOLM. 1928.



Über die Fortschreibung dieser großen Geschichte um eine eigentlich nicht so fern liegende Methode hinaus mit Sprache und sozialen Normen spielen, schlechtes Wetter und eigene Schwächen in kleine, gute Geschichten Mini-Narrative verwandeln, Gemein­sam­keiten konstruieren und rituell bekräftigen, Grenzen in Frage stellen und performativ Dinge ironisch verfremden, das konnten wir auch, wie zu zeigen war, das gehörte dazu. Aber einem daraus abgeleiteten, plötzlich wieder auf unhinter­frag­baren subjektiven und, wenn theorie­gemäß aufgefasst; gedeutet; begriffen, für authentisch erklärten, wirklich — also in echt jetzt mal erlebten; gelebten, durchlebten und ausgelebten — im echten Leben durch­gespielten und nach­gespürten; mitreißend wirksam vorge- und auf­geführten — mit breiten Strichen oder spitzen Bemer­kungen ausge­malten — und, vor allem, allem anderen: einprägsam benannten Erfahrungen von Unter­drückung; Unrecht; Schinderei; Beengung; unge­wollten; auf unfaire Weise zum einsei­tigen Vorteil ausge­handelten; aufge­zwun­genen Grenzen: “lived experi­ences of oppression” — dem entschei­denden theore­tischen Anker im boden­losen Meer postmoderner Dekonstruktion 


Erlebte Erfah­rung, schreck­lich macht­los, sucht Selbst­zwei­fel mit gutem Willen, zwecks Grün­dung tota­li­tärer Herr­schaft. Ruf an!“



… gestützten; daran­ge­hängten und auch noch laufend erwei­terten Kanon an völlig ernst gemeinten Wort- Musik- Lust-, Essens-, Freund­schafts-, Denk-, Lach-, Lese-, Anseh-, Rede­be­tei­li­gungs- und Kultur­ver­mi­schungs­ver­boten (und Berühr­un­ter­sa­gungen erst) samt vorge­schrie­benen Sprach­formeln, Darstell­di­rek­tiven, sonders allfällig und spontan nach­zu­voll­zie­henden Erge­ben­heits­adressen hätten wir ziemlich irritiert und, wie ich schätze, nach ein paar schlechten Erfahrungen auch sehr ablehnend gegen­über gestanden. „Spaßbremsen!“ hätte der respektlos einge­worfene und damit das Gleich­gewicht halbwegs wieder­her­stellende Kommentar lauten können. Ich glaube, ich habe das Wort schon eine ganze Weile nicht mehr gehört.


Wenn es auch eine „nicht erlebte Erfah­rung“ von Unter­drückung gäbe, die jemand gemacht haben könnte, wäre es dann Anzeichen eines gesunden Zustandes?



Ein Nachgeben gegenüber den mit solchen Ver- und Geboten begrün­deten Forderungen, dessen Folge, wie üblich in Miss­brauchs­be­zie­hungen, immer neue, weiter­gehende Forderungen gewesen wären, hätte unser Spiel und Teile dessen was damit verknüpft war — Freundschaft, Liebe, Selbst­bewusst­sein, Freude an einfachen Dingen beispiels­weise — schnell zerstört, vor allem die, von der freien Willens­ent­schei­dung der Einzelnen — zeitweise zwischen 15 und 25 Jahren alt — abhängige, eher unwahr­schein­liche, fragile Teil­zeit­gemein­schaft aus Jungen und Mädchen und damals echt noch sehr jugendlichen Männern und Frauen. Ich mein’, da hätt’ ja jeder kommen können und erzählen, im dialektischen Himmel ist Jahrmarkt und wer nicht vom systemischen Teufel und seinen Verführungen besessen werden wolle, müsse ihm und seines­gleichen fortan, willig und ohne Unterlass …


Wo ich oben noch von „kannst du mal […]“ und darüber von „biss­chen autoritär“ geschrieben habe denke ich: Oh Gott, wenn sie uns damals schon von der Schule und allen Seiten her mit CSJ-Idea­len bzw. For­de­run­gen gekommen wären — natürlich nicht mit so Theo­rie­mons­tern wie Dialektik und systemic oppres­sion, sondern mit Fairness, ganz einfach; Rück­sicht auf Schwä­chere; Angehen ver­deckter Probleme und Ein­be­zie­hen von Leuten, die es nicht so leicht haben — hätte es uns sowas von zerlegt, sozial, grup­pen­dy­na­misch. Wahn­sinn. Wir hätten dann gar nicht anfangen brauchen, so links-sym­pathi­sie­rend oder gut­wil­lig-liberal wie die meisten drauf waren.

Klar, die Basis von Erleb­nis­sen, Anreizen und Mög­lich­kei­ten, die Regeln und Erzäh­lun­gen waren solide, doch mit dem richtigen Ein­falls­tor … mehr als Aufruf, denn als Analyse. „Nur um einen Dialog anzustoßen.“ Also eigent­lich Anklage, Protest … in einem Reso­nanz­raum. Auf ein paar sugges­tive Schlag­worte verkürzt so, dass es ab­schreckt und die ganzen schönen Erzäh­lun­gen zwei­fel­haft erschei­nen lässt, abwertet, ent­wer­tet; die Leichtig­keit ver­däch­tig macht und Auf­merk­sam­keit zieht, aufsaugt, bindet; Struk­tu­ren ver­flüs­sigt, Regeln und Über­zeu­gun­gen da­hin­ge­stellt sein lässt; die Vereine von innen heraus gegen­ein­an­der auf­bringt … Wie die Sporen eines Spalt­pil­zes, einge­bettet in ausrei­chend gedüng­tem Humus, durch ein offenes Luk in die Bilge eines alten Holz­schif­fes geworfen.

Aber wart’ mal Trüffel, das dra­ma­ti­sierst du jetzt aber. Wer kann denn was gegen’s Kutter­se­geln haben? Es ist doch schön und, wie du selbst sagst, cha­rak­ter­bil­dend. Gibt den Jugend­li­chen ein paar sinn­volle Dinge zu lernen, nicht immer nur Ablen­kung, all das Durch­ein­an­der. Und gegen alte Schiffe, auch noch aus Holz, kann doch erst recht niemand …

Vor allem aber impo­nier­ten den HJ-Führern die viel­sei­ti­gen Ansprü­che, die der Kutter durch die Kom­bi­na­tion von Lug­ger­ta­ke­lung und offenem, ruder­ba­rem Schwert­boot an die Besat­zung stellte. See­mann­schaft, Kame­rad­schaft, ‚kör­per­li­che Ertüch­ti­gung‘ und ‚Heran­züch­tung von Füh­rer­per­sön­lich­kei­ten‘ konnten auf diesem Aus­bil­dungs­boot in nahezu idealer Weise ver­wirk­licht werden.“

Aus: Joachim Müntzel: Segeln wie zu Kaisers Zeiten: Jugend­kutter sind wieder »in«. In: Die Yacht, Nr. 2, 20.1.1977, S. 83.

Uups … „Füh­rer­per­sön­lich­kei­ten“. Ah, ja … schön, also solche wie … „Heran­züch­tung“. Äh … (Wem ‚HJ‘ — oben schon einmal erwähnt — nichts mehr sagt: Das waren die.) Beachte auch den Titel, von 1977. Der Autor war dem Text nach ‚Best­mann‘ eines großen, wohl­an­ge­se­he­nen Segel­ver­eins, kein Außen­seiter.

Führerzucht, Reichs­kriegs­marine.

Wann stellt sich die Ham­bur­ger Segel­ju­gend ihrer …“ Und dann ein paar spre­chende Bilder … früher, heute, wie­der­er­kenn­bar: Asso­zia­tion «klick». (Phan­tas­tisch zusam­men­ge­setzte Namen gehen auch gut, mit düste­rem Anklang, für deren Dekon­struk­tion man Fach­wissen braucht, also vor­zei­gen muss, die intime Kennt­nis der ver­fäng­li­chen Ver­gan­gen­heit.) Viel­leicht noch die Sache mit den Jugend­tref­fen in Loui­sen­lund oder die Kutter­tau­fen … Und Exper­ten, nicht für das Eigent­li­che — dafür nur ein biss­chen unbe­hol­fene O-Töne — son­dern für das Ver­fäng­liche, um das Eigent­li­che, in seinen funk­tio­nie­ren­den Struk­tu­ren zu un­ter­bre­chen und ab­zu­bau­en. Zu weit her­ge­holt? Schaut euch um!

Und schaut dabei nicht nur, was einer (irgend­wie) sagt, sondern auch mit welchen Begriffen, For­mu­lie­run­gen und Sym­bolen, Gesten auch, es gesagt, gefasst, begrif­fen, über­setzt wird und vor allem, was passiert, wenn man es anwen­det, mit dem Eigent­li­chen und dem am Rande berührten.

Schön ist auch die Übung: „Einfach mal gucken, was passiert wenn Wider­spruch kommt.“

Es gibt da so einen Satz der in den 1990ern hin und wieder auf Auf­kle­bern zu lesen war: „Fesseln spürt, wer sich bewegt.“ Der stimmt zwar so nicht, weder in seiner Allge­mein­heit, noch in seiner nahe­lie­gen­den Umkeh­rung, hat aber in diesem Kontext den­noch etwas erhel­len­des für sich.

Man braucht auch keine poli­ti­sche Loya­li­täts­er­klä­rung bzw. Abgren­zung, um ihn sinn­voll anwen­den zu dürfen. Und Freiheit, sich bewe­gen zu kön­nen, in der Welt an der man da mit­baut, ist immer die Freiheit der An…

Die Frage ist nicht: „Wer kann denn …“ Sondern: Welche Ideen können, in welchem Umfeld?

Aber … Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten, mit tech­nisch-hand­werk­li­cher Kom­pe­tenz, tüchtig und kör­per­be­wusst, mit viel Gemein­schafts­sinn … Sinn auch für Ein­fach­heit, Natur, Schön­heit, Zusam­men­hänge, Wesent­li­ches, Dinge von früher und heute kann man … überall brauchen, nicht wahr?

Vgl. Kap.6 u.7 u.Kap.12, Die Schlange ist nicht außerhalb.

Fünfmal erzählte Geschichte


Die Jugend­wan­der­kutter sind eine Klasse von Segel- und Ruderbooten, die in den 1950er Jahren aus den Kuttern zweiter Klasse der Kaiserlichen Marine entstand und seitdem zur Ausbildung von Jugendlichen eingesetzt werden, überwiegend von Hamburger Segelvereinen. Sie eignen sich insbesondere zum Erwerb von Fähigkeiten und der Vermittlung von Tugenden, die im Fahrtensegeln mit kleinen Booten und Yachten von Bedeutung sind.

In den 1950er Jahren griffen Funktionäre westdeutscher Segelvereine auf Entwürfe der Kaiserlichen Marine zurück und entwickelten ein Boot, das ihren Vorstellungen zur Ausbildung von Nachwuchs, vor allem in der wichtigen Seehafenstadt Hamburg, noch besser entgegen kommen sollte: Der Jugend­wan­der­kutter. Ein kombiniertes Segel- und Ruderboot, dass es ermöglichte, Jugendliche die am Segeln Interesse zeigten auch auf längeren, von den Führern der Sportgruppen organisierten sogenannten „Wanderfahrten“ an die Tugenden und Fähigkeiten heran­zu­führen, welche bereits zu den Hochzeiten der wilhel­mi­ni­schen Seemacht­politik eine nicht geringe Rolle in der Heran­züchtung von geeigneten Charakteren spielten.


羅城門鬼
Rashō­mon-no-oni (Der Oni vom Rashō­mon) von Tori­ya­ma Sekien, aus dem Kon­jaku Hyakki Shūi (Nach­trag zu den Hun­dert Dä­mo­nen von einst und jetzt) Band 3 (Regen) erst­mals erschie­nen im Jahre 1780. Über Wiki­me­dia Com­mons, dort auch in groß.

Rashō­mon oder Ra­jō­mon war ein Haupt­tor im äußers­ten Befes­ti­gungs­ring um die Haupt­stadt Heian-Kyō und ein Schau­platz des gleich­na­mi­gen Spiel­fil­mes von Akira Kuro­sa­wa aus dem Jahr 1950. In die­sem geht es u.a. um sub­jek­tiv gefärbte, alter­na­tive und sich wider­spre­chende Ver­sio­nen der Ge­schich­te eines dra­ma­ti­schen Ereig­nis­ses, erzählt von zwei Betei­lig­ten und einem Zeugen sowie einem Medium, das angibt für den Geist eines Getö­te­ten zu sprechen.

Einen kurzen Eindruck gibt dieser Filmtrailer.


Angesichts des wieder­er­star­kenden bürgerlich-deutschen Selbst­be­wusst­seins in den 1950er Jahren erinnerten sich einige ältere Mitglieder von Arbeiter­vereinen an die Erfahrungen mit den vielseitigen, robusten Beibooten der Schiffe der Kaiserlichen Marine und überlegten, wie sie diese zur Weitergabe ihres Wissens und der ihren Interessen dienlichen Tugenden nutzbar machen könnten. Die alten Boote waren klein und karg ausgestattet gewesen, doch jetzt gab es, auch durch Verbindungen zu einigen fortschrittlich denkenden jungen Leuten aus bürgerlichen Kreisen und mit Hilfe aus Hand­werks­be­trieben, im von den Obrigkeiten nie ganz zu kontrol­lie­renden Getümmel der Großstadt die Möglichkeit neues zu schaffen und einer neuen, lebens­hungrigen Generation an die Hand zu geben: Den Jugend­wanderkutter.

Die Weitergabe, das Einschreiben und Bestätigen von Tugenden und tradiertem Wissen hängt, wie wir heute wissen, auch mit den dafür eingesetzten Materialien, Kultur­techniken und Anwen­dungs­mustern zusammen. So verwenden beispielsweise dem Segelsport dienende, private Vereine in Hamburg die, noch aus Ideen der 1950er Jahre gebauten Jugend­wan­der­kutter — ein Wort, das in sich die Verbindung von Jugendlichen mit der bürgerlich dominierten Tätigkeit des Wanderns und bestimmten Typen von Booten der Marine des deutschen Kaiserreiches wilhelminischer Prägung trägt — bis in die Gegenwart, um junge Menschen, darunter auch Mitglieder margi­na­li­sierter Gruppen an die von ihren Fürsprechern favorisierten Haltungen, Handlungs­muster, tradierten Rollenbilder und mehr heran­zu­führen ohne, dass deren systemische Bedeutung je angemessen reflektiert wurde. Der Satz „hier sitzen wirklich alle in einem Boot“ aus einem Bildband über die Welt des Segelsports aus den späten 1970er Jahren, erinnert noch über 40 Jahre später von einer, welche die Erfahrung der ungeregelten „Ausbildung“ auf so einem Boot selber durchlebt hat, kann als Mahnung an das, die unterliegend wirksamen macht­förmigen Bezie­hungs­geflechte verschleiernde und in die laufenden Diskurse hinein­wirkende Potential dieser Praxis hinzugefügt und angenommen werden.

Die über das Wandersegeln hinaus bedeutsame Vermittlung von Tugenden wie Gemeinsinn, Vermitt­lungs­kom­pe­tenz und Respekt für die Grenzen sozial Schwächerer wird jetzt auch von Hamburger Segelvereinen groß­geschrieben, die sich dazu der einstmals von weitsichtigen Aktiven entworfenen „Jugend­wan­der­kutter“ bedienen. Diese von Hand gebauten Boote, auf denen bereits in Vergessenheit geratene, überraschend einfache und effektive Dinge, wie Luggersegel und Riemen (zum Antrieb bei Flaute, an Stelle der sonst üblichen Verbren­nungs­mo­toren) zum Einsatz kommen und nach einer Phase der Eingewöhnung begeistert angenommen werden, erlauben es, junge Menschen aus den vielfältigen Communitys der Hansestadt an den Alltag einer offenen Gesellschaft heranzuführen und ihnen, sich selbst­be­stimmte Freiräume eigen­ver­ant­wort­lich anzueignen. Der Satz „hier sitzen wirklich alle in einem Boot“ kann darin, neben der Abhängigkeit von Natur und Umwelt, sprich­wörtlich erlebt werden, als Mahnung an eine von Krisen geschüttelte Welt im Wandel.


Und wie viele Geschich­ten waren es?


Die Jugend­wan­der­kutter sind eine Klasse von Segel- und Ruderbooten, die in den 1950er Jahren entstanden war, als Weiter­ent­wick­lung der „Marinekutter zweiter Klasse“ und bei einzelnen Hamburger Segelvereinen zur Ausbildung von Jugendlichen Verwendung fanden. Sie sollten sich insbesondere zum Erwerb von Fähigkeiten und der Vermittlung von Tugenden eignen, welche im damals populären „Wan­der­fahr­ten­segeln“ mit kleinen Booten und Yachten als bedeutsam angesehen wurden.

Welche Geschichte ist wahr?
Welche ist frei erfunden?
Welche dient welchem Zweck?
Und mit welcher lässt es sich am besten leben?

Welche ist am interessantesten?


Nicht wirklich, aber schön

(oder umgekehrt?)


So frei waren wir, dass wir wie selbst­ver­ständ­lich eine große schwarz-weiß-grinsende Totenkopf-Flagge an der Besanrah führen konnten, an Stelle der dort hingehörenden Bundesflagge ohne, dass da je einer gekommen wäre und gesagt hätte: „So, jetzt passt mal auf, ihr verträumten Schnuffis …“

An einer Stelle, die traditionell einem der zentralen Symbole des Staates, dem wir angehörten; in dessen Herr­schafts­be­reich wir lebten und spielten; dessen Gesetzen wir unterlagen und dessen weitgehend gebührenfreie, steuer­fi­nan­zierte Leistungen — Unterhalt der großen Wasserstraßen, Sicherung des Seeverkehrs, Förderung des Sportes beispielsweise — aber auch Schul- und sogar Hoch­schul­bil­dung, Ausbil­dungs­för­derung sowie diverse Sozial­leis­tun­gen, wenigstens als Absicherung im Hintergrund, nicht zu vergessen — wir wie selbst­ver­ständlich in Anspruch nahmen, die in ihrer Symbol­träch­tig­keit diesem uns weit überlegenen Rechtssubjekt vorbehalten war, konnten wir ein seit Jahrhunderten international verständliches Zeichen radikaler, bewaffneter Gesetzlosigkeit und Feindschaft zu allen etablierten Ordnungen öffentlich zeigen — auch im Ausland übrigens, dann mit der Bundesflagge in kleiner darunter — ohne dass es irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte. Abgesehen von einem Lächeln vielleicht oder einem Stirnrunzeln.

Um den Kontrast zur Gesell­schafts­ge­schichte zu verdeutlichen stelle man sich so etwas, auch noch in der geschlecht­lichen und altersmäßigen Zusam­men­setzung — alle unverheiratet und ohne pädagogisch-ideologisch geschulte Aufsicht — hilfsweise einmal unter national- oder real­sozia­lis­ti­schen Bedingungen vor — mit ’ner Jugendgruppe auf ’nem K-10, statt Hammer, Zirkel und Ährenkranz den Jolly Roger gesetzt, so um 1984 im Strelasund und dann Kurs Barhöft, Gellenstrom … Hey-ho, John Silver, c’me alongside, klar zum Entern!




Oder im Kaiserreich — um 1910 vielleicht, sonntags vor den Blankeneser Elbterrassen, schwarz, Schädel und gekreuzte Knochen über schwarz-weiß-rot, den Strandadel aufmischen — oder unter konservativ- oder gar revolutionär-religiöser Herrschaft. Oder noch in der Bundesrepublik der Fünfziger- und Sech­zi­ger­jahre. Spätestens bei Symbolen an deren Funktionieren große Erzählungen hängen ist üblicherweise Schluss mit lustig, aber sowas von.


Von der Un­gläu­big­keit zur Un­an­nehm­barkeit

diesen abschnitt elegant überspringen


Simplifying to the extreme, I define postmodern as incredulity towards metanarratives.

Bis ins Extreme vereinfachend, definiere [erkläre; umschreibe; umgrenze] ich postmodern als Ungläubigkeit [sic!] gegenüber Meta-Narrativen.


incre­du­li­ty […]:
1. Un­wil­ling­ness or in­a­bi­li­ty to be­lieve; doubt about the truth or ve­ri­si­mi­li­tu­de of some­thing; dis­be­lief.
2. (rare) Reli­gious dis­be­lief, lack of faith.”

Wiktio­nary (en), incre­du­lity, Jan. 2023.

Ungläu­big­keit:
1. Un­wil­len oder Un­fä­hig­keit zu glau­ben; Zweifel über die Wahr­heit oder Plau­si­bi­li­tät
[wörtl.: Wahr­heits­ähn­lich­keit] von etwas; Un­glaube.
2. (selten) Reli­giö­ser Un­glau­be, Man
­gel an Ver­trau­en [Treue; Glaube].“

Einer der Anfänge der Post­mo­derne ist bekannt­lich die berühmte Reise von Robert Venturi nach Las Vegas. Dort ent­deckte er, daß die Gebäude, die er sheds nennt, mit rie­si­gen, erklä­ren­den Zei­chen­sym­bo­len behaf­tet sind: An der Straße steht das große, beleuch­tete Signal für ein Ver­gnü­gungs­eta­blis­se­ment namens Star­dust; biegt man dann aber mit dem Auto ein, so bewegt man sich aber auf ein relativ unauf­fäl­li­ges, nied­riges Gebäude zu, eben das shed, das schon aus dem Grunde nicht beson­ders volu­mi­nös ist, weil es kli­ma­ti­siert werden muss. „Lear­ning from Las Vegas“ bedeu­tete für Venturi die Erkennt­nis, daß sich die zei­chen­hafte Erklä­rung des Baues trennen kann von dem eigent­li­chen Bau­ku­bus, und er richtete diese Erkennt­nis gegen den strikten Ratio­na­lis­mus der mo­der­nen Archi­tektur.“

Lucius Burck­hardt: Warum ist Land­schaft schön? Die Spa­zier­gangs­wis­sen­schaft. 2. Aufl., Berlin: Martin Schmitz Verlag, 2008. S. 106 – 107. Meine Her­vor­hebungen.

Die ange­spro­chene Reise nach Las Vegas war eine Stu­dien­reise — “a re­search stu­dio” — mit Stu­den­ten im Jahr 1968 und hat ihren Nie­der­schlag in der Archi­tek­tur- und Gra­phik­de­sign­ge­schichte gefun­den mittels eines monu­men­ta­len Bandes namens: “A signi­fi­cance for A&P parking lots, or Learning from Las Vegas” (Robert Venturi, Denise Scott Brown, and Steven Ize­nour, MIT Press, 1972). Dem, was Burck­hardt ein wenig als bahn­bre­chende Ent­deckungs­reise anklin­gen lässt, ging gleich­wohl ein Artikel von Venturi und Scott Brown unter dem gleichen Titel in einer Fach­zeit­schrift im März 1968 voraus.

(Wahr­schein­lich waren die rie­si­gen, erklä­ren­den Zeichen­sy­stem­sym­bole an den Glücks­spiel-Sheds in der Wüste nur nie­man­dem vorher so richtig auf­gefallen.)

Ein shed ist ein Schup­pen; eine Hütte oder auch ein Lager­haus. Dem bzw. der “deco­ra­ted shed”, steht in Venturi’s und Scott Brown’s Kritik des Mo­der­nis­mus die duck (Ente) gegen­über, expres­siv in Form und Vo­lu­men.

(Oder es war bis dahin einfach niemand bereit gewesen den Umstand als »„denk­bar“« anzu­er­ken­nen, dass das bzw. das die Zukunft sein würde, an Stelle von dem.)

Venturi’s & Scott Brown’s eigene Bauten sehen z.B. so aus. Oder so (Kin­der-Mu­se­um,von Hous­tonTX, falls unklar,mit Anhang.)

(Beach­tet das Warn­schild ganz links und was die um­grei­fen­de Beschriftung mit eurer Neu­gier macht sie zu lesen. Und ferner, was pas­siert, wenn ihr sie doch gelesen habt.)

Innen (-raum­kom­mu­ni­ka­tion) ist auch bemer­kens­wert. Sie haben auch dekorierte Möbel (does make theconcept clear, in away, doesn’tit?) ent­wor­fen. (The deco­ra­tiveLeuchter isauch gut.)

Mind. ein Denk=Mal eben, so war auch dabei, 1992. Sakral­ar­chi­tek­tur auch.

(Und worüber wundert ihr euch noch, im Alltag (westl. Welt) so bspw. beim Ein­kau­fen oder in reno­deko­vier­ten Bahn­hofs­centern?)

Wer auf den shed shock, gewis­ser­maßen, einen Moment zurück­blicken, bereit ist, den Enten-Vor­zeich­nern ihre Strenge nach­zu­sehen und durch­at­men möchte: hier und hier, bitte.


Jean-François Lyotard (1924–1998): The Postmodern Condition: A Report on Knowledge. Translation from the French by von Geoff[-ff­rey] Bennington and Brian Massumi. Foreword by Fredric Jameson. University of Minnesota Press, 1984 (Theory and History of Litera­ture, Volume 10.) (Reprint 1997). Zitiert nach Wikipedia (en), The Postmodern Condition, Dez. 2022. Meine Weiter­übersetzung. Titel des französischen Originals von 1979: La condition postmoderne: rapport sur le savoir.



Dem Wikipedia-Artikel nach bewirkte dieser Satz die Einführung des vorher nur in der Kunstkritik gebräuchlichen Ausdrucks ‘postmodernism’ — ‚Post­mo­der­nis­mus‘ — in die Philosophie und die Sozial­wissen­schaften. (Beachte, dass die erste Veröf­fent­lichung der englischen Übersetzung in einer Schriften­reihe erschien, die „Theorie und Geschichte der Literatur“ heißt. Das Vorwort ist von einem bekannten amerikanischen Litera­tur­kri­tiker, Philosophen und marxistischen politischen Theoretiker.) Im Buch gibt es übrigens ein Kapitel namens «La légitimation par la paralogie» — Die Legitimation oder Rechtfertigung durch Paralogie, ein bisschen linguistisch zurechtgeschubst: Paralogik (vgl. Kap. 3). Ich hab’s aber von James Lindsay (Querbezug hier in der vereinfachten Vortrags­fassung) und möchte an dieser Stelle nicht weiter in Lyotard’s Text einsteigen. Sonst entgleist mir dieses Kapitel oder driftet in die Binsen — das Binsengefilde, am Ende noch. Kommt in Kap. 12, am Rande.

Meta-Narrative — ‚Über[-geordnete]-Erzählstoffe‘ — meint, meinem derzeitigen Verständnis nach, das nicht mit Lyotard abgeglichen ist, Erzählungen über Erzählungen oder so etwas, wie den großen, viele Erzählungen einzelner Erzähler verbindenden, Grenzen absteckenden, sinn­stiftenden Rahmen. Das, in dem eine bestimmte Erzählung, ein Erfahrungs­bericht, eine Interpretation, eine Meinung etwa (noch) Sinn ergibt, im tieferen, orien­tie­rungs­ge­benden Sinne verständlich ist und auf normale, grundsätzlich zustimmende Weise beantwortet wird oder werden kann, evtl. sogar überhaupt als gültig; wahrheits­gemäß und — je weiter wir in die Postmoderne gehen — als opportun (Duden: „in der gegebenen Situationangebracht, von Vorteil“) im Sinne von: wenigstens grund­sätzlich moralisch verantwortbar zu äußern, aufgenommen wird.

Die hier an die Wertung gültig geknüpften Bedingungen (1.) wahrheitsgemäß und/oder (2.) moralisch verantwortbar zu äußern können als kulturelle Grenz­mar­kie­rungen verstanden werden: In der Moderne ist die Frage nach ihrem möglichen Gegensatz beantwortet und zwar grundsätzlich: Was wahrheits­gemäß ist, kann nicht moralisch unver­ant­wortbar zu äußern sein, im Grundsatz. Wobei es durchaus Raum für moralische Abwägungen gibt, die zur Recht­fertigung von Lügen oder Schweigen führen können, nicht aber zur Dekonstruktion der Wahrheit über die Wirklichkeit, als Maßstab und Erkenntnisziel.

Man denke an die Notlüge einem Tyrannen gegenüber (die außerhalb des Bereiches seiner Macht aufgeklärt wird) oder die bewusste Täuschung bei der Fahndung nach einem Gesetzes­brecher (die in dessem ordentlichen Verfahren vor Gericht nicht zulässig ist). Eine Lüge bleibt eine Lüge, der jemand zwar anhängen kann, die zu glauben er jedoch nicht moralisch verpflichtet werden kann, ohne das Gerüst dieser Moral zu korrumpieren. Aller­spä­testens in der Wissenschaft ist Schluss mit moralischen Abwägungen über die Wahrheit, sonst fällt sie zusammen.

In der Postmoderne tendiert es, bemer­kens­wer­ter­weise, eingedenk Lyotards vereinfachter Definition, zum Umgekehrten: Was moralisch verantwortbar zu äußern und damit opportun ist kann (irgendwie) nicht unwahr­heits­gemäß sein (und vielleicht gibt es diese eine Wahrheit ja auch gar nicht? Wer kann das wissen?) und die Frage ist scheinbar nur noch, auf wessen Vorteil sich opportun richtet und, wie viele wie lange auf das semantische (auf die Bedeutung von Zeichen bezogene) Maskenspiel hereinfallen, die Masken der moralischen Haltung mittragen, ihren Hass (aus frei fließender Angst?) gegen die richten, die nicht mehr mitspielen und was kommt, wenn nur noch Zynismus übrigbleibt, weil alle irgend­wann annehmen müssen, dass sich Wahrheit, zumindest die zu äußernde, immer nur nach einem irgendwie geartetem Vorteil richtet.


Postmodernism’, wörtlich über­setzt: ‚Nach-gerade-eben-neu /-mit-maß-ismus‘. Die Schule; Ideen- und Mode­strö­mung, die irgend­wann ab den späten 1960ern nach der so ein­präg­sa­men, eben noch neu und aufregend gewe­se­nen, mit dem nichts Her­ge­brach­tes ver­scho­nen­den Drang nach Erneu­erung, Klarheit, Freiheit, Fort­schritt und Beschleu­ni­gung kam — jene, die mit dem Verweis auf das rechte Maß für den Menschen mit seinen rasant wach­sen­den tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, welche der voraus­ge­hen­den Befreiung des Geistes ent­sprun­gen waren, auf­ge­tre­ten war, wie um für immer zu bleiben und dann doch irgend­wie, des Wunsches nach Erneu­erung, Erfri­schung, Lockerung vor allem, sowie einer Art plötz­li­chen Senti­men­ta­li­tät und weite­rem Frei­heits­drang mit so einem gewissen Zug zum Alles-Aus­ein­ander­neh­men, der Irri­ta­tion des Gewohn­ten, Fest­ge­füg­ten willen und der ursprüng­lich erschei­nen­den Anziehung des sich spontan For­men­den, zusam­men­fin­dend und sogleich wieder in ewiger Erneu­erung aus sich selbst heraus ver­ge­hend, folgend erschüt­tert und — Schwupps! — zu bewah­ren­der Ver­gan­gen­heit wurde.

Du weisst, könntest eigentlich wissen, dass deine Zeit vorbei ist, wenn deine Werke ins Museum wandern und mitsamt dessen bahn­bre­chen­der Archi­tek­tur sogleich unter Denk­mal- oder sonstwie -schutz für heraus­ge­ho­bene Kul­tur­gü­ter gestellt werden.


Auf die obigen Beispiele bezogen: wie die feste Annahme, dass alle, die Macht über andere ausübten, Tyrannen wären, und alle Gerichte korrupt — im amerikanischen Englisch: kangaroo court(s). Als wenn da noch etwas dazu­ge­kom­men wäre oder sich darauf gesetzt hätte, das aus sich heraus eine Tendenz zur Auflösung von Vertrauen und Verständnis bewirkt.

Noch etwas tiefer das solches Szenario einer postmodernen Geisteskrise gehend: Wenn nur noch Zynismus übrig bleibt, man sich einer Übermacht von Tyrannen, irren Känguruhs und Schau­pro­zessen gegenüber sieht, der man sich im Bewusstsein eigener moralischer Unvoll­kom­men­heit im Zweifel selber zurechnen muss, auf dem Weg der systemischen Selbst­ver­derb­nis; -korruption; -schwächung, es ja gar nicht mehr anders sein könne und, der daraus folgenden Drohung exis­ten­zieller Not gegenüber — versuchen Sie mal zu leben, ohne in irgend­jemanden Vertrauen zu haben, ohne sich selber darüber zu täuschen (versuchen Sie es besser nicht, um Ihrer selbst willen) — am Ende nur noch die besondere Weisheit besonders leidgeprüfter, her­zens­reiner Wesen, die einem dennoch irgendwie vertrauens­würdig vorkommen, einen Ausweg aus der gesell­schaft­li­chen, geistigen, wie körperlichen Krisen­si­tua­tion weisen könne, weil alle Wege, selber verlässlich über Wahrheit zu urteilen und die Erkenntnis darüber als Maßstab für Vertrau­ens­wür­dig­keit zu nehmen, unglaubwürdig und moralisch irgendwie unannehmbar geworden sind.

Hilfsweise begreife ich es mit dem Bild eines ins Bodenlose Fallenden, der halb­bewusst, erschrocken nach dem greift, was noch am über­zeu­gends­ten irgendwie Halt zu haben scheint, von außerhalb, nachdem er, im Überschwang der Erkenntnis seiner plötzlichen Macht, alles was ihn hält gekappt zu haben meint.

Wie vernunftbegabte Tiere, die bei funktionierender Anatomie allmählich das Gehen wieder verlernen, aus einigen viel­hun­dert­fach wiederholten suggestiven Gedanken und ganz viel Geschrei der Umstehenden heraus. Ein Zustand, der sich mit Hilfe von Hannah Arendt, in der Abgrenzung vom Lügen, auch als Verlogenheit begreifen lässt: Der Verlust der Bindung an die Wahrheit, deren Kenntnis die Lüge über die Wahrheit erst ermöglicht. In der Lüge findet die Wahrheit ihre letzte Zuflucht.“ In der Verlogenheit ist ihr auch noch diese verwehrt; die Orien­tierung an ihr gebrochen; sie spielt, spielte beim Erfinden der Geschichte keine Rolle mehr oder nur noch die eines effekt­hei­schenden Wortes mit anhei­melndem Klang.


oder:
Vom Zwei­fel zur Unter­wer­fung

Zum Gedan­ken des totalen Zynis­mus als kör­per­li­che Kri­sen­si­tu­a­tion: Befrie­di­gung von Grund­be­dürf­nis­sen von Menschen ohne Ver­trau­en zu­ein­an­der; ohne jegli­ches Ver­ständ­nis für­ein­an­der, auch ohne Wissen, Metho­dik, und gelin­gende Kom­mu­ni­ka­tion darü­ber? Ver­ges­sen Sie’s, aber bitte ganz schnell!
  In Maßen; im wohl­ab­ge­stuf­ten Miss­trauen und Zweifel, orien­tiert an gewis­sen Maß­stä­ben? Geht gut, also zumin­dest irgend­wie erträg­lich und über­leb­bar, in evo­lu­tio­nä­rer Hinsicht. Schauen Sie in die Ge­schichte, nur bitte nicht in die kind­ge­rech­ten Bilder­bücher.


Irgendwie vorbei, dann plötzlich, die Sache mit der Aufklärung, deren Name nun selber dem Fraß der Verlogenheit anheim fällt. Aufklärung? That was debunked by HuffPo, Sweety!” wie es in einem amerikanischen Meme von um 2020 herum heißt. Wie meinen? Das, was nach Tugend, Klarheit, epistemischer und irgendwie auch moralischer Autorität klingt, da wo man es braucht, so lange, wie man es braucht. Wenn man es nicht mehr braucht, meint und ist es eben wieder etwas anderes. (Dieses ‚und‘ da gerade, in kursiv, das ist sehr bewusst gesetzt. We are fumbling with the basics of knowledge here. And by falling into the abyss’ I mean: boundless drifting into ignorance and a general fail of understanding: the disempowering, enervating state of nescience.) Wenn da nicht, nach wie vor, diese sperrige, völlig gleichgültige …

Aber die ist dann eben wegdefiniert: im Geiste für nicht existend erklärt und Aussagen darüber, die einer höheren Moral widersprechen, als falsch deklariert: für unannehmbar erklärt. Beachte das Schillern; die plötzliche Unklarheit, die in dem Satz eben über den Begriffen falsch und annehmbar liegt. Moralisch falsch (schlecht; ungerechtfertigt) oder epistemisch (unwahr)? Epistemisch annehmbar (in das Wissens­sys­tem einzuordnen, ggf. unter Erweiterung oder Revidierung desselben; im weiteren Sinne: überhaupt denkbar, verstanden wiederum als: mit dem Verstand fassbar) oder moralisch annehmbar (als gut bzw. gerechtfertigt anzusehen, wenigstens zu tolerieren; der Lage der Dinge nach akzeptabel)?

Für jemanden mit radikal subjektiver Weltsicht hört sie damit tatsächlich auf, zu existieren oder wird beliebig formbar. (Reimagine … „die Welt einmal ganz neu denken“.) Irgend­welche Zusam­men­stöße dürften dann, mangels objektiv (erkennbar) hineinwirkender, nicht-sozial bestimmter Realität üblicherweise moralischen Verfehlungen (begriffen als Denkfehler) falschen Gedanken anderer Subjekte oder internalisierten Verfehlungen (Vergehen; Unrechts­set­zungen; Schuld­ge­fühlen; Sünden guckt mal, da sind sie wieder, in aller Freiheit!) zugeschrieben werden, erstere zu beklagen, beide prinzipiell zu bekämpfen, immer (Soll denn das Unrecht unan­ge­fochten, unbe­nannt, ohne zur Rede gestellt zu werden — without getting called out — or ever to proclaim a better world, to express it — and within it, oneself — one, that is more just for all — weiter­gehen?) und zu beseitigen, sie abbauend zu bearbeiten durch moralische Läuterung, Purgatorium bei deren/dessen Scheitern dann,aus meiner lainhaften Sicht, im Wesentlichen drei Wege bzw. Haltungen zu wählen bleiben: mehr Unterwerfung (im Glauben, evtl. unter klandestiner Aus­klam­merung gewisser alltagsnaher Probleme) mehr Zynismus oder …


Wir fummeln [fingern un­ge­schickt] hier an den Grund­la­gen des Wis­sens herum. Und mit fal­lend in das Bo­den­lo­se‘ [den Ab­grund; die Un­end­lich­keit] meine ich: un­be­grenz­tes [un­an­ge­bun­de­nes] Trei­ben [Drif­ten] in Nicht­wis­sen [Un­kennt­nis; Ahnungs­lo­sig­keit; Igno­ranz] und ein gene­re­lles [all­ge­mei­nes] Fehlen [Schei­tern; Miss­lin­gen] von Ver­ständ­nis [Ein­sicht; Über­ein­kunft; Eini­gung]: den ent­mäch­ti­gen­den, ener­vie­ren­den [ent­kräf­ten­den; schwä­chen­den; ent­ner­ven­den; synonym auch: kirre machenden] Zu­stand der Un­wis­sen­heit.“



Für alle jedoch, in der am Sentiment der Moral hängen­ge­blie­benen Postmoderne — das Bild eines vom Meeres­grund gelösten und eben noch frei in der Strömung treibenden Haufens ineinander verschlun­genen Seegrases, samt anhaftenden und zwischen den zerfal­lenden Halmen umher­schwim­menden Tieren, nun hängend an einer langen, glatten Stange, die einmal ein noch nicht allzu alter Baum gewesen war, mit einem weithin sicht­baren und einfach zu unter­schei­den­den Topp­zeichen darauf — Bb, Stb, Untiefe oder Stellnetz — erscheint mir hier als nicht ganz unpassend (auch so eine postmo­derne Phrase) — stellt sich die Frage: Wonach entscheiden, über Recht­fertigung / Wahrheit und Annehm­bar­keit? War es nicht schon einmal einfacher gewesen, sie zu diskutieren, langwie­riger zwar, verschach­telt, aber irgendwie klarer, einge­bun­dener auch, in hilfreiche Dinge?

Nun, die Antwort, welche, neben dem uner­schrockenen bis hilflosen Sprung in Richtung von totalem Unglauben  /Zynismus (Wie heißt das als philosophische und politische Lehre?) in der westlichen Welt derzeit am lautesten und häufigsten aufzufinden ist, nicht selten bereits in der Geste der fraglosen Tugend, steht oben, im Absatz unter dem Abbild der KUNGSHOLM: erlebte Erfahrung von Unterdrückung, Benach­tei­li­gung. Der entscheidende Anker, im Bodenlosen der postmodernen Geisteswelt. (Wie kann ein Anker im Bodenlosen halten? Fragt mich nicht. Entscheidet selbst oder findet eine bessere Metapher. Und lest den dort verlinkten fach­enzy­klo­pä­di­schen Eintrag auf English, but in plain language, from someone, based in modernity.)




Der Anker, der eine zielgerichtete Anwendung ermöglicht: Dinge ausweist, die zu dekons­tru­ieren sind, dem Unglauben anheim zu fallen und solche, die davon ausge­nommen, davor geschützt sind, deren Gewissheit zu hinter­fragen nun nicht mehr zu vertreten ist. Weil sie die Benach­tei­ligung fortschreiben. Because it does, could, would cause harm for people. Weil es Leuten Schaden; Leid; Verletzung, Unglück; Nachteil [sic!] verursachen; herbei­führen; begründen; zufügen könnte, würde. Und genau das vermieden werden muss, wenn die Welt besser werden soll, die Mensch­werdung voranschreiten. So der Glaube, nach Dekons­truk­tion und Umschrei­bung von Wissenschaft; Neudenken, Neuverstehen – Umschulen, AndersVerknüpfen des Wortes.

Neu­sprec
Neu­spre­c·hen



Der Glaube — sehr alt, möglicherweise — der ein neues Gewand erhielt, nachdem er genug Menschen dazu gebracht hatte, dessen vorherige Trägerin für sich selbst zu halten, nur in falsch. Oder, für Fortgeschrittene: Sich für die eigentliche, wahre Trägerin zu erklärt, die nun Hilfe bräuchte, sich gegen Versuche des Maskenspiels von Laien­dar­stellern und, schlimmer noch: bad actors; bösen /schlechten Akteuren; Handelnden; Schauspielern und ihre Misshandlungen zur Wehr zu setzen. Welche Hilfe, Madame? Nicht fragen, mitkommen! Follow th Act now!

So plump und so wirksam. Als ob wir nur auf jemanden gewartet hätten, der mit ein bisschen Klarheit auftritt und sagt, wo es lang geht, raus aus der Suppe. Anluven;Besen dicht  mal kurz von oben ’runter kopiert. Wenn ich das fortschreibe wird es wirklich verwirrend.

Auf den erkennt­nis­theo­re­ti­schen Aspekt zugespitzt, ist ein Meta-Narrativ der Rahmen, der einem sagt, ob etwas (und im Rückschluss auch dessen Erzähler) noch normal ist oder Spinnerei; Unsinn; unglaubwürdig, zu vernachlässigen; unbegreiflich — oder eben: ·⁠noch⁠· nicht begreiflich, ein weiteres Teil in einer losen Sammlung nicht gut zuzuordnender Berichte, Werke, Fragmente, Legenden, was auch immer, weil außerhalb des Rahmens des derzeit Üblichen (üblicherweise als verstanden oder überhauptverstehbar angesehenen) fallend.


 

幽霊
Yūrei. Von Tsukioka Yoshi­to­shi? Wenn, wohl zwi­schen 1861 und 1892. Ko­pie aus einem Buch von 1978 über einen japa­ni­schen Mei­ster des Farb­holz­schnit­tes, der von 1839 bis 1892 ge­lebt hat … über Wi­ki­me­dia Com­mons. Der Titel so er denn stimmt ver­weist auf et­was mat­tes; schwa­ches; un­deut­li­ches oder trü­bes; va­ges; dunk­les in Ver­bin­dung mit Geist oder See­le, was man wohl auch als See­le der Un­ter­welt fas­sen kann. Oder eben nicht. Le­gen­den besa­gen, dass sie manch­mal auf­tau­chen, wenn nach dem ei­gent­li­chen Le­ben noch Un­ru­he ist oder et­was we­sent­li­ches fehlt.

Oh, hier auch noch.

Für Mu­tige: Skip the ducks, make octo­pu­ses! (Details here. And never use more than three para­graphs to dis­cuss a plural.) Wer etwas gehäs­siger drauf ist: hier.

Musik dazu, von etwas später, mehr so zum städ­te­bau­li­chen Aspekt? Here, good old Laurie.

And I said: ‘This must be the place.’”

You know, I think we should put some moun­tains here. Other­wise, what ’re the cha­rac­ters going to fall off of?”

Ich finde ja, gute und schlechte Architektur auseinander zu halten ist nicht immer einfach. Es lohnt sich dabei hin und wieder zu fragen: Gut (oder schlecht) für wen? Wann; vorher, beim Bau, hinterher? Bedenke: nach dem Bau ist vor dem Umbau, der Grund­sanierung und, oder dem Neubau. Jeder dieser Schritte bedingt Planung, Genehmigung und Finanzierung; ist Ausweis von Tätigkeit; Aufhänger für Hoffnung.


Aber einfach weiter­ma­chen, im bereits einge­tre­te­nen Zustand der Ernüch­te­rung, nur weil einem nix besse­res mehr einfällt ist das was, wenn es denn ein Archi­tektur-Straf­gesetz gäbe, gewiss als Verbre­chen zu klassi­fi­zieren wäre. Vor allem da wo eigent­lich nichts fehlen würde, wenn man den Zweck des Bau­werkes einfach wegließe.

Eine andere, berühmt gewor­dene Reise nach Las Vegas, welche im Jahr 1971 statt­fand, wurde eben­falls 1972 be­schrie­ben, unter dem Titel “Fear and Loathing in Las Vegas: A Savage Jour­ney to the Heart of the Ame­ri­can Dream”. 1998 mit nicht wenig Ver­klä­rung ver­filmt, hat sie eben­falls ein Stück Post­mo­derne mit­ge­prägt und zwar unter dem Gen­re­na­men Gonzo jour­na­lism. (Dr. Gonzo ist Anwalt und eine der Haupt­fi­gu­ren.) In diesem geht es u.a. um die Zurück­wei­sung des vor­geb­lich objek­tiven pro­fes­sio­nellen Jour­na­lis­mus. (Oder dessen Abbildes?)
Das wel­cher Pha­se zu­ge­ord­net wer­den kann, nach der Sys­te­ma­tik in Bau­dril­lard’s
Pre­ces­sion of Si­mu­la­cra? (Vgl. Kap. 4)

I’m no word freak. I treat words like music.”

Hunter S. Thompson zu Harri­son Salis­bury, Interview on Gonzo journalism, April 16, 1975.


Noch weiter und ins Manipulative zugepitzt: ob etwas undenkbar; unerhört; unrelated — unverbunden; ohne sinnvollen, einerernst­haften Frage würdigen Bezug — und deshalb zu meiden, unter Umständen sogar zu canceln — abzusagen; zurückzuziehen; zu löschen oder zu widerrufen; zu entwerten; ·⁠aufzuheben⁠· ist.

Nach Ansicht der französischen Post­mo­der­nisten, denen Lyotard als einer der Hauptvertreter zugerechnet wird, umfasst der Begriff Meta-Narrative, neben den mehr oder minder traditionellen gesellschaftlichen Ordnungs­sys­temen wie Christentum, Königs- und Adels­herr­schaft, Kapitalismus (Herrschaft des allgemeinen Rechts, mitFreiheit der einzelnen Bürger, eigennützig zu wirtschaften) Marxismus (Enteignung der Bürger und Herrschaft der Marxisten, mitdem Versprechen von kommender völliger Gleichheit undFreiheit und damit Wegfall aller Herrschaft)— sie waren Post-Marxisten, dieser Denkschule verhaftet, aber tief desillusioniert — auch die Wissenschaft (Orientierung an der Wirklichkeit).

Our working hypothesis is that the status of knowledge is altered as societies enter what is known as the postindustrial age and cultures enter the postmodern age.

Unsere Arbeitshypothese ist, dass der Status [die Stellung; der Rang] von Wissen verändert ist, so Gesellschaften in das eintreten was bekannt ist als das postindustrielle Zeitalter und Kulturen in das postmoderne Zeitalter hinein gehen.



Meine Arbeitshypothese ist, dass diese Veränderung die grund­sätzliche Unterwerfung von Wissen unter moralische Urteile betrifft. Die Frage, wie beliebig diese sind, lässt sich am ehesten in Hinblick auf die Anwendung sozialer Macht beantworten. Ich erinnere noch einmal an James Lindsay im April 2020, wie oben zitiert, hier ein wenig anders übersetzt als bei Franken­stein’s Theory gegen zwei­ein­halb Knoten Ebbstrom (viel Spaß beim Wegdefinieren):



Was wir als Wahrheit annehmen hängt davon ab, wen wir anerkennen als die Kompetenz habend, zu bestimmen was die Wahrheit genannt wird. Ich muss das noch einmal betonen: Dies ist die grund­legende post­moderne Ansicht. Es ist so etwas wie die wesent­liche Beobachtung Post­moderner Philo­so­phie, wenn ich es auf lediglich eine Sache zu reduzieren hätte.“ (Meine Hervorhebungen, einschließlich ·⁠der mit dem Mittenpunkt-Symbol.)

Dann müsste man ja eigentlich erst einmal klären, was wir unter Kompetenz (authority) verstehen: Mehr so Sachverstand oder Amtsbefugnis? Oder einfach Macht­voll­kommen­heit?

Michel Foucault hat wohl irgendwann Macht und Wissen ganz zusam­men­ge­dacht, als Macht-Wissen. Herr­schafts­wissen erinnere ich mehrfach, auf Deutsch gelesen und gehört zu haben, in geneigten Zusam­men­hängen. Vielleicht war damit ja nicht nur das Wissen der Herrschenden gemeint, wie es im Moment der Betrachtung eben so steht und sich verhält, zur Wahrheit, die jemand beherrschtes, sagen wir: ein Experte für den Erwerb von Wissen, durchaus besser erkennen und Herrschenden erklären könnte, so sie denn willig sind, zu lernen.

Würde er damit selber zum Herrscher oder nur zum, eher neutralen Vermittler zwischen Macht(anspruch) und (beobachteter und soweit als bis dahin möglich verstandener) Wirklichkeit?


Falls Sie „Ornament und Verbrechen“ gelesen haben und versuchen, es in Beziehung zu post­mo­der­ner Archi­tek­tur und ent­spre­chen­dem Design zu setzen, habe ich noch eine Frage für Sie:

Geht es bei diesen wirklich um Ornament oder vielmehr um Zeichen für Orna­mente (sehr abstrakte und gewöhn­li­che, Buch­sta­ben bspw.) ihrerseits gelöst von der For­men­spra­che des damit Bezeich­ne­ten, also solche, die für das stehen, was früher Ornamente gemacht haben, nur direkter in der Ansprache, billiger und auf mas­sen­hafte Verbreitung und Austausch­barkeit⁠ angelegt?


Und was heißt annehmen, als Wahrheit? Für eine Weile hinnehmen, als Behauptung von Wahrheit, mit Vorbehalt oder glauben, vorbehaltlos? Auch wider besseres Wissen, aus eigener Beobachtung und logischer Schluss­folgerung, einer besser zur Erklärung der Fakten geeigneten Modell­vorstellung vielleicht? Zur Korrektur, Belehrung des vormaligen schlechten Wissens?

Mich lässt ja irgendwie dieser Satz nicht los, obwohl ich ihn etwas unbeholfen und auch zu spezifisch finde: Was du siehst, geschieht nicht. Er ist mir vor einer Weile eingefallen, beim Nachdenken über den Begriff gaslighting. Dieser steht als Substantiv und Neutrum mittler­weile sogar im Duden. Wenn einem das nicht reicht, könnte man ihn, seiner Herkunft nach, entweder direkt (und mit furcht­barem Klang) als gaslichtenübersetzen oder in das-Haus-der-Lady-Alquistenübertragen. Oder in irgendetwas mit dem Anklang von Umerziehung und benutzen.


Woran zu messen, ob wirklich besser, das alter­na­tive Wissen? Eine klas­si­sche Antwort im Sinne der Moderne ist ja:

Vor­her­sage treffen, mit Hilfe der Modell­vor­stel­lung der Wirk­lich­keit, gewon­nen aus Beob­ach­tun­gen, und aus­pro­bie­ren, unter kon­trol­lier­ten, wie­der­hol­ba­ren Bedin­gungen.

Diese Spitzen­po­li­ti­ker, die, wenn irgend­wo etwas mit­tei­lens­wert schlim­mes pas­siert ist, sich erst ein­mal hin­fah­ren lassen „um sich ein Bild der Lage zu ma­chen“ (mit ihnen im Vor­der­grund) aber, wenn sie genau das nicht täten, im­mer damit rech­nen müss­ten, der man­geln­den Sorge und Anteil­nah­me bezich­tigt zu wer­den; als gefühl­lose Tech­no­kra­ten oder sonst­wie mo­ra­lisch defi­zi­tär da­zu­ste­hen: als Habe­nichtse gewis­ser­ma­ßen, im Wett­be­werb um die Makel­lo­sig­keit des Bil­des, das sie ab­geben.


Deutsche Filmtitel, was kann ich dafür? Ich hätte so etwas wie Schummer­licht daraus gemacht. Oder Zwielicht. Aber vielleicht wäre das schon wieder zu geneigt. Das besondere am Gasla­ter­nen­licht ist ja, dass es hell sein kann und dennoch allem damit beleuchteten so einen gewissen warmen, freundlichen und an romantische Momente erinnernden Schein verleiht. Und, dass da so ein leises Dauerrauschen dabei ist, wenn man nahe heran geht.

Zu geneigt“ eben, weil im Englischen nahebei an twilight zone: Grau­zone; Däm­me­rungs­zone; i.w.S. auch: Schat­ten­welt. Als Titel mit ‘The’ davor wie­de­rum in Fern­sehen und Film seit 1959, auf Deutsch seit 1961 ver­ein­zelt, ab 1987 häufiger, in Ver­bin­dung mit dem Ori­gi­nal­ti­tel vielleicht erst ab 2002. Über­sicht hier. Beachte Folge 16 der Staffel 1 von 1987 und die Titel überhaupt. Der deutsche Titel eines Epi­so­den-Kino­films von 1983 war „Un­heim­liche Schat­ten­lich­ter“. So nebenbei: Was ist post­mo­dern, wenn nicht das? Schatten oder Licht? Richtig hin­gucken oder nur so neben­bei einen Eindruck erlangen? Konven­tionen über Schriftsatz ernst nehmen oder komplett über den Haufen werfen? Beides? Oder schat­ten­haf­tes Streulicht; Licht im Schatten, von irgend­was unheim­lichem? Unheim­lich kann ja, wenn auch von heimelig oder heimelich und davor heimlīh i.S.v. vertraut kommend, auch als Anto­nym von heimlich i.S.v. ver­bor­gen; geheim; versteckt gelesen werden.


Einer an den man sich gut erinnern kann, wenn man sich mit dem Geist der Post­mo­derne, wandernd, fließend durch die Spuren der alten Welt, auf ange­neh­me Weise vertraut machen möchte, ist, war Italo Calvino (19231985).

Lest Die unsicht­ba­ren Städte, von 1972 (La città invisibili)! Wenn es geht, in der deut­schen Über­set­zung von Heinz Riedt, Carl Hanser Verlag, MünchenWien, 1977 (dtv-Ausgabe 1985 bis 2006).

Eine Miniatur über das, was sowohl moderne als auch post­mo­derne Archi­tek­tur in ihrer mas­sen­haf­ten Verbrei­tung mit sich bringen steht unter dem Titel: „Die Andau­ern­den Städte 2“.

»Du kannst abfliegen, wann du willst«, wurde mir gesagt, »aber du wirst zu einem anderen Trude kommen, das Punkt für Punkt gleich ist, die Welt ist überdeckt von einem einzigen Trude, das nicht anfängt und nicht aufhört, nur am Flughafen den Namen wechselt.«

Italo Calvino a.a.O.

Wis­sen als Ware nach Kun­den­wunsch


The relationship of the suppliers and users of knowledge to the knowledge they supply and use is now tending, and will be increasingly tend to, to assume the form already taken by the relationship of commodity producers and consumers to the commodities they produce and consume — that is, the form of knowledge.


Wer ist bei diesem Gut in welcher Rolle oder Funk­tion: Kunde, An­bie­ter, Her­stel­ler oder Ge­brauchs­um­ge­bung; mit Wissen zu gestal­tende Umwelt?

Remem­ber: If you are not paying for it, you are not the custo­mer, you are the source of the product, that is made of resour­ces, which were mined some­where, now being sold.

Wenn du nicht dafür be­zahlst bist du nicht der Kunde, [son­dern] bist du die Quelle des nun ver­kauft wer­den­den Pro­duk­tes, das aus Roh­stof­fen ge­macht ist, welche irgend­wo gewon­nen [geför­dert; abge­baut] wurden.

Wer macht ein Pro­dukt? Fach­ar­bei­ter übli­cher­wei­se, an­ge­lei­tet von Exper­ten, nach Vor­ga­ben von Ma­nagern, beauf­tragt von den Eigen­tü­mern oder An­teils­eig­nern und deren Vertretern.

Und schon Henry Ford wusste, dass Autos keine Autos kaufen.


Die Beziehung der Anbieter [Zulieferer; Leistungserbringer] und den Verwendern [Anwendern; Konsumenten] von Wissen zu dem Wissen das sie liefern und nutzen ist am tendieren, und wird zunehmend tendieren, die Form anzunehmen, [welche] die Beziehung von Güter- [Waren-; Massenartikel-] Produzenten und Konsumenten zu den Gütern [welche] sie produzieren und konsumieren bereits angenommen haben — das heißt, die Form von Wissen [Erkenntnis].



Dann verfügen die Anbieter von Wissen; Erkenntnissen; Wahrheiten um tendenziell exklusives Wissen darüber, wie diese zustande gekommen sind, und die Autorität, es nach Marktlage, Kundenwunsch, Rentabilität und so weiter zu formen, mit dem Versuch der Aufgabe der Bindung an eine verbindliche Wirklichkeit, die außerhalb der Anbieter – Kunden Beziehung bestand hat oder von außen je überprüfbar würde.

Der Markt hat es hergegeben, Anbieter und Kunde haben sich über einen Preis verständigt, irgendwann, irgendwie; es besteht Vertragsfreiheit, was wollen Sie?“ Etwa mit Moral ankommen, Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber? Kein Problem, ist auch im Angebot, bei irgendwem, schätze ich, Ethikrat, -kommission oder so. Produkt­haf­tung? Kann ja ausgeschlossen werden, wenn der Kunde das akzeptiert, aus irgend­welchen Umständen heraus — irgendwas dringendes, Gesund­heits­pro­bleme vielleicht, oder eben Informationen, die genau das, den Abschluss riskanter Geschäfte, die irgendwann auch mal sittenwidrig genannt wurden, glaube ich, nun doch ratsam, geradezu geboten, ja möglicher­weise sogar als alternativlos erscheinen lassen.

(Wer das Wort wohl ’mal bezahlt hat. Da wirkt dasdie moral­episte­mische Tiefen-Betäu­bungs­mittel ja noch nach der x-wie­vielten Dekonstruktion. Respekt.)

Knowledge in the form of an informational commodity indispensable to productive power is already, and will continue to be, a major — perhaps the major — stake in the world wide. It is conceivable the nation state will one day fight for control of information, just as they battled over territory, and afterwards for control of access to and exploitation of raw materials and cheap labor. A new field opened for industrial and commercial strategies on the one hand, and political and military strategies.

Wissen in der Form einer informationellen Ware, unabdingbar für produktive Macht ist bereits, und wird weiterhin sein, ein großer — vielleicht der größte — Anteil [Einlage; Beteiligung] in der Welt weit. Es ist absehbar [dass] der Nationalstaat eines Tages um die Konrolle von Information kämpfen wird, genau so wie sie über Territorium stritten, und hinterher für Kontrolle des Zugangs zu und Ausbeutung von Rohstoffen und billiger Arbeit. Ein neues Feld, geöffnet für industrielle und kommerzielle Strategien zur einen, und politische und militärische Strategien.


In some ways post­mo­der­nism, like eve­ry­thing that’s ‘post’ rejects the premises of whatever it is post to. So here it’s moder­nism. That would be premises like objecti­vity and logical posi­ti­vism, post­mo­der­nism wholly rejects. But it also ampli­fies other premises in moder­nism, like the growing scepti­cism and pessi­mism. Post­mo­der­nism turned those radical and cynical; took ’em to an extreme.”

James Lindsay, New Discourses Podcast, Age of Narratives and the Postmodern Democratic Political Regime, April 2020, 11:0511:35.

In gewisser Weise lehnt Post­mo­der­nis­mus, wie alles was ‘post’ ist, die Prä­mis­sen [Voraus­set­zun­gen] von was auch immer es post ist ab [ver­wirft diese]. So ist es hier Moder­nis­mus. Das wären Prä­mis­sen wie Objek­ti­vi­tät und logi­scher Posi­ti­vis­mus [logischer Empi­ris­mus], welche Post­mo­der­nis­mus in Gänze verwirft. Aber er verstärkt auch andere Prä­mis­sen im Moder­nis­mus, wie den wach­sen­den Skep­ti­zis­mus und Pessi­mis­mus. Post­mo­der­nis­mus drehte diese [auf] radikal and zynisch; trieb sie bis zu einem Extrem.“

Aufklärung eines Zieles
oder dessen gezielte Aufklärung?


Es gibt keine Infor­ma­tions­krieg­füh­rung, mit nach Waffenwirkung, Träger­sys­te­men, Ziel­‧au­fklä­rung‧, strategischer oder taktischer Zielsetzung usw. angefertigten, gelieferten und bezahlten Wahrheiten. Es handelt sich vielmehr um Spekulation, zum Teil basierend auf Fehl­in­for­mat­ion (engl. misinformation auch hier, vgl. disinformation). Möglicherweise wurde der zitierte Autor falsch verstanden. Es liegen auch keinerlei belastbare Hinweise darauf vor. Wie sollte das auch gehen, unter den Augen der Welt­öf­fent­lich­keit, im Zeitalter der Infor­ma­tions­technologien und deren fortschreitender Vernetzung?


den rest des abschnittes überspringen
nach hause (zur übersicht)
maminku!



Ich gebe zu bedenken, dass die entscheidende Handlungs­ebene nicht mehr der Nationalstaat sein muss. (Carl Schmitt erklärte bereits in den 1930ern, dass es in der Geopolitik nicht mehr um einzelne Staaten, sondern um Großräume ginge.) Und auch, dass die Erfahrung, dass das, was von einem Nationalstaat öffentlich sichtbar wird, nicht deckungs­gleich sein muss mit den tatsächlich hand­lungs­lei­tenden Personen, Gremien und Beziehungen, keine besonders neue ist. Es sei an den schönen Begriff Hinterzimmer der Macht erinnert und die mitunter etwas mediokren Kreaturen, im übertragenen Sinne, die sich manchmal in diesen einfinden bzw. einmal eingefunden haben mögen. Oder auch die Redensarten das Ohr des Königs zu besitzen; um Einfluß bei Hofe zu wissen und das, was so ein Staatswesen am Laufen hält, auch wenn der König abwesend, zu jung, zu alt oder mit irgendwas schönerem beschäftigt ist.


Ich glaube, so richtig undurch­sich­tig wird es dann bei den religiösen Insti­tu­tio­nen und der Ver­flech­tung von geist­li­cher und welt­li­cher Macht, ins­be­son­dere in Zeiten, in denen der ersteren der Primat über das Wissen und die Urteils­kraft über weite Teile des Denkens der Gläu­bi­gen und Unter­ta­nen zuge­stan­den wird. In der euro­pä­i­schen Ge­schich­te dürften das 18. und 19. Jahr­hun­dert voll sein mit Spuren der Aus­ein­an­der­set­zung damit. Ein durchaus geneig­ter Begriff aus dem Zusam­men­hang und viel­leicht einer Erin­ne­rung wert, ist Obskurantismus.

   ↑
Ausschnitt aus einem Fak­si­mile von Meyers Großem Kon­ver­sa­tions-Lexi­kon, 6., gänzl. neu­be­ar­bei­tete u. ver­mehrte Aufl. Bd.
 14. Leipzig u. Wien 1908, S. 881. Über Zeno. (Hier in HTML mit internen Hyper­links.)
  Das letzte Wort da, in dem ein­schlä­gi­gen Eintrag ist ‚Fins­ter­linge‘. Eine zeit­ge­nös­si­sche Lese­hilfe zur Frak­tur-Schrift­type ist
hier.
  Beachte auch den Artikel zu
Auf­klä­rung in Band 2 von 1905 und darin den Begriff Auf­klä­richt für über­flüs­sige A. in Abgren­zung von not­wen­diger.

Zur Einor­dnung des Gesamt­wer­kes — Un­ter­ti­tel: Ein Nach­schla­ge­werk des allge­mei­nen Wissens — 20 Bände, ca. 23000 Seiten, rd. 155000 Stich­wör­ter — bitte ich ggf. die Vorworte aus ver­schie­de­nen Zeiten zu lesen.
  „Joseph Meyer betonte in seinem Vorwort zur ersten Auflage die mit einer »popu­lä­ren Enzy­klo­pä­die« inten­dierte »intel­lectu­elle Gleich­heit« aller. Mit der Erwei­te­rung der Ziel­gruppe über die Gelehr­ten­welt hinaus ging auto­ma­tisch eine Redu­zie­rung des An­spruchs auf »Alles-Wis­sen« einher: nicht mehr wenige Menschen sollten alles wissen, sondern mög­lichst viele Menschen viel.“ (Aus dem Vorwort zu der auf Zeno über­nom­me­nen, heute gemein­freien digi­ta­len Aus­gabe, ver­mut­lich von 2004.)
  Die erste Auflage war zwischen 1839 und 1852 erschie­nen. Für Freunde der Aktu­a­li­tät und der Wiki­pe­dia
hier noch ein kleiner Hinweis am Rande.

Der Hyper­link im neben­stehen­den Absatz führt seit Ende Feb­ruar 2023 auf diese Seite der glei­chen Be­hör­de. Die für mei­nen Text he­ran­ge­zo­gene Seite mit dem Titel “Mis, Dis, Mal­in­for­ma­tion” steht im Inter­net Ar­chive, zuletzt ein­ge­tra­gen am 20.2.2023 um 17:26:54 Uhr GMT.


Die im vorvorigen Absatz in Klammern gesetzte, ganz reizende Kombination von Worten, deren Aufgabe es offensichtlich ist, reine, makellose und unpro­ble­ma­tische Information zu scheiden von etwas schlechtem, abzulehnenden, hat Verstärkung bekommen: malinformation (engl.) verstanden als Information, die zwar auf Fakten gründet, also ‚wahr genannt werden kann, ohne den Begriff Wahrheit unglaubwürdig zu machen, aber aus dem Kontext verschleppt wurde und nun benutzt wird, um in die Irre zu führen, zu täuschen, ihre Adressaten zu verführen und schluss­endlich zu verleiten; um jemandem etwas anzuhaben; zu schaden; zu belasten oder zu manipulieren, was sich auch begreifen lässt als: jemanden zu beeinflussen.

Also auf Fakten basierende Information, die jemanden, der nicht im Ursprungs­kon­text steht, beeinflusst. In dessen Gedanken und Gefühle einfließt. Man könnte es auch so formulieren: ‚Bös-Infor­mation‘ oder ‚Schad-Infor­mation‘ welche demnach echt; stimmend sei, die gebraucht und in einen Kontext versetzt wird wo sie eine von jemandem nicht so gerne gewünschte Wirkung haben oder irgendetwas — einer Institution, Erzählung oder Idee etwa — etwas anhaben kann. Was nicht so gut wäre, für diese, so wie sie ist/sind, nach Bestimmung von irgendwem, was denn (nun) ‚gut‘ zu nennen, als solches zu denken sei.


Things from the
rabbit hole


Ich denke, wen dieses kleine, dezent verschachtelte intellektuelle Ständchen zur Begrüßung der bzw. des neuen ein wenig an die lesenswerten Erzählungen des Herrn F. Kafka aus Prag erinnert — welcher übrigens ebenfalls auf Deutsch schrieb — der befindet sich auf einer richtigen Spur. Was nicht heißt, dass sie so stimmen muss, zu haben hat und ihn, allerdings auch — keinesfalls vor nachteiliger Information zu schützen vermögen, können würde wollen. Wenn Ihnen das komisch vorkommt, schweigen Sie einfach, sobald der Begriff malinformation im Raum steht.


Ich mag gerade nicht nachsehen, ob es schon eine offiziell beglaubigte Entsprechung im Deutschen gibt. Dont Go Down the Rabbit Hole” betitelte The New York Times, angeblich die beste Zeitung der Weltim Februar (18.) 2021 einen Meinungsartikel eines gewissen Charlie Warzel, der im Untertitel konstatierte: Critical thinking, as we’re taught to do it, isn’t helping in the fight against misin­for­mation” „Kritisches [sic!] Denken, so wie es uns gelehrt wird/wurde [sic!][sic!] zu tun [sic!], ist nicht helfend in [sic!] dem Kampf [sic!] gegen Falsch­in­for­mation [Fehl(erhafte)-Infor­mation].“ (Falls Ihnen meine deckende Breitseite an Beach­ten-Auf­for­de­run­gen nicht hilfreich erscheint, bitte ich freundlich um genaueres Lesen des Originals, unter besonderer Beachtung der sprachlichen Aus­drucks­weise.)

Ein rabbit hole ist das Loch eines Kaninchens. Möglicherweise ist es auch eine Anspielung auf die Filmszene die ich in Kapitel 4, bei Repräsentanz des Echten am Rande verlinkt habe, in der Version mit OwlKitty. (Als kleine Übung zum Munter­machen untersuchen Sie gerne meine beiden Sätze da eben auf fehlerhafte Information. Und, zur Erinnerung an das oben gesagte, bitte unter Diffe­ren­zie­rung nach epistemisch (faktisch) fehlerhaft und moralisch fehlerhaft (pro­ble­ma­tisch, bezogen auf Ethik; Sitte) auch wenn das haar­spal­te­risch klingt, was es nicht ist. Es greift nur den Nebel an; unter­nimmt es, wenn Sie so wollen, die Licht streuenden Wasser­tröpf­chen, welche das Grau machen, von der trans­pa­renten, wenn auch feuchte­ge­sät­tigten Luft in den Zwischen­räu­men zu scheiden.) Zur Theorie Kritischen Denkens vgl. Kap. 7.2 bei Ton Steine Scherben aufheben.


   ↑
Werbe­an­zeige der Gold­wyn Pictu­res Corp. für einen Stumm­film,
aus Wid’s Daily “The Brad­street of Film­dom” “The Recog­ni­zed Autho­rity” [sic!] von Wid’s Films and Film Folks, Inc., New York, Vol. XVI No. 38 Sun­day, May 8, 1921 (Price 25c.) Rück­ti­tel­seite. Über Wiki­me­dia Com­mons.


Das Titelbild von Warzels Artikel ist untertitelt mit: “Our attention economy allows grifters, conspiracy theorists, trolls and savvy attention hijackers to take advantage of us and steal our focus.” „Unsere Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie erlaubt es Schwindlern [Ganoven; Gaunern], Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern, Trollen und gerissenen [schlauen; klugen] Auf­merk­sam­keit[flug­zeug]­ent­füh­rern uns auszunutzen [einen Vorteil aus uns zu ziehen; sich uns zu Nutze zu machen; beachte auch: uns zu missbrauchen] und unseren [sic!] Fokus [unsere Konzentration; unser Haupt­augen­merk; auch: unser Blickfeld] zu stehlen“ [Sic!]

Der Haupttext (ist es der Haupttext? Oder kam der schon, in den drei Titeln?) beginnt mit dem Satz, der zugleich ein Absatz ist: “For an academic, Michael Caulfield has an odd request: Stop over­thinking what you see online.” „Für einen Akademiker, hat Michael Caulfield eine merkwürdige [eigen­artige; ungewohnte; seltsame] Bitte [ein Anliegen; Ansinnen; eine Auf­for­derung]: Hör auf über­zu­denken, was du rechner­netz­mäßig verbunden siehst.“

Michael mit dem interes­santen Nachnamen hat eine, für einen akademisch gebildeten Menschen seltsame Forderung an dich: Hör auf so viel darüber nach­zu­denken, was du in Büchern und Zeitungs­ar­ti­keln und Fachzeitschriften liest; aus Dialogen, Verlaut­ba­rungen usw. an inte­res­santen Informationen entnimmst, dort im Internet, wo sie dir auf einfache Weise zugänglich sind.

Es gibt denken und überdenken und im Englischen auch über-denken. Verkomplizieren, die Sache mit den Gedanken, durch das Nachdenken darüber, was zu viel nachgedacht ist, im Kampf, sein könnte. (Nicht nachdenken, über-, diesen Satz!)


The problem ain’t what people know. It’s what people know that ain’t so that's the problem.”

Will Rogers, zit. n. Goodreads. M.W-Übs.:

Das Problem is’ nich’ was Leute wissen. ’s ist was Leute wissen das nich’ so is’, das is’ das Problem.“

Alter­na­tive Über­setzung:

Das Problem is’ nich’ was Leute wissen. Es is’ was Leute wissen, das so [gar] nich’ ist, das is’ das Problem.“

Weitere alter­na­tive Über­set­zung:

Das Problem is’ nich’ was Leute wissen. ’s is' was Leute wissen das nich’ is’ so is’ das das Problem.“

Wer noch ein Häpps­chen was zu denken will mag sich neben­bei und ohne den Fokus zu ver­lie­ren dieser klei­nen Abschwei­fung hin­ge­ben und das darin gezeigte auf Wirk­lich­keit unter­su­chen. (Don’t freak out hippo’s, please!)


Nach einem weiteren Satz-Absatz, in dem Mr. Caulfield als Digital-Lese-und-Schreib­fä­hig­keits­ex­perte einer amerikanischen Universität vorgestellt und in einen, ebenso knapp wie kühn aufge­spannten historischen Bogen eines epischen Kampfes, Mensch gegen Mensch und wohl so alt wie die Menschheit selbst, aber in eben­diesem Augenblick — “at this very moment” — noch übertroffen werdend, vielleicht, um Aufmerk­sam­keit, Vertrauen, Wahrheit und Lüge gestellt wird (gegen die deutsche Grammatik hat er keine Chance) wie er nur allzu gut weiss — “knows all too well” — folgen die beiden Sätze:

Mis­in­for­ma­tion rides the greased algorithmic rails of powerful social media platforms and travels at velocities and in volumes that make it nearly impossible to stop. That alone makes infor­mation warfare an unfair fight for the average internet user.

Ich wünschte, ich könnte dieses Textstück mit Geräusch, Bild und Bewegung untermalen, in einer angemessenen Miniatur. Fast zu schön, zum Zerschießen. Vielleicht hier nur ein, zwei von sicherlich nicht zu wenigen über­den­kens­werten Sätzen, in die man das übersetzen könnte, ohne allzu viel nachzudenken:

Miss­infor­mation reitet die fett­ge­schmierten algo­rith­mi­schen Geländer, Schienen von mäch­tigen sozialen Medien­bühnen und reist in Geschwin­dig­keiten und Laut­stärken, die es bei­nahe verun­mög­li­chen zu stoppen [{Oh yeah, b}] Das alleine schon, macht Infor­ma­tions­krieg­führung [die es nicht gibt, hier folgt der Autor einer Miss-, Des- oder Bös­in­for­mation] zu einem unehr­lichen Kampf, für den durch­schnitt­lichen Inter­netz­nutzer.


[wenn das wieder vorkommt muss ich ihn ‚umstritten‘ nennen]

Drama, Heimtücke, Sex, Gewalt, sittliche Erbauung, Alltagsbezug: alles drin. Dran. Sogar über­per­sön­liche quantitative Analyse (‘average’). Nicht justiziabel, nicht einmal ernst genug, um unbeschadet nach irgendeiner Basis fragen zu können, aber anklingend, im Kopf. Ein Abrund von Sünde und Verführung. Da, gleich vor ihnen! Steht in der New York Times, sobald Sie onlinegehen, es wahrscheinlich längst und dauerhaft sind — ein Mann, Experte auf seinem Gebiet, so speziell, dass nicht einmal ein Generalist wie der, der sich hier lachend müht, irgendwie mit der Entwicklung des Wissens Schritt zu halten, bis heute — und das ist schon zwei Jahre nach dem archivierten Artikel — je davon gehört hätte, gut ausgebildet, sehr gut wahrscheinlich, Teil eines schützenden, stets aufklä­renden und immer wachsamen Systems, jenes, welches sich der viel­köpfigen Hydra entgegenstellt, dem der Reporter nun seine Stimme verleiht, seinem Anliegen — ganz bescheiden, nur nicht zu viel denken, bitte, beim Bilder­machen; bauen an der Vorstellung der Welt, in und um einen und weit entfernt in Verbindung, verflochten, ausgesetzt, zu Baustein und Mörtel, Putz geworden in den geschickten und weniger geschickten Händen der Handelnden — seiner Mahnung an das (ja, was?) man muss es wohl nennen, wie es ist: vertrau­ens­selige Volk auf die Bühne hilft, im Kampf um Ihre Auf­merk­sam­keit.


   ↗
Joseph Meyer (179
61856) auf einem Wand­ge­mälde in der, nach ihm benann­ten Stadt- und Kreis­bib­lio­thek im histo­ri­schen Rathaus von Hild­burg­hau­sen, Thü­rin­gen. Digi­tal­pho­to­gra­phie von Marcel Buehner, 30. Juli 2010. Beachte die Kör­per­spra­che der Gestal­ten, ins­be­son­dere ihr Ver­hält­nis unter­ein­an­der und ihren Blick. Groß- und Detailansicht auch hier.


Gegen die vor Fettschmiere glänzenden Schienen, auf denen täglich, stündlich, gerade jetzt nicht mehr haltbare Züge fahren, in das Verderben, so schnell und groß, wie es nur Algo­rith­men mäch­tiger, schier alles um­grei­fender Mächte; miss­brauchs­trä­chti­ge, welt­um­span­nende Platt­formen (bildlich vorstellen, letztere!); soziale Vermitt­lungs­stellen in die Vorstel­lungs­welt, in Löchern gefan­gener Hasen Fe(h)lin­formation Kaninchen zu proji­zieren vermögen. Trolle (unbedingt anklicken, Spätmit­telalter!) Betrü­ger:innen (Beute­gr(e)iftern) Verschwö­rungs­den­ken­ge­den­kende (über­aus) gerissene Flug­zeu­gent­führer der Auf­merk­sam­keits­be­gren­zungs­öko­no­mie. In nur vier Sätzen, im Kontext dreier Über­schriften, zehn schmalen Zeilen im Original. (Da ist eine Grenze 


Bestreben, die Menschen bewusst in Unwis­sen­heit zu halten, ihr selbst­stän­diges Denken zu ver­hin­dern und sie an Über­na­tür­li­ches glauben zu lassen.

Duden, Obskurantismus, Jan. 2023.

Ganzer Film da zu fin­den, 19½ min. Sehens­wert, auch die Nar­ra­tion. Beachte das Wech­sel­spiel von Zwi­schen­ti­tel und Film­se­quenz sowie den zwei­fa­chen Bruch der Hand­lungs­e­bene, bis durch auf das real­welt­li­che Set­ting. (Pub­li­kum sieht Film­schau­spiel; sich in der Illu­sion auf­bau­endes Drama wird durch Erklä­rung des Film­sets sei­tens eines darin Han­deln­den abge­bro­chen, ohne das Spiel (ganz) auf­zu­lö­sen; Held ergreift aus der Ablen­kung ent­ste­hende (meta-?)ima­gi­näre Chance, wen­det die Hand­lung auf zwei Ebe­nen zu­gleich und schließt, schein­bar eigen­mäch­tig, das Schau­spiel auf seine Weise, mit der indi­rek­ten Frage an das Pub­li­kum, wel­ches Ende ihnen mehr Freude macht: Das von dem der Regis­seur vorher sprach bzw. schrieb, eines, dass jenem noch nicht einfiel oder seines, des Helden, geführt vom Regis­seur, oder ihn (hin)führend.) Dazu­hin die (juxta-)​ima­gi­näre Neben­hand­lung (bei dem schein­bar spon­ta­nen Wett­be­werb um die Gunst des Pub­li­kums inner­halb der Ge­schich­te (die sen­sa­tions­lus­ti­gen Stadt­leute) zwi­schen dem Helden und dem Patent­re­zept-Dok­tor, auf­ge­spannt von letz­te­rem und einem Kom­men­ta­tor neben ihm) welche mit­hilft, den (Span­nungs-)​Rah­men zu halten.

Des Wei­te­ren, dass das fast ein hal­bes Jahr­hun­dert vor Beginn der Post­mo­derne war.


 an der jetzt das z‘ nicht mehr haftet. Was wohl mit den Versehrten der virtuellen Infor­ma­tions­krieg­füh­rung wird? Worten, die hintenüber fallen; Bedeutungen, die keinen Halt mehr finden? Ob das aufs Denk­ver­mögen geht, Schärfe, Übersicht und so? Mitgefühl hält bestimmt nicht lange durch. Wohin mag sich die Phantasie gerettet haben?) Und einer einwandfrei in Schrift gesetzten Titel­zei­len­kom­po­si­tion, so elegant wie effektiv. Gerade so viel, wie hinter der Paywall hervorschaut, für ein, zwei Sekunden. Textbau können sie bei der New York Times.

Das Bild dazu, zwischen Kopf  und über die Mauer ragendem Textkörper, ist irgendwie eigenartig. Es hat so eine Anmutung von Isolation, Ratlosigkeit und Unwirk­lich­keit. Vor allem, weil es aus dem Blick­winkel des Betrachters so aussieht, als wäre der Bildschirm, auf den der junge Mann durch die eckige Brille schaut, aus­ge­schaltet. Und irgendwas ist auch komisch mit seinem Keyboard, der Tastatur: so schräg, also quer. Vielleicht bin ich da aber auch nicht auf dem Stand der Büro­ar­beits­tech­nik. Oder irgendwas hat ihm die Aufmerk­samkeit, den Orientie­rungs­schie­nen­leit­strang zerlegt.

Schiffbrüchige in den Wellen der Netz­öko­nomie sind willkommen, sich einen Moment auszuruhen. Es gibt heißen Tee mit Honig und Haferkekse.

Standbild aus dem Kurz­spiel­film The Ropin’ Fool aus dem Jahr 1922, mit Will Rogers (18791935) als “Ropes” Reilly und Irene Rich (18911988) als The Girl, unter der Regie von Clarence G. Badger (18801964). Bei Minute 4:25, Zwi­schen­titel The patent-medicine doctor.(Der Patent­rezept-Doktor.) Ein schöneres Bild aus der Szene hängt in der IMDb, ist aber nicht im Film.

Das Standbild ist aus einer etwas anderen Version als der am linken Rand verlinkten. 20′ mit Begleit­mu­sik und dort, öffent­lich kopier­bar archi­viert. Leider stel­len­weise leiernd und die Bilder irgendwie zu schnell. Wobei ich mir unsicher bin, ob das letz­tere nicht den dama­li­gen Vor­lie­ben geschul­det war. Ruhig mal Ton aus machen und Wie­der­ga­be­ge­schwin­dig­keit redu­zie­ren. Sollte irgend­wo in den Pro­gramm­ein­stel­lun­gen gehen und schadet nicht, bei einem Stumm­film. Gerade das expressive Mienen­spiel und die Gesten der Schau­spie­ler werden dann deut­licher, leichter deutbar.

Die mussten sich ohne hörbare Sprache und mit nur wenigen, kurz lesbaren Worten, welche immer eine Unter­bre­chung der (Bewe­gungs-)Handlung und Störung des Erzähl­flusses bedeu­teten, einem räumlich und zeitlich ent­rück­ten Publikum mitteilen und konnten das auch.

Im Grunde genommen zwei arg gehan­di­capte Medien in einem: Film ohne Ton, in mau auf­ge­lös­tem und flackern­dem Schwarz/Weiss und Text-Dia­show ohne Erklärung und Interaktion mit dem Publikum, sich gegenseitig unter­bre­chend, ergänzend. Ein bisschen wie Theater im Nebel, mit stimm­losen Schau­spie­lern, unzu­gäng­li­chen Zuschauern und einem Regisseur mit manischer Vorliebe für Vorhänge und Erzählun­gen in Kurz­nach­rich­ten­form.

Aber was für Kulissen; was für Möglichkeiten der Aus­stat­tung: Die ganze Welt, soweit eine Kamera kommt. Außer im Dunklen, was in den frühen 1920ern schon irgendwo bei etwas mehr Bewöl­kung gewesen sein dürfte, sofern man keinen Schein­werfer drauf­hal­ten konnte, für den man natürlich Strom brauchte. 1921.

Und dann eben die Schnitt­tech­nik: Szenen zer­hacken, nochmal drehen, auswählen und Blicke lenken können; Orte zusam­men­fügen, versetzen, mitnehmen, ausein­an­der­reißen, Elemente aus­tau­schen, dann später; Dinge verfremden, hinein­zeich­nen, irgendwann täuschend echt simulieren, inner­halb der Simu­la­tion. Und das einzige, was das Publikum effektiv machen kann, außer für sich selbst, aber nicht so, dass es die Sitz­nach­barn stört, ist raus­gehen oder weg­bleiben.

Die Technik um Zeit­lu­pen­effekte zu erzeugen war übrigens gerade erst ein paar Jahre vor The RopinFool erfunden und in einen Film-Apparat umgesetzt worden. (1914, Heinrich Ernemann AG für Camera­fab­ri­kation, Dresden, sogenanntes Zeit­mikro­scop.) In den Beschrei­bun­gen steht, dass sie die Lassos extra weiß anmalen mussten, damit sie gut genug sichtbar wurden.

Der Filmtitel ist gar nicht so leicht zu über­setzen, wenn man es genau nimmt. Der Lasso werfende Narrtrifft es noch am ehesten, klingt aber so hölzern und plättet zudem so viel, an Stelle es elegant einzu­fangen, dass er an und für sich besser nicht da stehen sollte. Als Subs­tantiv wird roping in The English Wiktio­nary im Febuar 2023 so erklärt: The act of catching an animal with a rope.”


über­na­tür­lich:

1. über die Gesetze der Natur hinaus­ge­hend und mit dem Ver­stand nicht zu erklä­ren

2. über das natür­liche (1c) Maß hinaus­ge­hend“

Duden, übernatürlich.

Natur (Bedeu­tung 1 von 6):

alles, was an orga­ni­schen und anor­ga­ni­schen Erschei­nun­gen ohne Zutun des Menschen exis­tiert oder sich ent­wickelt“

Duden, Natur.

Nach dieser Defi­ni­tion ist es ja leicht, deren Gesetze zu über­tre­ten. Beachtet neben­bei auch das leicht hyper­real wirkende Photo unmit­tel­bar unter dem zitier­ten Text (überlegt ggf. in welcher Art von Land­schaft ihr so etwas schon einmal gesehen habt) sowie (natürlich) die ferneren Bedeu­tun­gen 6 a) und b).

natürlich (Bedeutung 1c):

dem Vorbild in der Wirk­lich­keit ent­spre­chend“

Duden, natürlich (alle Zitate von Jan. 2023).

Muss ich hier noch einmal an meine Begeg­nung mit den Kindern Jean Bau­dril­lards in Kap. 4, Das Sein des Anscheins und die Frage der Authen­ti­zi­tät von Kopien erin­nern?

Die For­mu­lie­rung „Vor­bild in der Wirk­lich­keit“ im Kontext von etwas das exis­tiert ist wirk­lich schön, in sich. Auch das darun­ter ange­führte Beispiel „ihr Make-up wirkt natür­lich“.

Vorbild erklä­ren sie wie­de­rum mit: „Person oder Sache, die als [ide­a­li­sier­tes] Muster, als Bei­spiel ange­se­hen wird, nach dem man sich richtet“

(Eckige Klam­mern im Original oder vielmehr: dessen Kopie, auf meinem Bildschirm; diese stehen für Situ­a­tions- oder Kon­text­ab­hän­gig­keit des darin ange­ge­be­nen Teils der Erläu­terung.)

Duden, Vorbild, Feb. 2023.

Keine schlechte Defi­ni­tion übri­gens, im Kontext von natürlich, wirklich und Kopie. Nimmt ein bisschen die Fixie­rung auf die Frage der Authen­ti­zi­tät heraus. Erscheint dann eher als eine Frage von mehr oder weniger nach dem Muster einer bestim­mten Anord­nung oder (prin­zi­piell repli­zier­ba­ren) Beschaf­fen­heit von etwas gerichtet, die Eigenart der wirklichen Kopie von etwas anderem wirklichen.



Ich meine so langsam ein Gefühl dafür zu bekommen, was sprachliche Machtlosigkeit bedeutet, trotz einigermaßen gut funktionierenden Verstehens.



Never mind the gab. Let’s get to roping.”


the gab: das mü­ßi­ge Ge­schwätz

bunk: Koje; Eta­gen­bett; ugs. auch: Non­sens; Quatsch

to bunk to­gether: sich einen Schlaf­raum teilen

to bunk down: kam­pieren; sich aufs Ohr legen

to bunk off: ab­hau­en; aus­reißen; sich ver­krü­meln; blau­machen

to debunk: et­was ent­lar­ven; wider­le­gen; auf­decken; bloß­stellen

Vorsilbe ‘a’: an-; auf-; weg- dabei sein; i.w.S.: mit dazu kommen

Vorsilbe ‘pre’: vor-; zuvor-; vorher-; vorweg-

Vorsilbe ‘re’: erneut-; wider-; gegen-; rück-

preemp­ti­ve­ly: prä­ven­tiv; vor­beu­gend; einer Hand­lung, diese un­ter­bre­chend, zu­vor­kom­mend

where the rub­ber meets the road: wo das Gum­mi eines Rei­fens auf die Straße trifft und etwas pas­siert das eine Sache vo­ran­treibt; was von Be­deu­tung ist, wenn man nicht bloß Lärm machen und Staub auf­wir­beln will; i.w.S.: Boden­haf­tung. where the claw grips the bark


Wer des fließend, aber klar gesprochenen Englischen ohne allzu viele Fachtermini mächtig ist und bei Gelegenheit weitere 47 Minuten einsetzen mag, um dem Kam­mer­po­diums­ge­spräch zweier natur­wis­sen­schaftlich ausgebildeter und sehr erwachsener Eichhörnchen zu folgen, wie sie über etwas scheinbar weit hergeholtes, das, wenn es nicht von einer U.S.-Bundes­behörde käme, wohl auch abseitiggenannt werden könnte, langsam in Fahrt kommen, bis man man vor Entzücken über das inein­an­der­grei­fende Wechselspiel lachend in Liebe zerfließen und zugleich Alpträume bekommen könnte, über das besprochene, ausgesprochene, (an)greifbar gemachte, der könnte sich auch noch dieses, im besten Sinne merkwürdige Pferd anschauen, zwischen den Zeitmarken 0:38:35 und 1:25:05. Es kommt aus Oregon.


the gab: das Mund­werk
the gab: das Ge­quat­sche

Eine Version der weiter oben ange­führ­ten Web­seite der Cyber­si­cher­heits & Infra­struk­tur­si­cher­heits-Be­hörde der U.S.-Bun­des­re­gie­rung zur Zeit der neben­ste­hend ver­link­ten Episode des DarHorse Pod­casts, welche mich auf den Begriff mal­in­for­ma­tion hat auf­merk­sam werden lassen, ist hier zu finden.

Eine Erklä­rung des Prä­fixes Cyber- ist: „Wort­bil­dungs­ele­ment mit der Bedeu­tung ‚die von Com­pu­tern erzeugte vir­tu­elle Schein­welt betref­fend‘, z. B. Cyber­space.“ (Duden cyber-, Cyber-, März 2023.)

Der hierzu wie­de­rum ein­schlä­gige Begriff Hyper­re­ali­tät ist zur gleichen Zeit weder im Duden, noch im DWDS zu finden, auch nicht das Adjektiv hyperreal. Im Wiktio­nary (de) ist lediglich das letzere erwähnt, als Unter­be­griff von real, ohne weitere Erläu­te­rung.

Die ein­schlä­gige Erläu­te­rung in Wik­tio­nary (en) ist (im März 2023):

2. (semi­o­tics, phi­lo­so­phy) The ina­bi­lity of cons­ci­ous­ness to dis­tin­guish reality from fantasy, espe­ci­ally in tech­no­lo­gi­cally advan­ced post­mo­dern cultures.”

Meine Über­set­zung:

2. (Semiotik, Phi­lo­so­phie) Das Unver­mö­gen des Bewusst­seins, Reali­tät von Phan­ta­sie zu unter­schei­den [Wirk­lich­keit und Ein­bil­dung Vor­stel­lung;Ima­gi­na­tion ohne Basisin der Realität aus­ein­an­der zu halten; zu dif­fe­ren­zie­ren; klar zu erken­nen], ins­be­son­dere in tech­no­lo­gisch hoch­ent­wickel­ten post­mo­der­nen Kulturen.“

Über hyper­real dort: “1. Of or per­tai­ning to phi­lo­so­phi­cal hyper­re­a­lity; per­cei­vable as real by cons­ci­ous­ness, though poten­tially unreal.”

1. Aus phi­lo­so­phi­scher Hyper­re­a­li­tät oder diese betref­fend; wahr­nehm­bar vom Bewusst­sein als real [wirklich; echt; wahr], jedoch [aber; dennoch] mög­li­cher­weise [poten­ziell; even­tuell] irreal [unwirk­lich; unecht; unwahr].“

Aus Meyers Großem Kon­ver­sa­tions-Lexi­kon, 6., gänzl. neu­be­ar­b. u. ver­m. Aufl. Bd. 9. Leipzig u. Wien 1907, S. 705. Über Zeno.

Gedenk­tafel für die Freude von Hermann Stave, Schleimünde, Sommer 1995.

Einer Legende nach war es der ersten Mann­schaft der ENY VII auf­erlegt, auf ihrer ersten Som­mer­tour nach Schlei­münde zu segeln und diese Tafel an einer bestimm­ten Sitz­bank anzu­brin­gen, mit genauen Anwei­sun­gen wie die Montage zu erfolgen habe.

Die Sache mit dem Stander: Wie einer der der Ver­eins­äl­te­ren einmal kritisch ange­merkt hat, wehte der bei uns meistens auf der falschen Seite. Aber das lag am neuen Persi und dem Dau­er­lie­ge­platz in Wedel, also dem Sei­ten­steg am Schlen­gel und ent­spre­chend ange­ord­ne­ten Sei­ten­ein­gang, was bedeu­tete, dass die Spieren auf Steu­er­bord hoch­zu­hän­gen waren und deshalb die Dirk besser an Back­bord, also auch die achtere Ken­ter­tüte, wo die losen Parten dann um’s Want … (Und ich glaube, irgend­was mit dem Ersa, dem Er­satz-Besan­vor­stag, das zum Persi­bauen jedesmal mit einer Klet­ter­ak­tion um den Besan­topp gelegt werden musste, seitlich über die Augen vom Topp­be­schlag und achtern darunter, gebaut mit dem Fall der vorderen Ken­ter­tüte, war auch noch mit drin, in der Be­grün­dung.) Warum der Stander, wenn nicht im Topp, wo wir einen Ver­klicker fuhren und ein Stan­der­stock sich gerne mal mit der Rah ver­ha­kelt, am Nie­der­ho­ler, tradi­tio­nell an Back­bord zu wehen hat? Na ja, weil die Gast­land­flagge, wenn, an Steuerbord …

Fußball, die schönste Nebensache der Welt? Hold my beer!


“… so as to fend off facts that are being distributed by other people” — “‘pre-bunk’?” — “‘pre-bunk’. Okey, so —Also preemptively prebunkingseems redundant.” — “No it, it, ah, its ‘pre-prebunking’” — […] — “No — exactly, preemptively sl… come a-bunk.” — […] — “Look, and if you don't do that, the reason that you would wanna prebunk is because you might have to rebunk, right, if somebody“—”you might have to rebunk, as the science can change.” — “Well, if somebody debunks your bunk, then you gonna need to rebunk and it's much better to prebunk, in order to avoid that s… that awkward situation“—”I know, that's what I like to do …”

So let us get to where the rubber really meets the road here —Okey”—“because everybody listening to this is gonna say: Yes, okey, this is crazy’—Mhm“—‘that the federal government is declaring people, even people who are distributing facts out of what the federal government decides are contextwhatever that means’—Yea“— right that those people are terrorists.So yes, this is very ominous stuff, but come on, nobody is actually going to believe that somebody saying true things on the internet is a terrorist, so in the end, as awful as this is, what does it matter? And here is the problem 

We are in trouble —Well“—”wait! We are in a lot of trouble …”



Alle drei engl. Zitate v. Jean-François Lyotard, a.a.O., zit. n. Wikiquote (en), Dez. 2022. M. W-Übs..
Außer den klein­ge­setz­ten eben, natürlich. Die sind von Bret & Heather, Weinstein/Heying, Feb. 2022, der Link ist darüber.

Meine vorläufige Antwort auf die Frage, ob Post­mo­der­nis­mus annehmbar ist, im Sinne von: als dem menschlichen Leben im weiteren Sinne förderlich zu begrüßen: Nein.

Meine Einschätzung, ob wir in einer Zeit des Post­mo­der­nis­mus leben: Teilweise.

Kann man mit Post­mo­der­nis­mus Spaß haben? Ja, mit gewissen Risiken.

Noch etwas Musik auf diesen vorläufigen Exkurs? SQÜRL oder Wanda Jackson?


Symbo­li­sche Zugehörig­keit

 ⁠ ⁠ ⁠ ⁠🕱⁠ ⁠ 

Was wäre die nahe­lie­gende Bedeu­tung einer weißen Toten­kopf-Flagge?


Echte Piraten, so mit schnellen Motorbooten, Messern, Geiselnahme, Schnell­feuer­ge­wehren und Löse­geld­er­pressung, waren damals zu weit entfernt und selten, um eine Wirksamkeit zu haben, die ihr, von uns ins Spaßige, Unbestimmte verschobenes Symbol erneut mit originärer Bedeutung hätte aufladen und somit die Leichtigkeit zum Kippen bringen können. Ich glaube, es hat einfach keiner ernst genommen. Seeräuber, so richtige, das Luggerboot da, mit der schwarzen Toten­kopf-Flagge? Nicht anzunehmen. Und wär’ auch nicht gut gewesen, vor allem für uns. Echt nicht.


Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je über die Be­deu­tung spra­chen. Irgend­wie war das Ding da ge­we­sen, ziem­lich von An­fang an, viel­leicht noch von der alten Mann­schaft her und wir ha­ben eine klei­ne Tra­di­tion da­raus ge­macht, bis es zer­ris­sen ist, Ende 1996. Ob die Kur­zen es nach uns wie­der auf­ge­grif­fen haben?


Die Anbindung an die vormalige Bedeutung war zwar noch eindeutig erkennbar, aber ebenso klar erkennbar weit gelöst. Was war das, was wir da zeigten, weil es uns irgendwie gefiel? Eine zeichenhafte Erklärung, als Fragment des Eigentlichen, gesetzt oder geknüpft vielmehr, mit zwei doppelten Schotsteks, wenn ich mich recht erinnere, an das Liekbändsel der Besan­rah­nock und das obere Reff­leinen­auge vermutlich, an das Nicht-Eigent­li­che, nicht einmal an dessen Kopie. Mehr so, wie ein Original selbst, das entfernt einer Kopie ähnelte; der Simulation von etwas Unwirklichem, ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen. Oder, wenn man so will, ein Zeichen, welches durch seinen Kontext (Zusam­men­hang; sein Umfeld; seine Verbindung; Verknüpfung) wiederum mit einem kleinen Meta-Narrativ verbunden; daran angeknüpft; darin hineingesetzt oder eingeordnet worden war: Dem des lustigen, ein bisschen absurden, vielleicht aber doch irgendwie nicht völlig belanglosen Pira­ten-Rol­len­spiels in einer zivilisierten, befriedeten Welt.

Und wer, ihr Herren, wagt es einem Piraten zu sagen, wo die Grenzen seiner Rolle liegen, fest gezogen, verankert im grauen Schlick der Begriffswelt, wie ein hanseatisches Handelsschiff vor Nige Oge?

13



Nicht einmal von Seiten der traditionellen Segler-Vereinigung — gegründet 1913 als Sezession einer noch tradi­tio­nel­leren Segler-Vereinigung — der das Boot gehörte und die noch etwa zehn Jahre zuvor ihren Jugend­mit­gliedern das Tragen einheitlicher Seglerhemden im Hafen vorgeschrieben hatte (wohl in orange) gab es Einwände. Zumindest keine von denen ich gehört hätte. Unter anderem dafür deren schwarz-weiß-roten Stander — für sich selbst bereits von Anfang an Symbol eines Spiels mit der Wirklichkeit — mit der einfachen, an das Kreuz in vielen abend­ländischen Länderflaggen angelehnten Heraldik mit einem gewissen Stolz zu zeigen, irgendwann auch dort, wo offene Schwertboote nach verbreiteter Auffassung nichts zu suchen hatten, so, dass einer, der offenen Herzens zusah, sagen konnte: „Oh, guck mal, die können …“ war etwas, das wir lernten. Diese Basis aus Lockerheit, Verantwortung und Wohlstand, Eigensinn und Lebensfreude hat lange getragen, auch an Land. Ich dachte, so könnte es weitergehen.





Wie es weitergeht mit diesem Text, meiner Freude an Zusam­men­hängen, Erinnerungen und Anspielungen sowie den seefahrenden Säugetieren im dichter werdenden Nebel der Postmoderne, können Sie in Kapitel 6 lesen, ab so ungefähr (über-)übernächster Woche, unter dem Titel: Neue Wirklichkeit, günstig abzugeben. Zustand? Na ja, teilweise dekon­stru­iert. In dem daran­hän­gen­den Kapitel 7 geht es an die Grundlagen; den Halt jenseits klar erkennbarer Bedeutungen und noch halbwegs geprüfter Ergebnisse; die Wollfäden an den unver­werf­lichen Hoch­glanz­worten; die, die die Arbeit machen bei der man schmutzig wird; die Seife und die Priggen am Watt­fahr­wasser: Aufheben! Und zwar die Dialektik, mit Hilfe der Kultur.
·




---

Diese Seite wurde am 17.4.2023 zuletzt verändert und gehört zu der herausgegebenen Version 1.4.


nach oben
in die mitte
zur übersicht der kapitel
an das ende des vorigen kapitels
buch zuklappen



·